Vizekanzler Olaf Scholz präsentiert sich erfolgsbewusst. "Teambuilding gelungen", sagt der SPD-Politiker. "Der Rest kommt jetzt." Auch Kanzlerin Angela Merkel spricht von einem "gut ausgeprägten Willen zur Zusammenarbeit". Sie nutzt ihre Redezeit aber auch für eine versteckte Mahnung, die so versteckt nicht ist. Merkel empfiehlt den neuen Ministern, den Koalitionsvertrag gründlich zu lesen, bevor sie sich an Gesetzentwürfe machen und am besten auch nochmal mit den Kollegen aus anderen Ressorts zu sprechen. Sie äußert auch ihre Hoffnung, dass die neuen Kollegen nun so viel Arbeit hätten, dass sie für Aktivitäten außerhalb ihrer unmittelbaren Zuständigkeit keine Zeit mehr hätten. Damit dürfte sie vor allem auf die auffällige Medienpräsenz einiger Kabinettsmitglieder anspielen.
Pressekonferenz nach der Klausur der Großen Koalition auf Schloss Meseberg. Merkel reagiert auf die teils heftigen Streitereien zwischen Mitgliedern der Regierungsparteien. In den vier Wochen, die die GroKo jetzt schon regiert, sah es überhaupt nicht danach aus, dass sich die Minister schon als Mitglieder eines Teams sehen. Familiennachzug, das Werbeverbot für Abtreibungen, der Islam als Teil Deutschlands – bei diversen Themen kam es zum Konflikt zwischen Union und SPD.
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer machte kurz vor dem Treffen in Meseberg wohl am deutlichsten, dass der Geist dieser GroKo kein Geist der Gemeinsamkeit ist. Sie freue sich auf "den Wettbewerb zwischen den unionsgeführten und den SPD-geführten Ministerien, wer am schnellsten und überzeugendsten die entsprechenden Punkte des Koalitionsvertrages angeht und umsetzt", sagte sie.
Groko "kann" konstruktiv arbeiten
Auch nach der Klausur war diese Einzelkämpfer-Mentalität zu beobachten. Während Merkel auf den Zusammenhalt einschwor und Streitereien als "öffentliche Diskussionen" beschönigte, platzierte ihr Vizekanzler an jeder denkbaren Stelle, wie wichtig das Thema Arbeit doch für die Zukunft sei. Auch Merkel ging darauf ein. Sie gab sich zuversichtlich, dass die große Koalition den Weg Richtung Vollbeschäftigung in Deutschland ebnen wird. Das Ziel sei, dies bis 2025 zu erreichen. Bei Scholz wirkte es aber ziemlich bemüht, dieses ursozialdemokratischen Thema im eigenen Namen ganz nach oben auf die Agenda zu setzen.
Inhaltlich ging es bei der Klausur nicht wirklich voran: Die Koalitionäre einigten sich auf eine Verlängerung der Binnengrenzkontrollen zu Österreich aus Sicherheitsgründen und der Bundeswehreinsätze in Mali und Somalia, doch weder beim Diesel-Skandal noch beim Familiennachzug herrscht jetzt mehr klarheit. "Das Ziel dieser Klausur war ja nicht, eine detaillierte Vorhabenplanung zu präsentieren", rechtfertigte sich Merkel. Es sei darum gegangen, Arbeitsfähigkeit herzustellen und ein Gespür für die Erwartungen an die GroKo zu bekommen.
Zu Gast in Meseberg waren Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Auch Vertreter der Gewerkschaften und der Arbeitgeber waren geladen. Aber Merkel macht deutlich, welche Gesetzesentwürfe Priorität haben, zumindest ganz grob: die Verabschiedung des Haushalts und eine Regelung für den Familiennachzug, weil die bestehende Regelung bis August ausgesetzt ist.
An einer Stelle wirkt dann auch Scholz so, als würde er eine versteckte Mahnung aussenden: "Das war eine gute Klausurtagung", sagte er. Die neue Regierung könne konstruktiv sein und werde "auch den dementsprechenden Erfolg" haben können. Er formuliert einen Satz, in dem das Wort "kann" sehr häufig auftaucht.
Quelle: n-tv.de
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