Der Sonntag endet für Martin Horn im Krankenhaus, in der Uniklinik Freiburg. Sein Gesicht ist mit Schwellungen übersät, ein Auge blau, darunter kleben mehrere Pflaster, auf dem Hemdkragen sind Blutflecken zu sehen. Per Facebook-Video richtet sich der neue Freiburger Bürgermeister kurz vor Mitternacht an die Öffentlichkeit - mit Worten, die angesichts seines Äußeren etwas überraschen. "Heute ist Welt-Lachtag", sagt Horn. Seine Nase sei gebrochen, ein Zahn abgebrochen - "alles pillepalle. Vielen Dank an alle Unterstützer", sagt er.
Wahlsieger Horn versucht zumindest, sich nichts anmerken zu lassen. Er will sich die Laune nicht verderben lassen. Der 33-Jährige hat am Sonntag geschafft, was viele noch vor kurzem nicht für möglich gehalten hatten. Der parteilose Politiker aus Sindelfingen hat in Freiburg Oberbürgermeister Dieter Salomon verdrängt. Am frühen Sonntagabend ging Horn mit 44,2 Prozent und einem ordentlichen Vorsprung als Sieger aus der Stichwahl hervor. Eine dicke Überraschung.
Ausgerechnet in der baden-württembergischen Universitätsstadt, wo die Grünen traditionell ihre besten Wahlergebnisse holen und mit Salomon seit 2002 ihren ersten Oberbürgermeister stellen. Horn wurde 1984 im rheinland-pfälzischen Annweiler am Trifels geboren. Erst 2014 schloss er seinen Master in "European und World Politics" ab. Seitdem arbeitete er als Europa- und Entwicklungskoordinator der Stadt Sindelfingen. Horn war im Wahlkampf von der SPD unterstützt worden, der Amtsinhaber von Grünen und CDU. Salomon war vor 16 Jahren der erste grüne Oberbürgermeister. Nun schreibt Freiburg erneut Geschichte. Horn ist der jüngste deutsche OB.
"Ich bin total baff"
Entsprechend gut ist dessen Laune nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses. Am frühen Abend wendet sich Horn erstmals an diesem Tag per Video an die Öffentlichkeit. Horn strahlt über das ganze Gesicht, hinter ihm herrscht Jubelstimmung in der Freiburger Innenstadt. "Ich bin total baff und überwältigt. Danke Freiburg!", sagt er und streckt beide Daumen in die Höhe. Bei der Wahlparty im Friedrichsbau in der Innenstadt kommt es jedoch plötzlich zu einem ungeplanten Zwischenfall, der die ausgelassene Stimmung jäh unterbricht. Gegen 20.30 Uhr greift ein Mann Horn an und schlägt ihm ins Gesicht. Der Politiker muss behandelt werden. Fotos zeigen ihn, wie er sich ein Geschirrhandtuch mit Eiswürfeln an die Platzwunde im Gesicht hält.
Die Polizei nimmt einen 54-Jährigen aus dem Markgräflerland fest. Der Mann, bei dem eine psychische Erkrankung festgestellt worden sein soll, war bereits in der Vergangenheit mehrfach polizeilich aufgefallen. Laut der "Badischen Zeitung" soll er im vergangenen Jahr bereits einen Politiker aus Freiburg beleidigt und bedroht haben. Der Staatsschutz übernimmt die Ermittlungen. Im Internet bittet die Polizei um die Einsendung von Bild- und Videomaterial. Eine politisch motivierte Tat wird nach bisherigen Erkenntnissen ausgeschlossen.
Horn muss seine Wahlparty verlassen und wird zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht. Als er Stunden später zurückkehrt, empfangen ihn seine Unterstützer mit Jubel. Horn versichert kurz, dass es ihm gut gehe. "Wir lassen uns von so einem Zwischenfall nicht die gute Laune verderben", sagt er und fordert die Anwesenden zum Feiern auf. Kurze Zeit später verlagert sich die Party vom Friedrichsbau in eine nah gelegene Kneipe. Es ist der Abschluss eines verrückten Tages. Horn hat knapp zwei Monate Zeit, um sich davon zu erholen. In ein paar Tagen erwarten er und seine Frau ihr zweites Kind. Am 1. Juli tritt Horn dann sein Amt als Freiburger Oberbürgermeister an.
Quelle: n-tv.de
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