Koalition verkracht sich wegen Abtreibungen

  24 April 2018    Gelesen: 1315
Koalition verkracht sich wegen Abtreibungen

Die SPD setzt die Union unter Druck: Gibt es bis zum Herbst keine Einigung beim Thema Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, stimmen die Sozialdemokraten mit Linken, Grünen und der FDP. Das stößt bei den Christdemokraten auf wenig Gegenliebe.

 

Im Koalitionsstreit um das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche ist keine Lösung in Sicht. Eine von der SPD gesetzte Frist wies Unionsfraktionschef Volker Kauder zurück.

Beim Parteitag in Wiesbaden hatte der SPD-Vorstand beschlossen, dass es bis zum Herbst eine Einigung mit der Union geben müsse. Sollte bis dahin kein Kompromiss in der Bundesregierung oder zwischen den Fraktionen zum Strafgesetzbuch-Paragrafen 219a gefunden werden, wollen die Sozialdemokraten mit "reformwilligen" Fraktionen oder Abgeordneten gemeinsame Sache machen. Indirekt ist das eine Drohung mit dem Koalitionsbruch, denn der Koalitionsvertrag schließt wechselnde Mehrheiten im Bundestag aus.

Dieser Beschluss sei für die Union nicht zu akzeptieren, sagte Kauder der "Rheinischen Post". "In einer Koalition kann man sich nicht öffentlich einseitige Fristen setzen." Man habe sich mit der SPD im März auf das weitere Verfahren in dieser schwierigen Frage geeinigt. "Dabei muss es bleiben." Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Michael Grosse-Brömer, äußerte sich ähnlich. Es sei "kein konstruktiver Beitrag zur Problemlösung, sich öffentlich Fristen zu setzen." Man wolle einen entsprechenden Vorschlag der Bundesregierung zum Thema abwarten - daran halte sich die Union.

Nach dem SPD-Parteitag, bei dem Fraktionschefin Andrea Nahles am Sonntag mit mageren 66 Prozent zur neuen Parteivorsitzenden gewählt worden war, appellierte Grosse-Brömer an den Koalitionspartner, die Zusammenarbeit in der Koalition nicht zu gefährden. Es sei wichtig, dass die Zerrissenheit der Sozialdemokraten nicht in die SPD-Fraktion übertragen werde. Nahles habe nun angesichts der vor der Koalition stehenden Herausforderungen die Aufgabe, ihre Fraktion zusammenzuhalten. Er hoffe nicht, dass durch Probleme in der SPD die Zusammenarbeit in der Koalition in irgendeiner Form gefährdet werde.

Spahn will Paragrafen nicht ändern

 

Nahles' Parteifreundin, Bundesjustizministerin Katarina Barley, beharrt auf einer Änderung des Paragrafen 219a. Ihr Ressort arbeitet derzeit an einem entsprechenden Gesetzentwurf. Die SPD hat auch bereits einen Antrag vorgelegt. Um die Koalition nicht zu gefährden, lässt sie darüber aber bisher nicht abstimmen. "Es geht nicht um Werbung, es geht um Information", sagte Barley der "Rheinischen Post".

Betroffene Frauen bräuchten Unterstützung in einer persönlichen Krisensituation. "Dafür ist es wichtig, dass Ärztinnen und Ärzte, die solche Eingriffe vornehmen, darüber auch informieren dürfen." Auch die SPD-Bundestagsabgeordnete Daniela Kolbe sprach sich im Deutschlandfunk für eine Änderung des Strafgesetzbuches aus. Nur so hätten Ärzte Rechtssicherheit. Man könne das Strafrecht nicht über ein anderes Gesetz außer Kraft setzen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte sich am Montag noch zuversichtlich hinsichtlich einer Lösung im Koalitionsstreit geäußert. Der CDU-Politiker will allerdings nicht den Paragrafen 219a ändern. "Wir wollen, dass Frauen in einer schwierigen Konfliktsituation sich gut informieren können", sagte er der "Bild"-Zeitung. Dieses Ziel sei aber auch ohne Änderung des Strafrechtsgesetzes erreichbar.

Rechtssicherheit für Ärzte gefordert

Die Bundesärztekammer hatte vorgeschlagen, eine zentrale Liste mit allen Ärzten einzurichten, die Abtreibungen vornehmen. Entscheidend sei aber in diesem Zusammenhang die ausreichende sachliche Information der Frauen und die Rechtssicherheit für Ärzte, sagte Bundesärztekammer-Präsident Frank Ulrich Montgomery der "Bild"-Zeitung. "Ob dies im Rahmen des bestehenden Gesetzes möglich oder eine Änderung notwendig ist, ist zu diskutieren", so Montgomery weiter.

Ein Bündnis aus Sozialverbänden drängt auf eine Abschaffung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche. In einem am Montag veröffentlichten Brief an die Bundesregierung sowie an Parteien und Fraktionen der Großen Koalition fordern die Organisationen eine ersatzlose Streichung des Strafrechtsparagrafen 219a.

"Die Entscheidung über einen Schwangerschaftsabbruch gehört zu den persönlichsten Entscheidungen, die eine Frau treffen kann und, muss als solche behandelt und respektiert werden", erklärte Awo-Chef Wolfgang Stadler. Die Frauen bräuchten einen Zugang zu niedrigschwelligen und sachlichen Informationen, erklärte das Zukunftsforum Familie (ZFF). Zu den Unterstützern des Briefes gehören neben Awo und ZFF auch die DGB Frauen, der Deutsche Juristinnenbund, der Pro-Familia-Bundesverband und der Sozialverband Deutschland (SoVD).

Die Diskussion um den Paragrafen 219a war durch die Bestrafung einer Gießener Ärztin in Gang gekommen, die auf ihrer Website mithilfe eines Links über Möglichkeiten des Schwangerschaftsabbruchs informiert hatte. Für eine Abschaffung des Paragrafen treten seither Linke und Grüne ein. Da auch die FDP für eine Abkehr vom bisherigen Paragrafen 219a plädiert, gäbe es im Bundestag zusammen mit den Stimmen der Sozialdemokraten eine Mehrheit gegen die Union in dieser Frage.

Quelle: n-tv.de


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