Warum Sami A. Sozialhilfe bekommt

  25 April 2018    Gelesen: 1729
Warum Sami A. Sozialhilfe bekommt

Er soll der Leibwächter des Top-Terroristen Osama bin Laden gewesen sein und ein Al-Kaida-Terrorist. Seit Jahren lebt Sami A. in Bochum von Sozialhilfe. Abgeschoben werden kann er trotz seiner Vergangenheit nicht.

Der Fall Sami A. klingt wie die Kapitulation des Rechts- und Sozialstaats. Der Tunesier soll einst Mitglied der Leibwächtergarde Osama bin Ladens gewesen sein. Er soll in Afghanistan an einer Ausbildung in einem Terrorcamp teilgenommen haben. Er soll Kontakte zu Drahtziehern der Anschläge vom 11. September gehabt haben. Und nun führt er angeblich ein friedliches Leben in Bochum, lebt von Sozialhilfe und darf nicht abgeschoben werden, obwohl er als "Gefährder" gelistet ist und ein Gericht ihn als "akut gefährlich" eingestuft hat. Doch ist es wirklich so einfach?

Die AfD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag hat sich in einer Anfrage an die Landesregierung NRW nach dem Auskommen von Sami A. erkundigt. Die antwortete: "Die aktuell von Herrn A. in Anspruch genommenen Hilfeleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz betragen monatlich 1167,84 Euro". Der Fall erregt die Gemüter, nicht nur bei der AfD: Ein ehemaliger Mitarbeiter des wohl bekanntesten Terroristen aller Zeiten lebt in Deutschland und bekommt für sich und seine Familie mehr als 1100 Euro monatlich. Und das wird offenbar auch so bleiben.

Das weckt nicht bloß Unmut bei der AfD. Der CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg sagte der "Bild"-Zeitung: "Hier wird das deutsche Asylrecht schmalos ausgenutzt. Wir müssen mit Steuergeld einen Terroristen finanzieren, weil wir ihn nicht abschieben dürfen."

Es gibt zwar keinen Abschiebestopp nach Tunesien. Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Land sogar als "sicheres Herkunftsland" eingestuft werden. Doch Sami A. hat vor Gericht durch alle Instanzen ein Abschiebeverbot erwirkt. Es ist unanfechtbar. Noch vor knapp einem Jahr stellte das Oberverwaltungsgericht Münster fest, dass dem Kläger bei einer Abschiebung nach Tunesien mit gewisser Wahrscheinlichkeit Folter, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohen könnten.

Polizeilich unauffällig
Bei der Stadt Bochum gibt man sich auf Nachfrage von n-tv.de zu dem Fall schmallippig. Ja, es sei richtig, dass ein Gericht letztinstantlich entschieden habe, dass Sami A. nicht abgeschoben werden dürfe. Nein, er habe noch nicht gehört, dass man sich in der Bochumer Bevölkerung daran störe, dass Sami A. dort lebe, sagt ein Sprecher offensichtlich genervt. Nicht nur in den Regionalmedien wird der Fall immer wieder aufgerollt. Sami A. führt scheinbar ein ruhiges Leben in der Ruhrgebietsstadt, einzig die ständige Medienberichterstattung stört offenbar das Idyll des islamistischen Gefährders.

Die Frage, ob es Hinweise darauf gebe, dass Sami A. ein Sicherheitsrisiko darstelle, will der Sprecher nicht beantworten und gibt sie an die örtliche Polizei ab. Die Bochumer Polizei wiederum sagt, es sei doch eigentlich Sache der Stadt, derartige Fragen zu beantworten. Schließlich sei Sami A. ein Fall der örtlichen Sozial- und Justizbehörden. Die Beamten antworten dennoch: Es habe es in der jüngeren Vergangenheit im Umfeld von Sami A. keine Einsätze gegeben. A. sei richterlich verpflichtet, sich täglich bei der Polizei zu melden und dieser Pflicht komme er auch nach.

Im direkten Umfeld von Sami A. ist es also offenbar ruhig. In einem größeren Maßstab gesehen, ist die Gefährdungslage jedoch eine andere. Sami A. sei "einer der gravierendsten Fälle von ausreisepflichtigen Gefährdern in Nordrhein-Westfalen", heißt es in der Antwort der Landesregierung auf die Anfrage der AfD. Es lägen Erkenntnisse vor, nach denen er "der Leibwächter des Al-Kaida Terroristen Osama bin Laden" gewesen sei. Peter Biesenbach, Justizminister des Landes NRW wird in dem Dokument mit den Worten zitiert: "Sami A. stellt eine terroristische Gefahr dar".

Die deutschen Behörden kennen Sami A. seit mehr als 20 Jahren. Er kommt 1997 als 21-Jähriger zum Studium aus Tunesien nach NRW. Er schreibt sich zunächst an der Fachhochschule Niederrhein in Krefeld für das Fach Textiltechnik ein, wechselt dann zu technischer Informatik, dann zu Elektrotechnik. Er lebt zunächst in Köln, dann zieht er 2004 nach Bochum. Einen Abschluss macht er nicht. Bis zum Jahr 2005 lebt Sami A. ein unauffälliges Leben.

Kronzeuge belastet Sami A.
Dann wird in Düsseldorf der Prozess um die Terror-Vereinigung Al-Tawhid verhandelt, die in Deutschland mehrere Anschläge durchführen wollte. A. steht zwar nicht unter Verdacht, an den Vorbereitungen beteiligt gewesen zu sein. Doch er wird als Zeuge geladen – und wird zum Verdächtigen. Denn unter den weiteren Zeugen ist einer, der Sami A. schwer belastet. Um die Jahrtausendwende sei er mit A. und einem weiteren Tunesier über Saudi-Arabien nach Pakistan gereist, berichtet der. Anschließend seien sie weiter nach Afghanistan gefahren. Sami A. habe sich dort militärisch ausbilden lassen und schließlich einige Monate für Osama bin Laden gearbeitet. Der Mann, der den Bochumer schwer belastet, ist der Kronzeuge in dem Prozess und das Gericht hält seine Aussagen für glaubwürdig. Für die Behörden steht ab nun fest: Sami A. war bei Al-Kaida.

Kurz nach dem Ende des Prozesses, im Jahr 2006, lehnt dann auch die Ausländerbehörde der Stadt Bochum eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ab. Sami A. muss seinen Pass abgeben und sich von nun an täglich bei der Polizei in Bochum melden. Wenige Wochen später eröffnet der Generalbundesanwalt ein Verfahren gegen A. wegen Mitgliedschaft in einer Terror-Organisation. Kurze Zeit später wird das Verfahren jedoch wieder eingestellt. Der Verdacht habe sich weder erhärtet noch habe er verworfen werden können, heißt es.

Kurz danach stellt Sami A. einen Asylantrag. Müsse er in seine Heimat Tunesien zurückkehren, drohe ihm Folter, begründet er. Damals herrscht in dem Land noch der Diktator Ben Ali. Oppositionelle und Islamisten werden in den Gefängnissen des Landes regelmäßig gefoltert. 2009 verbietet das Verwaltungsgericht Düsseldorf daher dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Sami A. abzuschieben. 2014 schließlich wird der Fall noch einmal aufgerollt, da Ben Ali im Arabischen Frühling des Jahres 2011 aus Tunesien verjagt wird. Das Bamf entscheidet, A. könne nun abgeschoben werden, die Lage vor Ort habe sich schließlich grundlegend verändert. Doch A. wehrt sich erneut und bekommt vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen 2016 Recht, das Abschiebverbot für ihn wird erneuert. Das Auswärtige Amt schätzt, dass eine gewisse Gefährdung von Terrorverdächtigen in tunesischer Haft "nicht auszuschließen" sei. Auf diese Einschätzung beziehen sich die Richter.

"Alles erfunden"

Und auch das Oberverwaltungsgericht Münster beschäftigt sich noch mit dem Fall. Es bewertet 2015 das Gefährdungspotential von Sami A. und kommt zu dem Schluss, dass er "eine akute erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit" darstelle. Zwei Jahre später bestätigen die Richter die Entscheidung ihrer Gelsenkirchener Kollegen: A. darf nicht abgeschoben werden, in Tunesien könnten ihm Folter oder Erniedrigung drohen.

Sami A. bestreitet alle Vorwürfe. Er sei weder Salafist, noch fundamentalislamischer Prediger, er sei niemals in Afghanistan gewesen. "Alles erfunden", sagte er 2016 einem Journalisten. A. spricht eigentlich so gut wie nie mit der Presse. Er sieht sich selbst als Opfer einer "fatalen Mischung" aus Irrtum und Lüge. Auch als Leibwächter Osama bin Ladens habe er nie gearbeitet. "Wie auch, mit meinen gerade einmal 1,65 Metern?", sagte er damals der "Zeit".

n-tv


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