Polizei geht nicht von Terroranschlag in Münster aus

  08 April 2018    Gelesen: 1913
Polizei geht nicht von Terroranschlag in Münster aus

Ein Mann fährt in Münster in eine Menschengruppe und erschießt sich dann selbst - das erinnert an islamistische Terrorakte aus der jüngeren Vergangenheit. Doch der Verdacht zerstreut sich, nachdem der Täter identifiziert ist. Der Mann soll schon länger psychische Probleme gehabt haben.

 

Nach der tödlichen Amokfahrt von Münster suchen die Ermittler weiter nach Motiv und Hintergründen für die Tat. Noch unklar ist, warum ein Mann am Samstag mit einem Campingbus in einen Gruppe von Menschen fuhr, zwei davon tötete und sich anschließend nach Polizeiangaben in dem Wagen erschoss. Laut Polizei wurden 20 Menschen verletzt, sechs davon schwer. Am Samstagabend schwebten einige der Opfer weiter in Lebensgefahr. Sie hatten an dem Frühlingstag vor einer traditionsreichen Gaststätte in der historischen Altstadt gesessen. Eine 51-jährige Frau aus dem Landkreis Lüneburg und ein 65-jähriger Mann aus dem Kreis Borken starben.

Bei dem Fahrer handelt es sich den Ermittlern zufolge um einen 48 Jahre alten Deutschen. Einen terroristischen Hintergrund schloss die Polizei vorerst aus. Nach dpa-Informationen handelte es sich womöglich um einen psychisch labilen Einzeltäter. "Es spricht im Moment nichts dafür, dass es einen islamistischen Hintergrund gibt", sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) am Samstagabend.

Am Vormittag werden Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) in Münster erwartet. Laschet will sich vor Ort informieren und den Helfern Dank sagen, wie ein Sprecher mitteilte. Möglicherweise werden Seehofer und Laschet mit neuen Erkenntnissen an die Öffentlichkeit gehen.

Täter lebte schon lange in Münster

Nach Angaben der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" hat die Polizei den Täter als Jens R. identifiziert. Der 48-Jährige stammt demnach aus Olsberg im Sauerland. Er habe schon lange in Münster gelebt und soll in einer Wohnung in der Nähe des Tatorts gewohnt haben. Nach Informationen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" ist der Mann in der Vergangenheit psychisch auffällig gewesen sein. Das ZDF berichtete, der Mann habe vor kurzer Zeit einen Suizidversuch unternommen. Er soll demnach zudem Kontakte in die rechtsextreme Szene gehabt haben.

Die Polizei fand bei der Durchsuchung der Wohnung des Amokfahrers keine brauchbare Maschinenpistole vom Typ AK47, wie es zunächst hieß. Die Beamten hätten nur eine Dekorationswaffe und Feuerwerkskörper entdeckt. Spezialisten hätten aus Sicherheitsgründen die Wohnungstür aufgesprengt, bevor die Beamten die Räume hätten untersuchen können. Am Samstagabend waren in Münster wiederholt Explosionsgeräusche zu hören gewesen. Auch unmittelbar nach der Amokfahrt hatten sich die Einsatzkräfte dem Campingbus mit großer Vorsicht genähert, da Beamte Drähte sahen, die ins nicht einsehbare Fahrzeuginnere führten.

Die Spurensuche am Tatort dauerte in der Nacht an. Leichen wurden dort erst im Dunklen abgeholt. Polizisten sperrten den Bereich weiträumig ab. Die Ermittler prüften zunächst, ob sich Sprengstoff im Wagen befand, mehrere Drähte ragten aus dem Fahrzeug heraus. Im Inneren fanden die Ermittler eine Schreckschusswaffe und mehrere Feuerwerkskörper. Unklar war zunächst, ob dem Mann vielleicht doch geholfen wurde. Die Polizei ging Gerüchten nach, wonach zwei weitere Personen aus dem Transporter gesprungen und geflüchtet seien könnten. Das sei weiter nicht abschließend geklärt, sagte ein Sprecher.

Das Bundeskriminalamt hat ein Hinweisportal geschaltet, über das Zeugen Videos oder Fotos hochladen können. Bei der Polizei seien inzwischen viele Hinweise zu der Tat eingelaufen, so der Einsatzleiter Martin Fischer.  "Wir brauchen Zeit, die Spuren auszuwerten und die Ergebnisse der Ermittlungen zusammenzuführen." Auch am Sonntag könne es in der Innenstadt noch Behinderungen wegen der Tatortaufnahme geben.

Trump verurteilt "feige Attacke"

Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigten sich nach der Tat bestürzt. "Meine Gedanken sind in diesen Stunden bei den Opfern und den Angehörigen. Mein tiefes Mitgefühl gilt allen, die einen geliebten Menschen verloren haben und in tiefer Sorge sind", teilte Steinmeier mit. "Wir müssen von einer schweren Gewalttat ausgehen." Er dankte allen Ordnungs- und Rettungskräften im Einsatz.

Merkel erklärte, es werde alles Denkbare zur Aufklärung der Tat und zur Unterstützung der Opfer und ihrer Angehörigen getan. "Allen Einsatzkräften vor Ort gilt mein Dank." Auch US-Präsident Donald Trump drückte sein Bedauern für die Opfer aus. "Unsere Gedanken und Gebete sind bei den Familien derer, die getötet wurden", heißt es in einer Mitteilung des Weißen Hauses. "Auch wenn die deutschen Behörden noch kein Motiv für diese feige Attacke auf unschuldige Menschen genannt haben, verurteilen wir sie dennoch". Die US-Regierung sage Deutschland jede nötige Hilfe zu.

Stimmung zwischen Trauer und Normalität


Die beschauliche Universitätsstadt Münster stand zunächst unter Schock. Spontan versammelten sich Bürger, um zu trauern. Im Paulus-Dom in Münster gibt es am Sonntagabend einen ökumenischen Gedenkgottesdienst, den Bischof Felix Genn leiten will.

Schon am Abend nach der Tat versammelten sich Münsteraner am Aasee. Ein paar Dutzend Menschen standen dort im Kreis um Kerzen. Um den von der Polizei abgesperrten Bereich herrschte eine gespenstische Ruhe. Die Jugendkirche Effata nahe der abgeriegelten Zone öffnete ihre Türen. Auf einer Leinwand hinter dem Altar stand: "Wir beten für die Opfer und ihre Angehörigen".

In den umliegenden Kneipen kehrte zu später Stunde weitgehend Normalität ein, wie dpa-Reporter berichteten. Menschen saßen vor den Lokalen und genossen den milden Frühlingsabend. Es herrschte Betroffenheit, aber auch ein gewisser Trotz - die Menschen wollten sich den Samstagabend nicht nehmen lassen.

Quelle: n-tv.de


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