Türkei: Hunderttausende Kurden auf der Flucht

  18 Dezember 2015    Gelesen: 660
Türkei: Hunderttausende Kurden auf der Flucht
Nach dem erneuten Gewaltausbruch in der Südost-Türkei sind offenbar 200.000 Kurden auf der Flucht. Die Situation hat sich aufgrund der jüngsten Zusammenstöße zwischen PKK und türkischen Sicherheitskräften verschärft.
Etwa 200.000 Kurden flüchten aus der Südost-Türkei. Premier Ahmet Davutoğlu hat offenbar eine Meldung herausgegeben, dass die Region im Notfall gesäubert werden soll. Seit dem August wurden in insgesamt 17 Städten Ausganssperren verhängt. Etwa 10.000 Polizisten und Soldaten sind in dem Gebiet im Einsatz.

Die Betroffenen vor Ort beschreiben kriegsähnliche Zustände. Zahlreiche Opfer sind zu beklagen. Die Geflüchtete Derya T. sagte der Zeitung Today’s Zaman: „Wir hatten kein fließendes Wasser mehr und die Stromtransformatoren sind explodiert. Ich habe sieben Kinder, sie können nicht mehr die Schule besuchen. Sie sind verstört. Wir mussten das Wasser trinken, das wir normalerweise auf der Toilette benutzen. Meine Kinder sind erkrankt, einschließlich des Jüngsten, der noch in den Windeln liegt. Ich konnte sie nicht ins Krankenhaus bringen. Schließlich habe ich Kinder bei verschiedenen Verwandten untergebracht. Unsere Häuser sind voll von Einschusslöchern.“

Die Geflüchtete Ekrem Ş. berichtet Today’s Zaman, dass seine 11-jährige Tochter von einer Kugel getroffen wurde, als sie Brot holen ging. Ihr Körper soll 15 Minuten am Boden gelegen sein, bevor jemand zu ihr gehen konnte. Denn die Menschen trauen sich nicht mehr auf die Straße. „Ich habe jetzt nur noch zwei Kinder. Wir befinden uns in einer schlimmen Lage“, so der Mann. Er hätte seine Familie schon längst aus dem Konfliktgebiet weggeschafft. Doch ihm fehlen die finanziellen Mittel.

Die Situation in der Region hat sich verschärft, nachdem es in der jüngeren Vergangenheit zu schweren Zusammenstößen zwischen der PKK und türkischen Sicherheitskräften gekommen ist. Mitte Oktober gab es in Ankara einen Bombenanschlag gegen eine kurdische Friedensdemo. Mindestens 100 Personen starben.

Der ehemalige Generalstabschef der türkischen Streitkräfte, Ilker Başbuğ, hatte sich bereits im November zu den Zusammenstößen im Südosten der Türkei geäußert.

Die Regional-Zeitung Haber Diyarbakir zitiert Başbuğ: „Der Kampf gegen den Terrorismus muss ohne Zweifel entschieden weitergeführt werden. Doch parallel dazu müssen Ursachen, die den Zulauf zu Terror-Organisationen fördern, präventiv beseitigt werden. Ich bin zutiefst beunruhigt über die Vorkommnisse in den Städten des Südostens und wir alle müssen uns die Frage stellen: Wie konnte es soweit kommen?“

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