Als US-Präsident Donald Trump den Ausstieg aus dem Iran-Deal verkündete, löste er äußerst heftige Reaktionen in der Alten Welt aus. „Nach solchen Entscheidungen von Präsident Trump denkst du: Brauchst du etwa Feinde, wenn du solche Freunde hast?“, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk. „Aber ehrlich gesagt sollte sich Europa bei ihm bedanken: Jetzt sind wir jegliche Illusionen losgeworden.“ Es sei bei Weitem nicht das erste Mal, dass Washington die EU unter Druck setze und zwinge, ihren außenpolitischen Kurs zu ändern. „Europa muss sein Bestes tun, um die transatlantischen Beziehungen aufrechtzuerhalten. Aber gleichzeitig müsste es sich auch verschiedene Varianten überlegen, wie es vollständig unabhängig handeln könnte, betonte Tusk.
Zuvor hatten auch andere EU-Politiker Washington für sein Vorgehen kritisiert. Der französische Präsident Emmanuel Macron sagte, er wolle nicht mehr „die fremde Macht geschweige denn Tyrannei dulden“. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel räumte ein, dass Washington die EU „nicht mehr verteidigen“ würde. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian nannte die US-amerikanischen exterritorialen Sanktionen „inakzeptabel“, und sein Kabinettskollege, der Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, versprach den Amerikanern Gegenmaßnahmen.
Nach der Vereinbarung des Atom-Deals mit Teheran im Jahr 2015 waren viele europäische Unternehmen auf Gebieten wie Maschinenbau, Luftverkehr und Ölförderung in die Islamische Republik zurückgekehrt. Jetzt müssen sie sich aber entscheiden, ob sie weiterhin im Iran bleiben oder mit den USA kooperieren dürfen. Und es bestehen keine Zweifel, dass sie sich am Ende für die zweite Variante entscheiden werden.
Trotz der heftigen Rhetorik zeugt nichts davon, dass die Europäer zu einem Konflikt mit Washington bereit wären. Seit Jahrzehnten kaufen die Amerikaner viel mehr Waren in der Alten Welt als umgekehrt. Das Handels-Ungleichgewicht beträgt aktuell 146 Milliarden Dollar. Die Abhängigkeit der Europäer vom US-Export macht sie sehr anfällig.
So hatten die USA im vorigen Jahr neue Russland-Sanktionen verhängt, von denen unter Umständen auch europäische Unternehmen getroffen werden könnten. Damals empörten sich der EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel und der österreichische Kanzler Christian Kern, aber weiter ging es nicht.
Diesmal wird sich offenbar im Iran dasselbe Szenario wiederholen.
Mittlerweile zeigen sich chinesische Firmen bereit, die Europäer im Iran abzulösen. Der chinesische Staatskonzern CNPC kündigte bereits an, das Gasfeld South Pars zu erschließen, mit dem sich aktuell die Franzosen von Total beschäftigen.
Peking hänge von Washington viel weniger als Brüssel ab, sagte der russische Experte Wladimir Saschin vom Institut für Orientalistik der Russischen Akademie der Wissenschaften. „China ist sehr groß, und dort werden sich sicherlich Unternehmen finden, die Angst vor dem US-Druck haben. Aber es gibt noch mehr Firmen, die auf dem US-Markt nicht präsent sind und denen die Drohungen des Weißen Hauses egal sind“, betonte er.
In Teheran ist man über die jüngste Entwicklung der Situation natürlich empört. Denn man hat alle Verpflichtungen im Sinne des Atom-Deals erfüllt, was auch Vertreter der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) bestätigen.
Der iranische Politologe Mani Mehrabi stellte fest, dass Europa wegen der unipolaren Weltordnung Verluste tragen müsse, die Washington vorantreibe.
Europa habe verschiedene Varianten, wie es weiter handeln könnte, allerdings einen sehr geringen Handlungsspielraum, findet seinerseits der iranische Europa-Experte Abdullah Mehraban vom Forschungszentrum Faratab. Nach Washingtons Ausstieg aus dem Atom-Deal habe „eine sehr schwierige Phase“ der Beziehungen zwischen Europa und Amerika begonnen. „In der aktuellen Phase kann man kaum erwarten, dass die Europäer so leicht den USA den Rücken kehren werden. Besonders gilt das für Westeuropa, das mit den USA durch politische, wirtschaftliche und sogar kulturelle Verpflichtungen eng verbunden ist“, betonte der Politologe.
sputnik.de
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