Dieter Salomon hakt sich bei seiner Frau ein, dann gehen sie die Straße hinunter: Es ist eine Fußgängerzone, eines der typischen Freiburger Bächlein fließt am Rand, links liegt ein Schmuckgeschäft, rechts ein kleines Theater. Und fürs perfekte Freiburg-Klischee scheint noch untergehende Abendsonne warm auf die Flaneure.
Für den grünen Oberbürgermeister ist der Gang durch die Rathausgasse trotz der Sonne wohl der schwerste seiner politischen Laufbahn. Denn gerade erst ist Salomon von der Bühne der zentralen Wahlparty auf dem Freiburger Rathausplatz hinuntergestiegen. Dort musste er seine Niederlage bei der Oberbürgermeisterwahl eingestehen, im zweiten Wahlgang.
Dem Grünen-Politiker rutscht ein paar Mal fast die Stimme weg, doch er bewahrt die Fassung. "Wenn ein Außenseiter vorne liegt, wollen viele beim Sieger sein", analysiert Salomon. Womöglich habe man nach so langer Zeit sein Gesicht nicht mehr sehen wollen. Neben Applaus gibt es auch Buhrufe, der Großteil der Menge wartet schon auf den Wahlsieger.
"Ich gehe jetzt in Ruhestand", sagt Salomon noch in die Mikrofone. Ein paar Umarmungen mit den Mitstreitern, ein paar tröstende Schulterklopfer, dann ist er weg.
Der Einsatz der grünen Parteiprominenz half nicht mehr
Die Freiburger haben ihren Oberbürgermeister abgewählt, nach 16 Jahren im Amt verlor Salomon gegen einen parteilosen Politikeinsteiger. Und das als Grüner in der grünen Hochburg Deutschlands. Dort war Salomon 2002 ins Amt gekommen, als erster Oberbürgermeister der Grünen in einer Großstadt, inzwischen ist er Präsident des Städtetages in Baden-Württemberg.
Salomon, einst Fraktionschef der Grünen im Stuttgarter Landtag, ist neben Winfried Kretschmann, Boris Palmer und Cem Özdemir ein Frontmann der Realos im Südwesten. Ein Politiker, den man auch in eine Talkshow setzen konnte, um die richtigen Worte zu finden, zum Beispiel nach dem Mord durch den Asylbewerber Hussein K. an der Studentin Maria Ladenburger in Freiburg.
Salomons Niederlage kommt also, zumindest für Freiburger Verhältnisse, einem politischen Erdbeben gleich. Denn die Niederlage fiel überaus deutlich aus, Wahlsieger Horn kommt auf 44,2 Prozent der Stimmen, Salomon hingegen nur auf 30,7 Prozent.
Zum Verhängnis wurde Salomon unter anderem, dass er lieber managte als erklärte und gelegentlich durchblicken ließ, wie sehr ihn das Klein-Klein und manche Befindlichkeitsdebatten nervten. Die drohende Niederlage sah er nicht kommen.
Als der erste Wahlgang vor zwei Wochen verloren ging, war es fast schon zu spät. Die grüne Prominenz eilte Salomon zu Hilfe, Kretschmann, Özdemir und Claudia Roth traten in Freiburg auf, die CDU blieb bei ihrer Wahlempfehlung für Salomon. Doch es half nichts, der grün-schwarze Kandidat fand keine Mehrheit mehr.
Die Wahlergebnisse aus den Freiburger Bezirken zeigen: Salomon konnte weder in den grün-alternativen Viertel rund um die Innenstadt noch in den ländlich geprägten Außenbezirken punkten. Am Ende wussten wohl weder Grüne noch Schwarze, wofür Salomon eigentlich steht. Nur etwas mehr als die Hälfte aller Wahlberechtigten gab überhaupt ihre Stimme ab.
spiegel
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