Gegen palästinensische Terror-Drachen ist Israels Armee machtlos

  15 Mai 2018    Gelesen: 884
Gegen palästinensische Terror-Drachen ist Israels Armee machtlos

Jugendliche fingen damit an, inzwischen sind die fliegenden Brandbomben zur ernsten Bedrohung geworden. Palästinenser greifen Israelis mit selbst gebastelten Drachen an. Israels hochgerüstete Armee ist ratlos.

 

Dani Rachamim kann kaum beschreiben, wie es ihm geht: „Wer nicht selber Landwirt ist, kann dieses Gefühl kaum nachvollziehen: Ich bin frustriert, hilflos, mir blutet das Herz, wenn ich mitansehen muss, wie mein Weizenfeld innerhalb weniger Minuten abgefackelt wird. Ein ganzes Jahr lang habe ich es bestellt und behütet, und nun das“, sagte Rachamim dieser Tage der israelischen Nachrichtenseite Ynet.

Der Bauer aus dem israelischen Kibbuz Nahal Oz an der Grenze zum Gazastreifen ist nicht der einzige Betroffene: Mehr als 100 Hektar Acker- und Waldland standen in den vergangenen Wochen rund um Gaza lichterloh in Flammen. Die Brände sind Folge einer neuen Kampftaktik der Palästinenser: Sie befestigen Brandsätze oder glühende Kohlen an Heliumballons oder Drachen, die sie aus Holzstöckchen und Plastiktüten basteln. Dann lassen diese improvisierten Brandbomben in Gaza steigen und vom Westwind nach Israel tragen. Sie lösen verheerende Feuer aus. Behörden stehen diesen Angriffen bislang ratlos gegenüber.

Es ist eine überraschender Coup im steten Rüstungswettlauf zwischen der radikal-islamischen Hamas im Gazastreifen und der mächtigsten Armee im Nahen Osten. Immer wieder versuchen die Islamisten mit neuen Mitteln, ein Gleichgewicht der Abschreckung gegenüber Israel zu erzeugen. Und immer wieder gelingt es Israel dank seiner High-Tech-Industrie und mit großem finanziellen Aufwand, die relativ simplen Angriffsmethoden der Terroristen unschädlich zu machen.

So gibt Israels Armee eine Milliarde Euro für ein neues Bollwerk rund um Gaza aus. Es handelt sich um eine bis zu 40 Meter tiefe unterirdische Mauer, mit der die Angriffstunnel der Hamas unschädlich gemacht werden sollen. Die Tunnel – oft von Kinderhand gegraben – führen von Gaza gen Israel. Sie werden von Terrorkommandos genutzt, um hinter dem Grenzzaun überraschend aufzutauchen und Attentate zu begehen oder Zivilisten und Soldaten zu kidnappen.

Erst vergangenen Samstag zerstörten israelische Kampfflugzeuge den neunten Angriffstunnel, der mithilfe neuer Technologie aufgespürt wurde. Die Millionen, die Hamas in dieses Projekt investierte, erweisen sich somit für die Islamisten als Fehlinvestition.

Mit ähnlichem Aufwand begegnete Israel einer anderen „strategischen Waffe“ der Hamas: Selbst gebaute Raketen, die die Islamisten zu Tausenden auf Ortschaften rund um Gaza abschossen. Die Regierung in Jerusalem investierte viel Geld in Schutzräume und die Entwicklung eines Raketenabwehrsystems. Heute gilt Israels Raketenabwehr als modernste der Welt. Im letzten Krieg 2014 gelang es der Hamas trotz des massiven Einsatzes dieser Raketen deshalb nicht, Israels Zivilbevölkerung Schaden zuzufügen. Das Raketenbauprogramm erwies sich also als weiterer strategischer Fehler.

Schäden in Millionenhöhe

Auch die von der Hamas unterstützten Massendemonstrationen am Grenzzaun, die inzwischen allwöchentlich freitags stattfinden, hatten zumindest bislang nicht den beabsichtigten Effekt, die Grenze medienwirksam zu durchbrechen oder Israel wegen des harten Vorgehens gegen Demonstranten international zu isolieren und zu diplomatischen Zugeständnissen zu zwingen.

Dann ließen ein paar Jugendliche aus Gaza vor einem Monat erstmals Drachen mit glühenden Kohlen steigen, die jenseits der Grenze niedergingen und große Feuer entfachten. Das Ergebnis ermutigte die Palästinenser, diese Angriffsmethode weiterzuentwickeln. Seither segelten zahlreiche Drachen und Heliumballons über den Grenzzaun und verursachten Sachschäden in Millionenhöhe. Nur einem glücklichen Zufall ist es zu verdanken, dass bislang niemand verletzt wurde.

Israels Armee versucht, die aus durchsichtigen Plastiktüten und kleinen Stöcken gefertigten Drachen mit verschiedenen Mitteln zu Fall zu bringen. Drohnen und ferngesteuerte Modellflugzeuge sollen die Drachen rammen – doch bislang ohne großen Erfolg. Vergangene Woche stürzten zwei Drohnen über Gaza ab. Nun sollen andere Abwehrmethoden entwickelt werden.

Derweil haben die Bauern eine Bereitschaft organisiert. Mit Traktoren versuchen die Landwirte, die Felder um den Brandherd großflächig niederzuwalzen und den Flammen den Nährstoff zu nehmen. Aber auch die Palästinenser tüfteln weiter: Den Brandsätzen fügen sie nun Zucker hinzu, damit sie länger kontrolliert brennen, oder sie befestigen Sprengfallen an den Drachen und Ballons. Die Armee warnte Bürger, vor allem Kinder, davor, sich abgestürzten Drachen zu nähern.


Die Bauern rund um Gaza klagen über enorme Verluste, haben aus Angst vor weiteren Angriffen sogar die Ernte Wochen zu früh eingeholt: „Lieber jetzt ein kleiner Verlust, als morgen innerhalb von Minuten alles zu verlieren“, sagte dazu der Bauer Rachamim.

Israels Finanzminister Mosche Kachlon hat ihnen Entschädigung zugesagt. Zugleich forderte er von der israelischen Armee, mit äußerster Härte gegen diese Angriffe vorzugehen: „Jeder, der in Gaza einen Drachen steigen lässt, sollte auf dieselbe Weise behandelt werden wie jemand, der den Abschuss einer Rakete vorbereitet“, sagte Kachlon.

Freitag vergangener Woche wurde erstmals ein Palästinenser, der in Gaza einen Drachen steigen ließ, von der Armee beschossen und schwer verletzt.

Manche nehmen inzwischen das Gesetz in die eigenen Hände. Drei israelische Extremisten ließen in der vergangenen Woche ebenfalls an der Grenze zu Gaza einen brennenden Drachen steigen, um auf der palästinensischen Seite Brände auszulösen. Doch der Drachen stürzte noch in Israel ab und löste dort ein Feuer aus. In sozialen Netzwerken wurden die Männer scharf kritisiert: „Es gibt Extremismus, und es gibt Idiotie. Das Schlimmste ist, wenn diese beiden Eigenschaften zusammentreffen“, meinte dazu der ehemalige Verteidigungsminister Amir Peretz. Die Polizei hat die drei Israelis inzwischen in Gewahrsam genommen.

Quelle : welt.de


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