Frankfurt/Main (dpa) - Internationale Finanzinvestoren übernehmen immer mehr deutsche Gesundheitsfirmen. Sowohl Pharmaunternehmen als auch Pflegeheimbetreiber sind Ziel von Beteiligungsfirmen, die Betriebe übernehmen, um sie oft nach einigen Jahren mit Gewinn zu veräußern. So investierten Finanzinvestoren 2017 in Europa 12,8 Milliarden US-Dollar (10,9 Mrd Euro) in die Branche - drei Mal so viel wie im Jahr davor. Der Großteil entfällt auf deutsche Firmen. Das zeigt eine Studie der Beratungsgesellschaft Bain & Company, die der Deutschen-Presse Agentur vorliegt. Das Engagement der Investoren alarmiert Gewerkschaften. Sie fürchten verstärkten Renditedruck.
Laut Bain zählten zwei Deals in der deutschen Gesundheitsbranche 2017 zu den größten, die weltweit von Private-Equity-Fonds getätigt wurden: Die Finanzinvestoren Bain und Cinven zahlten für die Mehrheit am Arzneihersteller Stada 4 Milliarden Dollar, und Nordic Capital übernahm den Pflegeheimbetreiber Alloheim Senioren-Residenzen für 1,3 Milliarden Dollar. Zudem stieg Oaktree aus Los Angeles bei Vitanas ein und Chequers Capital aus Paris bei den MK-Kliniken.
Die relativ konjunkturunabhängige Gesundheitsbranche sei für Investoren attraktiv, erklärt Studienautor Franz-Robert Klingan. Die Gesellschaft altere, immer mehr Menschen bräuchten Arznei und Pflege. «Deutschland spielt in den Überlegungen der Private-Equity-Fonds eine wichtige Rolle, zumal das Durchschnittsalter mit 45,8 Jahren höher ist als in allen anderen EU-Staaten.»
Gerade Alten- und Pflegeheime sind bei Beteiligungsfirmen begehrt. Neben den Engagements bei Alloheim, Vitanas und Marseille-Kliniken engagierten sie sich 2017 unter anderem bei Bayernstift und der schwäbischen Compassio. Die Beratungsfirma Terranus verzeichnet ferner einen «Bettenrekord»: Investoren übernahmen hierzulande mehr als 40 000 Pflegebetten, fast doppelt so viele wie 2015.
«Private Betreiber profitierten davon, dass es im bisher zersplitterten Markt einen Bedarf nach Zusammenschlüssen gibt», sagt Terranus-Geschäftsführer Hermann Josef Thiel. So sei der größte Pflegeheimbetreiber hierzulande die französische Kette Korian, die durch Übernahmen stark gewachsen sei und nun 28 000 Betten zähle.
Beteiligungsfirmen senken meist Kosten, indem sie Einkauf, Verpflegung und Reinigung zentralisierten. Sie zielten auf eine möglichst hohe Auslastung von Pflegeheimen. «Unter 70 Pflegeplätzen ist in der Regel die Rentabilität eingeschränkt», sagt Thiel.
Bei Verdi sieht man den Trend mit Sorge. 2017 zählte die Gewerkschaft 43 Käufe von Finanzinvestoren in der Gesundheitsbranche, vor allem in der Pflege. Binnen zehn Jahren hätten sich die Engagements mehr als vervierfacht. Jährlich würden 23 Milliarden Euro in der stationären und weitere 11 Milliarden in der ambulanten Pflege ausgegeben. «Einen wachsenden Teil des Kuchens schneiden sich private Unternehmen ab.»
Die Gewerkschaft klagt über teils rabiate Methoden von Finanzinvestoren bei Pflegeheimbetreibern. Manche Beteiligungsfirmen würden Tarifverträge aufweichen sowie hohen Rendite- und Kostendruck ausüben. «Dabei muss es in der Pflege doch um Menschen und um Würde gehen, nicht um Profitmaximierung», kritisiert Verdi-Bundesvorstand Sylvia Bühler. Schon heute gebe es in Pflegeheimen zu wenig Personal.
Die Investoren halten sich zu der Kritik bedeckt. Der Berliner Betreiber Vitanas etwa, hinter dem der Investor Oaktree steht, wollte sich zu solchen Vorwürfen nicht äußern. Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienst (bpa) gab keine Stellungnahme ab.
Den Weg für Investoren ebnete die Einführung der gesetzlichen Pflegeversicherung 1995, die das Gesundheitswesen für Private öffnete. So profitieren Finanzinvestoren von staatlichen Leistungen: Kommen alte Menschen ins Heim, müssen sie oder Angehörige die Kosten teils selbst zahlen, den Rest übernimmt die gesetzliche Pflegeversicherung - was Investoren relativ sichere Einnahmen bringt.
Pauschale Vorwürfe, Finanzinvestoren betrieben Lohndumping, sind aber aus Sicht von Terranus-Geschäftsführer Thiel unangebracht. Schon jetzt fänden Alten- und Pflegeheime nur schwer Fachkräfte, da die Arbeitsbedingungen im Vergleich zu anderen Branchen schwierig seien. Lohndrückerei helfe da nicht. Zudem gebe es eine politische Debatte um eine Stärkung der Pflege. So habe Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Aussicht gestellt, mehr als die im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen 8000 Pflegekräfte zu finanzieren.
Thiel glaubt, dass sich der rasante Einstieg von Finanzinvestoren in deutsche Pflegeheimbetreiber nun eher abschwächt. Und die Mehrheit sei immer noch in kirchlicher oder kommunaler Hand. «Die Beteiligungsfirmen müssen die Übernahmen erst einmal verdauen.»
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