Wer etwas auf sich hält, fährt in China ein deutsches Auto. Ob VW, Audi, Mercedes oder BMW - die großen Marken aus der Bundes- sind auch in der Volksrepublik beliebt. Doch es gibt noch einen gewaltigen Unterschied: Nur wer wirklich Geld hat, konnte sich in China bisher ein teures Importmodell aus Deutschland leisten. Alle anderen mussten auf die vermeintliche Billigqualität aus den heimischen Joint-Venture-Fabriken zurückgreifen - in denen westliche Autokonzerne gemeinsam mit chinesischen Staatsfirmen produzieren lassen.
Das könnte sich demnächst ändern. Denn ab dem Jahr 2022 dürfen ausländische Hersteller in China ihre eigenen Fabriken vollständig besitzen. Der bisherige Joint-Venture-Zwang entfällt. Also freie Fahrt für Autos aus "originalen Fabriken" in China?
So einfach, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist es leider nicht. Zwar wiederholten bisher alle westlichen Autohersteller immer wieder die Klage über den Zwang, mit einem chinesischen Staatsunternehmen kooperieren zu müssen. Doch jetzt, kurz vor der Öffnung des Marktes, fühlen sich plötzlich alle pudelwohl im Bund mit ihren chinesischen Partnern.
"Die Marköffnung war ein überfälliger Schritt, der vor zehn oder 20 Jahren große Wirkung gezeigt hätte", kommentiert Jörg Wuttke, ehemaliger Präsident der Europäischen Handelskammer in Peking, der seit den Neunzigerjahren in der chinesischen Hauptstadt lebt. Doch inzwischen sähen die Dinge ganz anders aus: "Kein europäischer Automobilhersteller wird sich heute vom chinesischen Partner trennen", sagt Wuttke dem SPIEGEL.
Artiger Applaus aus Deutschland
Woher kommt diese Kehrtwende? Klagten die deutschen Autochefs nicht bei den alljährlichen Kanzlerinnen-Reisen nach Peking immer wieder, wie sehr ihre Firmen in China von Staat und Behörden drangsaliert werden? Und jetzt wollen sie auf dem größten Automarkt der Welt gar nicht unabhängig werden?
Immerhin von offizieller deutscher Seite gab es Applaus für die Pekinger Maßnahmen. Die Marktöffnung sei ein Schritt in die richtige Richtung, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. Und vom Verband der Automobilindustrie gab es freundliches Lob: Chinas Ankündigung sei ein wichtiger Schritt für offenere Märkte und ein klares Zeichen für freien Wettbewerb.
Die deutschen Autoriesen aber ließen ihre Reserviertheit deutlich durchblicken. Weder bei Volkswagen noch bei Daimler oder BMW sieht man derzeit besonderen Bedarf, die eigene Aufstellung in China neu zu sortieren. Die Zusammenarbeit mit den Joint-Venture-Partnern funktioniere. Ende der Durchsage. Ein ähnliches Echo kam aus den USA: "Unser Wachstum in China ist ein Ergebnis der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit unseren Joint-Venture-Partnern", ließ der führende US-amerikanische Autohersteller General Motors mitteilen. Als hätte es nie Probleme gegeben.
Die einst unfreiwilligen Partner haben längst einen Weg für eine gedeihliche Zusammenarbeit gefunden: Die westlichen Autokonzerne liefern die Konstruktionspläne und stellen die Produktionsanlagen auf, ihre chinesischen Partner sorgen für einen reibungslosen Ablauf in der Fabrik und - noch wichtiger - für den guten Kontakt zu den Behörden und zu den entscheidenden Ansprechpartnern in der Partei.
spiegel
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