Schlechter hätte das Timing nicht sein können: Nachdem der Handelskrieg zwischen den USA und China in den letzten Wochen immer weiter eskaliert ist, nimmt die Trump-Administration nun Chinas größten Smartphone-Hersteller ZTE ins Visier. US-Firmen dürfen nach einer Anordnung des US-Handelsministeriums wegen Sicherheitsbedenken keine Komponenten mehr an den Staatskonzern aus Shenzhen bei Hongkong liefern.
ZTE kommt dadurch erheblich unter Druck: Chinas Telekom-Gigant ist nun vom Nachschub mit US-Chips für seine Handys abgeschnitten. Man "bewerte die volle Breite potentieller Folgen dieses Ereignisses für die Firma", teilte ZTE mit und setzte seine Aktie vom Börsenhandel in China aus. Die USA müssten für "unparteiische, faire und stabile rechtliche und politische Rahmenbedingungen sorgen", protestierte das chinesische Handelsministerium.
Nach den wochenlangen Drohungen mit Strafzöllen scheint der Exportstopp gegen ZTE wie eine weitere Eskalation im schwelenden Handelskrieg zwischen Washington und Peking. Das US-Handelsministerium beteuert jedoch, die Sanktionen gegen den Handy-Hersteller hätten mit der wachsenden Anti-China-Kampagne der Trump-Regierung nichts zu tun. Nutzt Washington den Schutz der "nationalen Sicherheit" als Feigenblatt im globalen Technologie-Wettlauf - oder müssen westliche Firmen tatsächlich fürchten, sich mit ZTE den chinesischen Geheimdienst ins Haus zu holen? Befürchtungen, ZTE könnte im Ernstfall auf Anordnung aus Peking Handy- und Stromnetze im Westen lahmlegen, in denen ihr Equipment verbaut ist, halten sich hartnäckig.
Auch London warnt vor chinesischen Herstellern
Offiziell begründen die USA ihre Schritte gegen ZTE mit massiven Sanktionsverstößen. Die chinesische Firma hatte vor einem Jahr eingeräumt, illegal nach Nordkorea und in den Iran geliefert zu haben und dafür eine Strafe von rund 1,2 Milliarden Dollar gezahlt. Aber statt die Verantwortlichen wie versprochen dafür zu bestrafen, habe ZTE "seinen Angestellten volle Boni gezahlt und keinerlei Disziplinarmaßnahmen ergriffen" und in den Verhandlungen über die Milliardenstrafe gelogen, stellte die US-Regierung nun fest.
Dass an den Vorwürfen gegen China diesmal womöglich mehr dran ist als bei den bisherigen Handelsattacken aus Washington zeigt sich daran, dass die Trump-Regierung diesmal Geleitschutz aus dem Ausland bekommt. Das britische Cybersicherheitzentrum (NCSC), das Teil des Geheimdiensts GCHQ ist, hat zeitgleich mit dem US-Handelsministerium Maßnahmen ergriffen: Britische Netzbetreiber sollten die Finger von ZTE-Equipment lassen, warnte NCSC-Chef Ian Levy laut "Wall Street Journal" in einem Brief an die Telekomfirmen auf der Insel - und schnitt die Firma damit faktisch vom britischen Markt ab.
ZTE hat sich in den vergangenen Jahren neben Huawei zu einem der größten Telekom-Hersteller weltweit gemausert. Man sei besonders besorgt über neue chinesische Gesetze, mit denen Peking "weitreichende Durchgriffsrechte" auf beide Firmen bekommen könnte, zitiert das "Wall Street Journal" einen britischen Beamten. Huawei habe bereits massiv in Großbritannien investiert. Wenn ZTE nun eine ähnliche Präsenz auf der Insel aufbaue, habe man den chinesischen Herstellern nichts mehr entgegenzusetzen, hieß es. Denn bisher habe man das Risiko eindämmen können, indem neben Huawei-Produkten auch nicht-chinesische Hardware verbaut wurde.
Chinas langer Arm im Westen?
Die Angst vor Hintertüren im Equipment und in der Software von Chinas Telekomriesen ist womöglich nicht unbegründet. 2012 bestätigte ZTE eine groteske Sicherheitslücke in seinem US-Handy namens Score: Mit einem Masterpasswort konnte man einfach aus der Ferne auf die Geräte zugreifen. Öffentliche Beweise dafür, dass ZTE und Huawei undurchsichtige Verbindungen zum chinesischen Staat unterhalten, gibt es aber kaum - abgesehen davon vielleicht, dass Huawei-Gründer Ren Zhengfei als Techniker in der chinesischen Volksarmee gedient hat und sein Konzern wie westliche Telekomfirmen auch Militäraufträge bekommt. Huawei gehört allein seinen Angestellten, bei ZTE hält der Staat nur etwa ein Drittel.
Trotzdem gibt es sowohl im US-Senat als auch im Abgeordnetenhaus Pläne, der US-Regierung die Verwendung von Equipment beider Firmen zu verbieten. Im Februar warnten die Chefs von CIA, NSA und FBI bei einer Anhörung davor, Telefone von Huawei oder ZTE zu benutzen. Man gebe Chinas Regierung damit die Gelegenheit, "unentdeckte Spionage zu betreiben", sagte FBI-Chef Christopher Wray. Im Januar musste AT&T seine Pläne, Huawei-Handys in den USA zu verkaufen, nach Widerstand aus dem US-Kongress begraben. Und schon in der Obama-Ära stuften die Abgeordneten Huawei und ZTE 2012 als "Bedrohungen der nationalen Sicherheit" ein.
Chinas Telekomgiganten wehren sich vehement gegen die Vorwürfe: Vermeintliche Hintertüren in ihrer Software seien zufällige Fehler, nicht absichtliche Schwachstellen, beteuerten Vertreter von Huawei und ZTE 2012 vor dem Kongress. Die Firmen bestreiten, dass ihre Produkte ein Sicherheitsrisiko für die Länder sind, in denen sie verkauft werden. Vor allem in Europa haben sie Marktanteile nicht durch Spionage, sondern aus einem guten Grund gewonnen: Sie sind billiger als die Konkurrenz von Motorola, Ericsson, Alcatel und Siemens.
Trotz aller Sorge um Sicherheitsbedenken kann man in den Schlägen gegen Chinas Telekomsektor deshalb auch schnöde Vergeltung sehen: Erst versuchte der Chipgigant Broadcom aus Singapur den US-Chiphersteller Qualcomm zu übernehmen. US-Präsident Trump blockierte die feindliche Übernahme aus Angst, sie könnte Qualcomm im Wettbewerb mit Huawei benachteiligen. Und nun geht die Trump-Administration in die Offensive und schneidet ZTE vom Chipnachschub aus den USA ab. Eine schnelle Lösung des Konflikts ist nicht in Sicht. Der Bann, den die US-Regierung gegen ZTE verhängt hat, gilt für sieben Jahre.
Quelle: n-tv.de
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