Was die EU-Mahnung für VW bedeutet

  18 Mai 2018    Gelesen: 1462
Was die EU-Mahnung für VW bedeutet

Der Dieselskandal lässt den Volkswagen-Konzern nicht los - und auch der neue Chef Herbert Diess muss einen Weg aus der Krise finden. Eine Mahnung der Europäischen Union setzt VW zusätzlich unter Druck.

Zukunftsthemen angehen, die Offensive ergreifen, anständiger werden: So feuert sich Volkswagen immer wieder selbst an - beim Versuch, "Dieselgate" endlich hinter sich zu lassen. Doch der Konzern bleibt getrieben von der größten Krise seiner Geschichte. Die EU-Kommission lässt nicht locker. Die Behörde macht mit einem Mahnschreiben Druck auf Berlin, das versäumt habe, VW nach der millionenfachen Manipulation an der Abgasreinigung von Dieselmotoren zu bestrafen. 

Vorgeworfen wird der Bundesregierung aber auch, nicht ausreichend überwacht zu haben, dass Autobauer wirklich die Vorschriften zum Schadstoffausstoß einhalten. Im Fall der allgemeinen Überschreitung von Stickoxid-Grenzwerten in vielen deutschen Städten wird bereits eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingereicht. Setzt "Dieselgate" jetzt auch den neuen VW-Konzernchef Herbert Diess stärker unter Druck?

Gerade erst forderte er vor den Aktionären, Volkswagen müsse "anständiger" werden. Sein Vorteil in Sachen Glaubwürdigkeit: Erst im Sommer 2015 zog Diess in die Führungsetage in Wolfsburg ein, kurz bevor die Manipulationen den langjährigen Konzernchef Martin Winterkorn aus dem Amt fegten. Während der Verfehlungen der Jahre davor war der frühere BMW-Manager Diess noch nicht im VW-Imperium tätig. Allerdings: Auch gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen des Verdachts der verspäteten Information der Finanzmärkte.

Krise kommt immer wieder auf


Während Diess schon den großen Aufbruch des Konzerns zu neuen Ufern vor Augen hat und die Abgasaffäre hinter sich lassen will, holt die Krise den weltgrößten Autobauer ein - wieder einmal. "Die Branche kommt nicht zur Ruhe", sagt Autoexperte Stefan Bratzel. Der Skandal belaste nicht nur VW, sondern die ganze Industrie. Diess selbst würde er "noch nicht so sehr in Haftung nehmen". Bratzel stellt indes ein "gewisses Versagen der Politik" fest - klar müsse sein, dass es Sanktionen gebe und gesetzliche Schlupflöcher gestopft würden. Bisher hat die Autobranche aus Berlin relativ wenig zu befürchten. Kritiker warfen der Regierung, vor allem Ex-Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), schon seit dem Bekanntwerden des Skandals im September 2015 eine zu große Nähe zu den Herstellern vor.

Dobrindt verschleppe die Aufklärung, tue wenig für Kontrollen und Sanktionen. Bratzels Kollege Ferdinand Dudenhöffer spricht von einer "unseligen Verbandelung der CSU mit der Autoindustrie". Auch er nimmt jedoch Diess in Schutz - und beklagt eine "Blamage für die Bundesregierung". Der frühere Chef des Verfassungsgerichtshofs für Nordrhein-Westfalen, Michael Bertrams, nannte den Verzicht auf Sanktionen mit Blick auf VW und Porsche im vergangenen Jahr "zweifellos rechtswidrig" - die Bundesregierung müsse wegen der Abgasmanipulationen Bußgelder gegen die Hersteller verhängen.

Bußgeldverfahren läuft noch

Der VW-Konzern vertritt früheren Angaben zufolge die Auffassung, der Einsatz der Abschaltsysteme der Abgasreinigung sei in Europa legal - anders als in den USA. Ungemach droht Volkswagen aber noch von anderer Seite. Ein Bußgeldverfahren der Braunschweiger Staatsanwaltschaft gegen den Konzern laufe noch immer, sagt der zuständige Oberstaatsanwalt Klaus Ziehe. Möglicherweise werde ein Bußgeld verhängt - damit könnten dann auch unrechtmäßige Gewinne aus dem Verkauf der weltweit rund elf Millionen manipulierten Autos abgeschöpft werden.

Es geht um die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Aber auch hier muss erst einmal feststehen, dass ein Fehlverhalten vorlag. Die entscheidende Frage dürfte also bleiben: Was wussten die Verantwortlichen wann? Gerade erst wurde bekannt, dass die US-Justiz Winterkorn wegen Betrugs in der Abgasaffäre zur Rechenschaft ziehen will, in den USA gibt es nun einen Haftbefehl gegen ihn. In den Blick rücken dürfte aber auch die Frage: Was wusste Diess wann? Laut der Erwiderung von VW im Musterverfahren zu Aktionärsklagen im Abgasskandal verdichteten sich erst ab Mai 2015 auch auf der Führungsebene des Konzerns die Hinweise darauf, dass es "ein Problem mit US-Behörden wegen Emissionen" gebe. Dann kam der vielzitierte "Schadenstisch" am 27. Juli 2015 mit unter anderem Winterkorn - und Diess.

Nicht mitgeteilt worden sei dort aber, dass es um eine nach US-Recht unzulässige Abschalteinrichtung ("defeat device") der Abgasreinigung gehen könne, geht aus der Klageerwiderung hervor. Am 24. August 2015 wurden demnach die "Unregelmäßigkeiten" beim Stickstoffdioxid-Ausstoß älterer US-Diesel im Beisein von Diess auf einer Sitzung des VW-Markenvorstands angesprochen, einen Tag später im Konzernvorstand. Dort kam man zu dem Schluss, offen mit den US-Behörden zu kommunizieren, wofür Diess laut Ex-Chef Winterkorn am besten geeignet gewesen sei.

Ein US-Anwalt riet jedoch dazu, dass sich Vorstandsmitglieder erst später in die Gespräche einschalten sollten. Von einem kursrelevanten Risiko sei auch Diess damals nicht ausgegangen. Die Ereignisse vom 18. September 2015 zeigten dann, wie sehr er sich täuschen sollte. Dennoch: Nach Ansicht des niedersächsischen Wirtschaftsministers und VW-Aufsichtsratsmitglieds Bernd Althusmann hat das Kontrollgremium die Berufung von Diess "sehr sorgfältig abgewogen". Es sei die richtige Entscheidung gewesen - trotz der Ermittlungen.

Quelle: n-tv.de


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