Phaeton aus der Asche

  16 Mai 2018    Gelesen: 1082
Phaeton aus der Asche

Mit der Luxuslimousine Phaeton wollte VW die automobile Oberklasse aufmischen - und scheiterte. Ausgerechnet dem SUV Touareg soll der Aufstieg jetzt gelingen - mit fragwürdiger Antriebstechnik.

 

Der erste Eindruck: Dick und trotzdem schick! Der neue Touareg sieht elegant und in Teilen sogar filigran aus - obwohl er an Größe weiter zugelegt hat.


Das sagt der Hersteller: Der Touareg muss für VW gleich mehrere Aufgaben erfüllen: "Er markiert nicht nur die Spitze unserer SUV-Offensive, sondern er ist auch das Flaggschiff unserer Marke", sagte VW-Chef Herbert Diess bei der Weltpremiere vor ein paar Wochen in Peking. Demnach soll die dritte Generation des Touareg den glücklosen Phaeton ersetzen, der eingestellt wurde. Laut Diess vereint der Touareg Hightech und Handwerkskunst und bietet alle Funktionalität und Variabilität, die man von einem großen SUV erwartet. Er soll zugleich mit dem Komfort, dem Ambiente und dem Auftritt einer Luxuslimousine locken.

Das ist uns aufgefallen: Zumindest in den gehobenen Ausstattungsvarianten bereitet der Touareg für ein VW-Modell ein ungewöhnlich warmes Willkommen. Dickes flauschiges Leder, kuschelige Massage-Sitze, Holz und Chrom ohne Ende erinnern eher an Konkurrenten von Mercedes. Die digitale Bedienlandschaft lässt selbst das Widerscreen-Cockpit der S-Klasse und das Tesla-Tablet nach digitaler Steinzeit aussehen. So vornehm hat sich noch kein anderes VW-Modell gegeben und ist dabei so bodenständig geblieben. Anders als noch beim Phaeton mit beispielsweise seinen elektrischen Klimaklappen, geht es im Touareg diesmal nicht um Protz und Prunk und Angeberei, sondern schlicht und ergreifend um ein möglichst angenehmes Ambiente.

Angenehm in jeder Hinsicht - das will der Touareg auch beim Fahren sein. Ungeheuer leise, soft und beinahe sanftmütig rollt der Riese durch die Landschaft und lässt sich dabei weder von schnellen Spurwechseln noch von schlechten Straßen aus der Ruhe bringen - wozu findet man schließlich auf der Optionsliste neue Extras wie die Luftfederung, den Wankausgleich oder die Allradlenkung. Letztere bringt allerdings nicht nur Ruhe ins Reisen, weil sie Autobahnfahrten etwas gelassener macht. Sondern sie hilft auch beim Rangieren. Bei niedrigem Tempo schlagen die Räder dann hinten gegenläufig ein, verkleinern so spürbar den Wendekreis und lassen den Touareg im Parkhaus oder auf einer kurvigen Landstraße handlicher wirken als das kleinere Modell Tiguan.

Zwar umschmeichelt der Touareg insbesondere die Gäste in der ersten Reihe, nach hinten lässt die Liebe zum Detail ein wenig nach, das Ambiente wird nüchterner. Weil der SUV erfahrungsgemäß aber eher Pampers-Bomber als Pampas-Flitzer ist, hat VW noch einmal an der Praktikabilität gearbeitet. Der Allradantrieb und die Offroad-Fahrprogramme sind etwas schlichter gestrickt als beim Vorgänger, weil selbst das einfachere Paket mehr kann als sich die meisten Fahrer zutrauen.

Stattdessen investierte VW in mehr Platz: Mit vier Zentimetern mehr Breite und acht Zentimetern mehr Länge sowie einer um 16 Zentimeter verschiebbaren Rückbank wird der Fond des Geländewagens zur bequemsten Sitzgelegenheit in einem VW - mit Ausnahme des VW Bullis T6.

Das muss man wissen: VW verzichtet auf alle Vierzylinder und startet - trotz rückläufiger Nachfrage durch Dieselskandal und bevorstehender Fahrverbote - nur mit einem Diesel. Der 3,0 Liter große V6 passt mit 286 PS, 600 Nm und einer seidenweichen Achtgang-Automatik perfekt zu einem großen SUV. Selbst der Verbrauch hält sich in Maßen - zumindest auf dem Prüfstand. Weil der Touareg über zwei Zentner abgespeckt hat und etwas besser durch den Wind schneidet, kommt er in der Theorie mit 6,9 Litern aus.

Bei diesem einen Motor wird es allerdings nicht bleiben. Sondern nach den Sommerferien soll es den V6-Diesel auch mit 231 PS geben, später kommt dann tatsächlich auch ein V6-Benziner mit immerhin 340 PS. Im nächsten Jahr reichen die Niedersachsen dann zudem den V8-TDI aus dem Audi Q7 (421 PS) nach. Fortschrittliche Antriebstechnik gibt es hingegen nicht. Die 48-Volt-Startergeneratoren für den Mild-Hybrid bleiben zunächst der Schwestermarke Audi vorbehalten und der Plug-in-Hybrid mit mehr als 50 Kilometern Reichweite ist bis dato nur für den wichtigen chinesischen Markt beschlossen. Ob er auch nach Europa kommt, und wenn ja, dann mit vier oder sechs Zylindern - das wird erst noch entschieden und nicht vor Ende 2019 umgesetzt, räumte ein Sprecher ein.

Der Preis für den neuen Touareg ist nicht ohne: Wenn Ende Juni der Verkauf beginnt, stehen mindestens 60.675 Euro auf der Rechnung. Und selbst wenn der Grundpreis mit dem schwächeren Diesel ein paar Tausender sinken sollte, ist der Spielraum nach oben viel größer. Denn mit allen Extras ist man schnell bei mehr als 80.000 Euro.

Das werden wir nicht vergessen: Das sogenannte Innovision-Cockpit mit den digitalen Instrumenten und dem 15 Zoll großen Touchscreen. Auf dem lassen sich die Kacheln der einzelnen Menüs fast so einfach anordnen wie auf einem Smartphone.

spiegel


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