Die Methode Alexander Dobrindt hat über das Wochenende einmal mehr prächtig funktioniert: maximale Provokation - maximale Aufregung. Die Äußerungen des CSU-Politikers zu "Abschiebe-Saboteuren", die deutsche Gerichte überrennen würden, um damit den Rechtsstaat "durch eine bewusst herbeigeführte Überlastung von innen heraus zu bekämpfen", wurden von Grünen-, FDP- und Linke-Politikern heftig kritisiert. Der Deutsche Anwaltsverein warnte vor dem Bruch herrschender Rechtsprinzipien.
Und täglich grüßt das Murmeltier, könnte man im Fall Dobrindt meinen: Schon eine Woche zuvor hatte der Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag mit dem Bild der "Anti-Abschiebe-Industrie" harsche Reaktionen geerntet. Läuft für Dobrindt.
Allerdings regt sich inzwischen selbst in der eigenen Partei sanfter Widerspruch gegen ihn. Zumal der Landesgruppenchef ja nur besonders provokant auftritt, aber Teil eines allgemeinen CSU-Kurses ist: des Kurses der neuen Härte.
Los ging es vor einigen Wochen mit dem Satz von CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Dem folgte der Beschluss des neuen bayerischen Kabinetts, dass künftig alle Behörden des Freistaats mit einem Kreuz zu schmücken seien - Ministerpräsident Markus Söder persönlich ließ sich beim Aufhängen des christlichen Symbols in der Staatskanzlei fotografieren. Dobrindt sekundierte stets aus Berlin.
Längst richtet sich alles Denken und Handeln in der CSU auf die Landtagswahl im Herbst. Wenn am 14. Oktober in Bayern gewählt wird, geht es für die Christsozialen um die Verteidigung der absoluten Mehrheit. Dafür werden alle Machtkämpfe ausgesetzt, alle Eifersüchteleien dem großen Ziel untergeordnet. Und mit Blick auf das starke Ergebnis der AfD im Freistaat bei der Bundestagswahl vergangenen Herbst ist sich die Führungsspitze einig: je härter, desto besser. So glaubt man, die Stimmung unter den Bürgern bestmöglich aufgreifen und den Rechtspopulisten wieder Wähler entziehen zu können.
Die neue Härte ist aber auch eine politische Wette.
Denn ob dieser Kurs der CSU am Ende das erwünschte Ergebnis bringt, daran gibt es berechtigte Zweifel. In den Umfragen stagniert die Partei zwischen 41 und 43 Prozent, im Civey-Wahltrend von SPIEGEL ONLINE und der "Augsburger Allgemeinen" verlor die CSU zuletzt über zwei Prozentpunkte im Vergleich zum Vormonat und landete bei gut 42 Prozent. Nur wenn FDP und Freie Wähler knapp am Sprung in den Landtag scheiterten, würde dieser Wert für die absolute Mehrheit der Mandate reichen.
Auch inhaltlich hat selbst mancher CSU-Bundestagsabgeordnete Bauchschmerzen angesichts der verbalen Aufrüstung. Mehrfach wurde zuletzt zarte Kritik in der Landesgruppe geübt. In ihren Wahlkreisen nehmen manche Abgeordnete nämlich wahr, dass es den eigenen Leuten zu weit geht, was die Spitzenleute da treiben - vor allem in den bayerischen Großstädten.
Kirchliche Kreise zweifeln an CSU
Außerhalb des Großstadtmilieus der Volkspartei CSU sind es insbesondere kirchliche Kreise, in denen man an der Partei mit dem C im Namen zweifelt. Schon in der Flüchtlingskrise war das so gewesen, als der damalige Ministerpräsident Seehofer sich von der Politik der Bundesregierung distanzierte und aus Sicht maßgeblicher Kirchenvertreter in Bayern damit auch den christlichen Initiativen in den Rücken fiel. Und nun scheint es gerade so weiterzugehen. "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" - so harsch ging Reinhold Marx, Erzbischof von München und Chef der Deutschen Bischofskonferenz, zuletzt mit dem Kreuz-Erlass der Söder-Regierung ins Gericht. Seehofer revanchierte sich mit scharfer Kritik an Marx.
Klare Abgrenzung zur AfD, wie es die Partei jetzt mit ihrem Strategiepapier demonstriert, sei schön und gut, sagen die Skeptiker - aber muss man dann inhaltlich wirklich so nah ran an die Positionen der Rechtspopulisten wie beispielsweise Dobrindt beim Thema Abschiebungen? Andererseits: Die CSU hat das seit Franz Josef Strauß eigentlich oft so gehandhabt - rechts der Partei sollte nur noch die Wand sein.
Nur: Jetzt gibt es mit der AfD eine politische Kraft, die weit rechts steht - und keine Probleme hat, immer noch ein Stück radikaler aufzutreten. Ein aussichtsloses Rennen für die CSU, glaubt mancher.
spiegel
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