Der französische Präsident Emmanuel Macron sprach von einem „historischen Treffen“ und einer „wichtigen Etappe“. Am 10. Dezember 2018 sollen Parlaments- und Präsidentenwahlen in dem krisengeschüttelte Libyen stattfinden. „Rivalisierende Spitzenpolitiker“ des ölreichen Landes haben sich am Dienstag in Paris darauf verständigt. Macron erklärte dazu: „Die Stabilität und die Sicherheit Libyens geht die Europäer direkt an. Insbesondere Italien ist von der Migrationskrise am Mittelmeer betroffen.“
Von Hunderttausenden Flüchtlingen in seinem Land sprach Fajis al-Sarradsch, der Chef der international anerkannten Einheitsregierung, die jedoch von vielen Parteien in Libyen nicht anerkannt wird.
„Wir brauchen eine riesige Anstrengung auf europäischer und internationaler Ebene“, verlangte er mit Blick auf die Flüchtlingskrise.
Seit dem Sturz von Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi vor sieben Jahren wird das Land von Machtkämpfen zerrissen.
„Die politische Anwesenheit aller Parteien beweist das allgemeine Interesse an einer Lösung. Alle haben an der Konferenz teilgenommen und alle haben zugestimmt, an einer Parlaments- und Präsidentschaftswahl teilzunehmen“, sagte der Chef der sogenannten „Regierung der Nationalen Übereinkunft“ Sarradsch.
Alle Libyer … Wirklich alle?
Die personelle Zusammensetzung des Gipfels wird jedoch von vielen Skeptikern bemängelt. Nicht alle Gruppen, die eine politische Lösung für Libyen mittragen müssen, seien eingeladen gewesen, erklärt der Nahostexperte Werner Ruf gegenüber Sputnik:
„Da fragt man sich, ob ihre Aufgabe dann nicht in erster Linie die Abwehr von Flüchtlingen ist. Jedenfalls eine Regierungsgewalt im Lande übt keiner von denen aus.“
Mit am Tisch saßen der im Osten Libyens herrschende General Chalifa Haftar, der Vorsitzende des libyschen Staatsrates Chalid al-Mischri und Parlamentspräsident Agila Saleh.
Libyen sei gegenwärtig „ohne Übertreibung“ ein „Failed State“, erklärte Fritz Edlinger von der Gesellschaft für österreichisch-arabische Beziehungen (GÖAB). „Es bedarf eines breiten Konsenses, um die Einheit des Staates wiederherzustellen und fundamentale staatliche Strukturen wiederzuerrichten“, so der GÖAB-Generalsekretär. Dabei hält er Frankreich nicht für einen geeigneten Vermittler. Paris verfolge in Nordafrika eigennützige Interessen. Die Beziehungen zu Libyen seien fragwürdig, wie die Bestechungsaffäre Gaddafi-Sarkozy zeige. Und Frankreich habe ganz entscheidend zum „Regimechange“ in Libyen beigetragen, wie Edlinger bemerkt: „Hier macht man den sprichwörtlichen Bock zum Gärtner. Die Rolle der Uno und auch der EU sollte viel stärker betont werden.“
Forderungen nach Embargo
Der Westen sei unmittelbar für die schwierige Lage und die Zerstörung der Staatlichkeit Libyens durch den Sturz Gaddafis verantwortlich, erklärt Professor Werner Ruf. Er bemängelt, dass permanent mit den Milizen Handel getrieben werde. So würden sich auch die Kampfhandlungen vornehmlich um Ressourcen drehen. Ruf bezeichnet den Status Quo in dem ölreichen Land als „politische Ökonomie der Gewalt, wo Milizen sich gegenseitig bekämpfen“. Das Hauptziel sei die Besetzung von Ölanlagen. „Die Milizen können Öl exportieren, damit sich selbst alimentieren und Waffenarsenale auffüllen.“
Ruf fordert, das Embargo gegen die Milizen und Machthaber des Landes auszuweiten. Es grenze an Zynismus, wenn die EU die Forderungen nach einem Embargo, um den Milizen ihre materielle und ökonomische Grundlage zu nehmen, mit dem Argument abschlägt, es würde die Zivilbevölkerung treffen. „Die Zivilbevölkerung hat von diesen Exporten gar nichts. Sondern es geht in die Taschen der Milizen. Und das ist der eigentliche Skandal“, kritisiert der Experte.
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