Stille Nächte in Kreuzberg

  18 Dezember 2015    Gelesen: 433
Stille Nächte in Kreuzberg
Oder: Wie lange wird die böllerfeindliche Mitte noch schweigen?
Nie machen die Deutschen so ernst damit, sich mal richtig wegzuknallen, wie zu Silvester. Wenn Supermärkte die Unterwäschesets und Lebkuchenherzen von ihren Aktionsflächen räumen, um Platz für Raketen und Böller zu schaffen. 124 Millionen Euro wurden dafür beim vergangenen Jahreswechsel ausgegeben.

Zwei Berliner Experten für politische Knalleffekte wollen damit nun Schluss machen: Hans-Christian Ströbele (Grüne) und Christopher Lauer (Ex-Piratenpartei). Ströbele setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass sich die Deutschen an 365 Tagen im Jahr mit Gras wegballern können sollen, aber die Silvesterknaller sind ihm zu laut. Zumindest die größten will er verbieten. Begründung: die Bomben von Paris. "Die Leute wissen ja nicht, was das ist, was so fürchterlich bumst."

Lauer, seit 2011 im Berliner Abgeordnetenhaus, argumentiert nüchterner: Er rechnet die Steuereinnahmen durch den Böllerverkauf gegen die höheren Ausgaben für die Notarzteinsätze auf und die der "Krankenkasse, die eine abgefetzte Hand finanzieren muss". Ein Minus-Geschäft.

Man könnte nun erwidern (so weit reicht das liberale Bewusstsein ja auch ohne FDP im Bundestag), dass es manche Freiheiten gibt, die sich eine Gesellschaft leisten sollte, selbst wenn sie kosten. Ob das Böllern dazu gehört, darüber sind sich die Deutschen nicht einig. Fast jeder vierte hat bereits Knaller-Verletzungen miterlebt, ergab eine Umfrage 2014, trotzdem waren 53 Prozent gegen ein Verbot, eine knappe Mehrheit. Könnte da etwas kippen in Deutschland? Wie lange schweigt die böllerfeindliche Mitte noch?

In den Niederlanden sind sie schon weiter. Dort argumentieren Knallergegner nicht mit Kosten, sondern mit Tieren, Kindern, Kranken und Greisen. 56 von 281 Gemeinden haben dort die Böller zu Silvester mittlerweile verboten. Sie schützen so Streichelzoos, Kindergärten, Altenheime, Krankenhäuser, aber auch ganze Fußgängerzonen. Bei der Beschwerdestelle Vuurwerkoverlast ("Feuerwerkplage") der Grünen sind bereits über 71.000 Beschwerden von Niederländern eingegangen, die sich belästigt fühlen.

Nun muss weder auf Lärm noch auf die Verletzungen ein Verbot die Antwort sein. Wenn es Lauer um die sozial gerechte Finanzierung der abgesprengten Hand geht, müsste er eine Steuererhöhung auf Böller fordern: Raketen nur für Reiche.

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