Tatsächlich gibt es in der Linkspartei zum Thema Migration und Einwanderung unterschiedliche Positionen, die den unterschiedlichen Flügeln und deren Protagonisten – Katja Kipping vom rechten und Sahra Wagenknecht vom linken Flügel – zuzuordnen sind. Doch mit dem Antrag von Grünen und Linken zu „70 Jahre Staat Israel“ im Bundestag, der von linken und rechten Linken gemeinsam getragen wurde, ist wohl eine Vorentscheidung für den rechten Flügel gefallen. Mit der Behauptung, Israel habe demokratische und rechtsstaatliche Strukturen geschaffen und dürfe heute mit Stolz auf 70 Jahre Demokratie zurückblicken, wurde die Unterdrückung der Palästinenser so radikal ausgeblendet, dass eine Parteinahme Deutschlands für Israel in künftigen Konflikten geradezu zur Voraussetzung linker Außenpolitik wird.
Ein weiterer Angriff des rechten Flügels der Linkspartei auf linke Grundüberzeugungen wird eher als Sozialgeplänkel wahrgenommen: Parteichefin Katja Kipping unternahm erneut eine Medienoffensive für das von ihr propagierte „Bedingungslose Grundeinkommen“. Kenner der Linkspartei sind sich sicher, dass Kipping versuchen wird, über diese Forderung die Mitglieder der Partei abstimmen zu lassen.
Ein Ja zur Idee eines gesetzlich geregelten Grundeinkommens würde zum einen bedeuten, dass die Linkspartei den Kampf um die Arbeitszeitverkürzung und um Arbeitsplätze zugunsten eines neuen Almosen-Apparates aufgäbe. Zum anderen würde die Rolle der Arbeit in der Gesellschaft aus dem Bereich politischer Solidarität in das Reich der Beliebigkeit geraten. Genau dorthin, wo Unternehmenschefs wie Joe Kaeser von Siemens und Telekom-Chef Timotheus Höttges, die das „Bedingungslose Grundeinkommen“ befürworten, sie gern sehen. In einem durch Steuern finanzierten Abseits, dass die Lohnfrage entpolitisiert und sie von den Macht- und Profitfragen abkoppelt. In einem sozialen Reservat, das die Gewerkschaften ausschaltet und jene Teile der Belegschaften lähmt, die soziale Kämpfe austragen könnten.
Schon lange ist die Linkspartei auf einem Weg, den die Grünen vor ihr gegangen sind: Von der Basisbewegung zur Aufspaltung in „Fundamentalisten“ und „Realos“. Und fraglos kommt den „Realos“ die Aufgabe zu, die lange Zeit konsequente Haltung der Linkspartei gegen Auslandseinsätze und die Nato aufzuweichen. Wer heute dem israelischen Staat trotz dessen Apartheidpolitik „demokratische und rechtsstaatliche Strukturen“ zubilligt, der wird sich schnell an der Seite jener finden, die diesen Staat auch militärisch schützen wollen. Auch die im Linken-Grünen-Antrag behaupteten „Vernichtungsdrohungen (gegen Israel) durch den Iran“ weisen brav die Richtung vom konsequenten Pazifismus zur Lieferung von preiswerten deutschen U-Booten für den Transport israelischer Atom-Raketen gegen Teheran. Die einstige linke Hoffnung hat den langen Marsch durch die Diäten angetreten und ist auf dem Weg, sich selbst aufzugeben.
Fraglos war die Vorläuferin der Linkspartei, die PDS, die Partei des Demokratischen Sozialismus, eine große Hoffnung. Nach ihrer Gründung im Februar 1990 sammelte sie die Scherben der implodierten DDR auf: Sie hielt programmatisch am Sozialismus fest. Und ergänzte diese Forderung um „Was brauchen Menschen, um selbstbestimmt leben zu können?“. Entschieden wandte sie sich gegen das Hartz-Vier-System und forderte einen Mindestlohn. Auslandseinsätze der Bundeswehr lehnte sie grundsätzlich ab. Ihr Kampf gegen den Ausverkauf des DDR-Produktivvermögens war beispielhaft während der Privatisierung und Schließung des volkseigenen Kali-Kombinats in Bischofferode durch die Treuhandanstalt zu beobachten.
In den Hungerstreiks für Arbeitsplätze prägte der damalige PDS-Vorsitzende Gregor Gysi den Satz, nicht mehr die Grenze trenne Ost und West, sondern die zwischen oben und unten. Gysi war das Gesicht der Partei: Brillant, witzig und konsequent stand er für eine neue linke Partei, die sich zu einer ernsthaften Alternative des bundesrepublikanischen Parteiensystems entwickelte.
Allerdings war die PDS von Beginn an primär auf den Parlamentarismus fixiert: Wachsende Wahlprozente wurden wie Siege im letzten Gefecht gefeiert. Schnell konnte die Partei vor allem in den Bundesländern jene Posten erobern, die sie zwar zu keiner Zeit in die Nähe der Macht zu Veränderungen des Systems führten, aber einer wachsenden Zahl von Funktionären das Gefühl gab, dazuzugehören. Und genau das klappte auch. Man gehörte zu denen, die im Bundestag und in den Medien die Opposition darstellten und so ein Teil des Systems wurden. Zwar irgendwie dagegen, aber doch immer dabei.
Gut dabei war auch der 2001 zum Berliner Wirtschafts-Senator avancierte Gregor Gysi. In der Bonusmeilen-Affäre steckte er sich jene Vergütungen der Lufthansa, die aus seinem öffentlichen Amt erwuchsen, in die private Tasche. Zwar trat Gysi von allen Ämtern zurück, als der Skandal öffentlich wurde. Aber das Amt eines Übervaters der Partei behielt er und hat es bis heute inne.
An Gysi wurde und wird das Dilemma einer parlamentarischen Opposition deutlich, die sich innerhalb der Parlamente brav an die Regeln hält und der es an Kraft und Willen fehlt, außerhalb der Parlamente neue Regeln zu testen. Wer sich an die kalkulierten Brüche der Gesetze bei Blockaden in der Anti-AKW- und der Friedensbewegung erinnert, der weiß, dass es für die Grünen von den Sitzblockaden zu den Bundestags-Sitzungen ein durchaus erfolgreicher Weg war, der erst von den Realos und ihrer Befürwortung des Jugoslawienkriegs beendet werden konnte.
Es war der „Spiegel“, der uns im Dezember 2010 darüber informierte, dass Linken-Fraktionschef Gregor Gysi den damaligen US-Botschafter Philip Murphy vertraulich beruhigte: Die Forderung nach Abschaffung der Nato sei nur vorgeschoben, um die Fundamentalisten in der Partei ruhigzustellen. Und wer weiß, dass Gysi Falschbehauptungen über seine Person schnell und gründlich juristisch zurückweist, der weiß auch, dass der linke Übervater diese Meldung nie durch seine Anwälte falsifiziert hat. Also stimmt sie.
Die Grünen haben ihre erhebliche Veränderung in all den Jahren ohne Spaltung überlebt. Auch die Linkspartei scheint ihrem nächsten Parteitag ohne Spaltung entgegenzusehen. Der Zwang zur Einheit hat in beiden Fällen denselben Grund: Niemand wollte, niemand will sein schönes Abgeordneten-Mandat riskieren. Da riskiert man lieber den Verlust von Inhalten.
Dass man sich dabei auch selbst überflüssig machen kann, demonstrieren zur Zeit die Sozialdemokraten: Deren langanhaltende Abschaffung von Inhalten durch die Agenda 2010 führte zur langsamen Abschaffung der SPD. Es war wohl genau jener trübe Niedergang der SPD, der Sahra Wagenknecht zu ihrer Idee einer linken Sammlungsbewegung inspirierte, um die Reste der SPD einzusammeln. Aber wer keine Bewegung außerhalb der Parlamente formiert, der wird auch nichts Rechtes sammeln können. Geschweige was Linkes.
Quelle : sputnik.de
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