Wehmut könnte die Verantwortlichen bei Audi beschleichen, wenn sie auf die Zulassungszahlen des A6 in Deutschland aus dem Jahr 2015 sehen. Da lag die Business-Limousine aus Ingolstadt mit deutlichem Vorsprung an der Spitze des Premium-Segments. Im vergangenen Jahr ein eher ernüchterndes Bild: die E-Klasse von Mercedes und der 5er-BMW sind am A6 vorbei gezogen. Keine 39.000 Anmeldungen hat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) 2017 von dem Oberklasse-Audi registriert. Zwei Jahre zuvor waren es noch mehr als 44.000 gewesen.
Wer eine einfache Erklärung dafür sucht, findet sie in den Modellzyklen der drei deutschen Premium-Marken. BMW und Mercedes haben ihre Angebote inzwischen runderneuert, die Audi-Kunden könnten deshalb Zurückhaltung geübt haben, weil das neue Fahrzeug erst dieses Jahr kommen sollte. Aber zwischen 2015 und Anfang 2018 liegt auch der so genannte Diesel-Skandal und der Top-Selbstzünder der Audianer, der 3.0 TDI, gehört in dieser Hinsicht zu den Problemfällen im VW-Konzern. Porsche zum Beispiel hat die Macan- und Cayenne-Modelle mit einem Derivat dieses Motors aus dem Programm genommen.
Andererseits haben die Käufer in Europa in der Vergangenheit zu rund 85 Prozent beim A6 einen Dieselmotor bestellt, in Deutschland waren es zeitweise sogar mehr als 90 Prozent. Die Mission der neuen Generation lautet also, gebliebenes Vertrauen bewahren und neues gewinnen, Stückzahlen halten, möglichst verbessern. Der A6 ist ein klassisches Flottenfahrzeug mit einem hohen gewerblichen Zulassungsanteil, die privaten Halter machten zuletzt nur knapp 17 Prozent aus.
Sparen als Teilzeit-Segler
Zum Start soll dies mit drei Antriebsversionen gelingen, zwei Selbstzündern und einen Benziner. Alle haben drei Liter Hubraum, ein Automatikgetriebe und – das ist neu – ein Mild-Hybrid-System. Es soll nicht nur den Gedanken der Effizienzsteigerung und Umweltschonung unters Volk bringen, sondern den Nutzern auch tatsächliche Einsparungen von bis zu 0,7 Liter je 100 Kilometer Strecke. Auf der Langstrecke, beispielsweise auf der Autobahn, kann der A6 mehrere Minuten mit deaktiviertem Verbrennungsmotor unterwegs sein. Das so genannte Segeln funktioniert allerdings nicht bei City-Tempo, denn man will im Sinne des Fahrkomforts verhindern, dass sich der Motor bei bloßem Lupfen des Gaspedals pausenlos aus- und wieder einschaltet.
Der fast 4,94 Meter lange neue A6 hat als Diesel 231 oder 282 PS, als Benziner 340. Später sollen ein Zweiliter-Diesel folgen, ebenso ist mit einem Zweiliter-Benziner zu rechnen, beide mit um die 200 PS Leistung. Derzeit bringen die Antriebe zwischen 400 und 620 Newtonmeter Drehmoment an beide Achsen, aller Voraussicht nach wird es auch noch eine Sparversion mit Frontantrieb geben. Das Sparen bei den stärkeren Modellen können nicht nur der sehr gute CW-Wert von 0,25, sondern auch die Elektroausstattung mit 48-Volt-Teilnetz und Rekuperationsleistung von bis zu 12 kW bewerkstelligen.
Die Innenraumgestaltung folgt den Beispielen aus den Modellen A8 und A7 Sportback. Das Cockpit wird bestimmt von einer asymmetrischen Anordnung, deren Beifahrerseite eine edel gezogene, doppelte Aluspange als auffälligstes Merkmal prägt und die in der Mitte nahe den beiden Bildschirmen der Konsole endet. Ein 10,1 Zoll großer Monitor dient vor allem der Navigation, während der 8,6 Zoll große untere Schirm für die Steuerung von Klima- und Komfortfunktionen zuständig ist. Mittels einer eingebauten SIM-Karte ist das Fahrzeug permanent online, wer möchte, kann zum Beispiel seinen Lieblingssender per Web-Radio auch im Ausland hören.
Paketweise Assistenz-Systeme
Die Fülle der abrufbaren Funktionen und Informationen ist so umfangreich, dass ohne eine Einarbeitungszeit wohl nur wenige Fahrer alle Nuancen beherrschen werden. Wer alles nutzen und individuell anpassen will, kommt um einen gewissen zeitlichen Aufwand nicht herum: Für die Personalisierung kann der Kunde aus rund 400 Parametern seine persönliche Einstellung für
mehr Komfort abspeichern und sechs weitere Fahrprofile anlegen. Die haptische Rückmeldung der Tasten auf den Touchscreens ist ebenfalls einstellbar, könnte aber für Grobmotoriker eine größere Spreizung anbieten.
Bis zu 39 Fahrerassistenzsysteme in drei Paketen kann sich der künftige Kunde ins Auto holen. Sie helfen zum Beispiel bei Engstellen auf Autobahnen, überwachen Kreuzungsverkehr und Effizienz oder können durch eine Zusammenschaltung verschiedener Kamera- und Sensordaten auf dem Navi-Monitor ein dreidimensionales Bild der eigenen Limousine erzeugen, die virtuell animiert, bewegt und in ihrer tatsächlichen Position in der Umgebung betrachtet werden kann. Matrix-LED-Scheinwerfer, ein adaptiver Fahrassistent, der nicht nur Abstand und Spur hält, sondern auch noch sanft abbremst, wenn die Kamera ein Schild mit einer Tempobeschränkung detektiert hat – all das bringt der A6 mit, so fern der Kunde bereit ist, den dafür notwendigen Obolus zu entrichten.
Kostenfrei bekommt er die Progressiv-Lenkung, die dank einer variablen Übersetzung ein sportlich-griffiges Fahrgefühl vermittelt. Noch geschmeidiger ums Eck geht es jedoch mit der Dynamik-Allradlenkung, vor allem dort, wo wenig Platz ist. In Garagen oder Parkhäusern kann man die Vorteile auskosten, wo beim Rangieren dank der gelenkten Hinterachse rund ein Meter weniger Wendekreis gebraucht wird als ohne. Bis zu fünf Grad schlagen die Hinterräder gegenseitig ein, bei hohem Tempo tun sie dies in gleicher Richtung wie die Vorderräder bis maximal zwei Grad.
Neue Typen-Nomenklatur
Um den großen Diesel wieder salonfähig zu machen, wurde eine neue Niederdruck-Rückführungsstrecke für das Abgas installiert, ein etwa zwei Meter langer Strang, der oberhalb des Getriebes auf den Turbolader trifft, worauf die Nachbehandlungssysteme mit ihren Speicher- und Filtereinheiten folgen. Die Harnstoffeinspritzung schöpft aus einem Reservoir von 24 Litern. Der Adblue-Tank des Vorgängermodells fasste 17 Liter, womit nun eine 40 Prozent größere Menge der zur Abgasreinigung verwendeten Substanz mitgeführt wird. Verschiedene Maßnahmen an Motormanagement und Software, aber auch die sichtbaren Hardware-Änderungen sind es, die nicht nur das Abgas, sondern auch den beschädigten Ruf wieder reinwaschen sollen.
Um den Bruch mit der Vergangenheit auch an der Heckklappe zu dokumentieren, ist analog zu den Modellen A8 und A7 Sportback die Hubraumgröße ("3.0") aus der Typenbezeichnung verschwunden. Vielmehr soll sie als Index für die Leistung des verwendeten Motors gelten. So ist der Diesel zum "50 TDI" und der Benziner zum "55 TFSI" geworden. Dessen Drehmoment wird von das auf die Verarbeitung von 500 Newtonmetern ertüchtigte 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe in Vortrieb umgesetzt, während die 620 Newtonmeter des Diesels von der bewährten 8-Gang-Wandlerautomatik portioniert werden.
Das Gewicht beider Modelle liegt, je nach Ausstattung, nahe 1900 Kilogramm, wobei der Benziner bei der Leermasse ohne Fahrer einen Vorteil von 65 Kilogramm für sich verbuchen kann. Die gestreckte und ausdrucksstarke Karosserie zeigt die Fortentwicklung in Merkmalen wie dem tief montierten und stärker konturierten Single-Frame Grill, scharfe Kanten und der Wechsel von Licht und Schatten prägen die Seitenansicht.
Als erstaunlich behände und agil wird deshalb der durchaus nicht eben leichte Wagen auf der Strecke empfunden. Spontane Gasannahme und druckvolle Leistungsentfaltung wirken positiv auf das souveräne Fahrgefühl. Der zu erwartende Verbrauch wird nicht nur von Fahrweise und Verkehrsgeschehen, sondern auch vom verwendeten Räder-/Reifen-Paket beeinflusst. Der mit 21-Zoll-Rädern bestückte Testwagen mit Benzinmotor absolvierte eine kommod gefahrene Proberunde auf kurven- und steigungsreicher Strecke mit 8,6 Litern im Schnitt, was etwa 1,5 Liter über dem offiziellen Wert liegt. Für 59.850 Euro wird er zum Start angeboten, der Diesel geht für 58.050 Euro in den Handel. Die bislang geltende Regel, Dieselmotoren höherpreisig anzubieten als Benziner, ist damit durchbrochen – sozusagen als Rabatt für Business-Gäste.
Quelle: n-tv.de
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