Die "Vogelschiss"-Äußerungen des AfD-Chefs und Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland sorgen auch innerparteilich für Verstimmungen. "Einem Politiker, der über ein Mindestmaß an Fingerspitzengefühl und Verantwortungsbewusstsein für unsere Geschichte verfügt, darf das nicht passieren", erklärte die Alternative Mitte, die sich als moderater Flügel innerhalb der Partei versteht.
Gauland hatte am Samstag beim Bundeskongress der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative im thüringischen Seebach gesagt: "Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte." Der Satz fiel nach einem Bekenntnis zur Verantwortung der Deutschen für den Nationalsozialismus mit Millionen ermordeten Juden und Millionen Kriegstoten.
Die Alternative Mitte warf Gauland vor, er habe damit das Bild einer am rechten Rand offenen Partei vermittelt. "Als Politiker und Mitglieder der AfD entschuldigen wir uns öffentlich bei allen Opfern des Naziregimes sowie deren Familien für die als unglaubliche Bagatellisierung der Nazizeit empfundene Äußerung unseres Parteivorsitzenden", heißt es in der Erklärung. "Wir bitten auch Alexander Gauland selbst, bei allem Respekt vor seiner Person und seinen Verdiensten für die AfD, sich öffentlich zu entschuldigen."
Gauland: "Missverständnisse und Missdeutungen"
Gauland selbst erklärte in einem Statement, sein "Sprachbild" habe "Missverständnisse und Missdeutungen" erzeugt. Ein "Vogelschiss" sei für ihn "der letzte Dreck, ein animalischer Auswurf, mit dem ich den Nationalsozialismus verglichen habe". Er bedaure die entstandene Wirkung. Es sei nicht seine Absicht gewesen, "die Opfer dieses verbrecherischen Systems zu bagatellisieren oder gar zu verhöhnen". Von einer Entschuldigung ist in der Erklärung keine Rede.
Auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Uwe Witt reagierte kurz nach den Äußerungen Gaulands bei Twitter mit den Worten "Der größte Massenmörder Deutschlands, Hitler, ist beileibe kein Vogelschiss!" Im Namen der AfD wolle er sich bei allen jüdischen Mitbürgern und Opfern des Nationalsozialismus sowie deren Familien "für diese unglaubliche Bagatellisierung durch unseren Parteivorsitzenden" entschuldigen.
Der Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen gilt als gemäßigter AfD-Politiker und nicht als Teil des völkisch-nationalistischen Flügels. Anhänger der Partei bezeichneten ihn anschließend als "Umfaller" und pochten darauf, dass Gaulands Worte aus dem Zusammenhang gerissen worden seien. Unter seinem Tweet sammelten sich Kommentare von Gauland-Anhängern die ihm nahelegten, die Partei zu verlassen, wenn er mit den Äußerungen des Parteichefs nicht zufrieden sei.
Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, hat dem AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland eine Verhöhnung der NS-Opfer vorgeworfen. "Gaulands Haltung zeugt von einer menschenverachtenden Ideologie, die in Wahrheit deutschlandfeindlich ist", sagte Knobloch. Sie sagte, die Worte Gaulands verhöhnten alle Opfer der in der Tat nur zwölf Jahre dauernden nationalsozialistischen Herrschaft. Verhöhnt werde "das daraus resultierende anhaltende Leid und die bleibende Trauer, die die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland bis heute prägen."
Die ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland äußerte auch die Hoffnung, der Wähler in Bayern möge erkennen, "welche Katastrophe die AfD mit ihren Gaulands für unser Land bedeutet. Wer diesem zerstörerischen Hass-Kommando seine Stimme gibt, wählt den Niedergang unserer liebens- und lebenswerten Heimat".
"Mehr als nur eine Entgleisung"
Das Internationale Auschwitz Komitee nannte Gaulands Äußerung unerträglich: "Für Auschwitz-Überlebende wirken die kühl kalkulierten und hetzerischen Äußerungen Gaulands nur noch widerlich." Die anderen Parteien reagierten entsetzt. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer schrieb auf Twitter: "50 Mio. Kriegsopfer, Holocaust und totaler Krieg für AfD und Gauland nur ein 'Vogelschiss'! So sieht die Partei hinter bürgerlicher Maske aus."
Der SPD-Vizechef Ralf Stegner bezeichnete Gauland auf Twitter als einen "Hetzer der übelsten Sorte" und schrieb: "Solche Typen gehören nicht ins Parlament. Aufstehen! Rauswählen!" Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: "Dieser Vergleich ist eine Geschmacklosigkeit und mehr als nur eine Entgleisung (...)." Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, nannte Gaulands Äußerungen "zynisch und geschichtsvergessen".
Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte eine Relativierung der Verbrechen der Nationalsozialisten scharf, ging aber nicht direkt auf Gauland ein. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble forderte einen verantwortungsvollen Umgang mit der Vergangenheit
Quelle: n-tv.de
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