Die Ehre, ein Pionier der kompakten, geländetauglichen Mehrzweck-Automobile zu sein, wird Jeep wohl niemand ernsthaft streitig machen. Bei der Erstauflage des Compass 2007 war der Begriff "SUV-Boom" noch nicht erfunden und mit dem pausbäckigen Fünftürer fremdelten einige, die von Jeep nur grobschlächtige Offroader gewohnt waren. Zwar sind die Maße des aktuellen Compass nahezu identisch mit denen des Erstlings, doch er ist viel mehr Jeep, als es der Vorgänger und sein Facelift je waren.
Es ist viel Unerwartetes passiert, seit der erste Compass die Marschrichtung zur Familienfreundlichkeit einschlug und neue Kundenkreise für die Marke erschloss. Zum Beispiel hat sich Jeep vom Dogma des Allradantriebs verabschiedet und bedient jene, die 98 Prozent ihrer Wege auf befestigten Straßen zubringen. Auch der Testwagen gehörte zu jener Spezies, die optisch den Geländegänger geben, deren Besitzer aber gewichtige Allradtechnik nicht ungenutzt durch die Gegend kutschieren wollen.
Die typischen sieben Schlitze, die seit Urzeiten jede Jeep-Front zieren, sind noch einmal in der Höhe reduziert, doch sie wirken glaubhafter als zum Beispiel beim Cherokee, weil zwischen Motorhaube und Lufteinlass eine klare Trennlinie gezogen ist. Die eckigen Radausschnitte, ebenfalls ein Muss bei Jeep, sind schwarz beplankt und die Rückleuchten geteilt, so dass die Heckklappe eine ordentliche Ladeöffnung bedecken kann. Die Chromleiste, die von den Außenspiegeln an Dach und Heckscheibe entlang die Kabine komplett umläuft, bringt beim "Limited"-Modell etwas Schick in die rustikale Erscheinung – so wie der Brillie im Ohrläppchen des Holzfällers.
Eher auf dem Boulevard zuhause
Noch mehr Schick gibt es mit 19-Zoll-Felgen, die der Testwagen als Sonderausstattung führte (+790 Euro), und die mit der Bodenfreiheit von 198 Millimeter gut harmonieren. Sie weisen darauf hin, dass der Fronttriebler eher auf dem Boulevard als am Berg sein Revier hat. Fürs Grobe ist die Trailhawk-Version geeignet, die gleich 31 mm mehr Bodenfreiheit bietet. Wer mit seinem Compass verschiedene Transportaufgaben zu erledigen hat, ist mit der Limited-Version gut beraten, denn er bekommt eine 20/40/20-teilbare Rücksitzlehne. Dass die Ladefläche nach dem Umlegen der Lehnen leicht ansteigt, ist nicht optimal, aber zu verschmerzen.
Mit dem Wort "pflegeleicht" versuchte man beim ersten Compass über die billige Plastik-Optik hinweg zu trösten, die geeignet war, Gänsehaut statt wohnliche Wärme zu erzeugen. Wirklich edel sehen die genarbten Oberflächen zwar immer noch nicht aus, aber es ist ein großer Schritt gelungen und das aufgeräumte Interieur ist ordentlich verarbeitet. Die Sitzflächen der vorderen Plätze sind etwas schmal geraten, dafür bieten die Seitenwülste an den Lehnen guten Halt. Der fast tennisballgroße Schaltknauf des manuellen Sechsgang-Getriebes ist zwar optisch ansprechend, man hätte ihn aber besser in Metall ausführen sollen, anstatt aus Plastik. Jeder Griff zum Gangwechsel erinnert an diesen Fauxpas.
Das Platzangebot auf den hinteren Sitzen geht in Ordnung. Bein- und Kopffreiheit sind gut. Zwei USB-Buchsen bieten den hinteren Passagieren Lademöglichkeiten für ihre Smartphones. Einen störenden Kardantunnel hat der Fronttriebler nicht, so dass auch der Mittelplatz ein Mindestmaß an Bequemlichkeit bietet. Für das Gepäckfach wurde ein Volumen von 438 Litern errechnet, maximal können daraus 1251 Liter werden. Dank des beweglichen Kofferraumbodens können darunter noch Kleinteile aufbewahrt werden. Verzurrösen und eine 12-Volt-Steckdose vervollständigen das Angebot zweckmäßiger Accessoires.
Winzige Gangwechsel-Anzeige
Per Knopfdruck, der beherzt ausgeführt sein will, lässt sich der getestete 1,4-Liter-Benziner starten. Er läuft ausgesprochen leise, außer man treibt ihn in Drehzahlen jenseits der 3000er-Marke. Die Gangwechsel-Anzeige im Cockpit ist winzig und kann leicht übersehen werden, doch wenn man nach Gehör schaltet, kann nichts schief gehen. Zwar schreibt der Hersteller dem Fahrzeug ein Sprintvermögen von 9,9 Sekunden auf 100 km/h zu, gefühlt geht es aber etwas zäher voran. Und das, obwohl das Leergewicht des Testwagens die Herstellerangabe um 35 Kilogramm unterschritt. Der 170-PS-Benziner taugt nur bedingt als Alternative, denn der ist ausschließlich mit Allradantrieb und 9-Gang-Automatik zu haben. Erwartungsgemäß kam der Testwagen mit den vorgesehenen 6,2 Litern je 100 km nicht aus, doch 7,5 Liter Testverbrauch stellen eine hinnehmbare Überschreitung dar.
In der Limited-Version bringt der Jeep Compass unter anderem folgende Ausstattungsmerkmale mit: Sitze in Leder-Stoff-Kombination, Sitz- und Lenkradheizung, Zweizonen-Klimaautomatik, schlüsselloses Zugangssystem, elektrisch anklapp- und beheizbare Außenspiegel, Spurhalte- und Notbremsassistent, Nebelscheinwerfer, Dachreling, U-Connect-Infotainmentsystem mit Apple Car Play und Android Auto sowie abgedunkelte hintere Seitenscheiben. Die Bi-Xenon-Scheinwerfer inklusive Fernlicht-Automatik des Testwagens werden mit 890 Euro berechnet, das Premiumpaket (elektrische Heckklappe und adaptiver Tempomat) mit 690 Euro.
Am Fahrkomfort gibt es nichts zu mäkeln, die Abstimmung von Federn und Dämpfern ist ein gelungener Kompromiss aus hartem Naturburschen und einschmeichelndem Softie. Da die Versuchung nach sportlicher Gangart gering ist, fällt nur selten auf, dass der Aufbau des Compass in zackigen Kurven mehr als nötig nach außen neigt. Die Lenkung könnte ein bisschen direkter und mittelungsfreudiger sein. Der Geräuschkomfort ist gut. Sofern man nicht den Wunsch hat, Hardcore-Geländeausritte zu unternehmen, macht sich die Abwesenheit des Allradantriebs nicht störend bemerkbar.
Fazit: Optisch ansprechend und authentisch, innen wohnlich und zweckmäßig, hat der neue Compass gute Chancen, die Erinnerung an den wenig gelungenen Vorgänger zu tilgen. Die starke Marke ist gut für die Selbstbehauptung in einem reichlich bestückten Fahrzeugsegment. Allerdings sind trotz guter Grundausstattung die Kaufanreize noch ausbaufähig. Ein Navigationsgerät gibt es in keiner der vier Ausstattungslinien aufpreisfrei.
DATENBLATT
Jeep Compass Limited 1.4 MultiAir 4x2
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)
4,39 x 1,81 x 1,65 m
Radstand
2,64 m
Leergewicht (DIN) / Zuladung
min. 1505 kg / max. 409 kg
Kofferraumvolumen
438 - 1251 Liter
Motor
R4-Ottomotor, 1368 ccm, Direkteinspritzung, Turbo
Leistung
140 PS (103 kW) bei 5000 U/min
Antrieb
Vorderradantrieb
Höchstgeschwindigkeit
192 km/h
max. Drehmoment (Systemleistung)
230 Nm bei 1750 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h
9,9 Sekunden
Max. Anhängelast
1000 kg
Wendekreis
11,07 m
Bereifung
235/45 R 19
Normverbrauch
6,2 Liter
CO2-Emission kombiniert
143 g/km
Grundpreis
29.700 Euro
Preis des Testwagens
32.960 Euro
Quelle: n-tv.de
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