Sie war die größte Onlineplattform der linksradikalen Szene: Auf "linksunten.indymedia.org" veröffentlichten Nutzer anonym Texte, Fotos und Videos. Zumeist waren es Aufrufe zu Demonstrationen und regionale Nachrichten. Doch unter den Beiträgen fanden sich auch Bekennerschreiben zu Brandanschlägen und Sabotageaktionen sowie Anleitungen zum Bau von Brandsätzen.
Im August 2017 ging die Webseite offline. Polizeibeamte durchsuchten in Freiburg mehrere Wohnungen und ein Autonomes Zentrum. Das Bundesinnenministeriumverbot die Plattform nach dem Vereinsrecht. Die Begründung: Die Seite laufe "nach Zweck und Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider" und richte sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung.
Jetzt muss sich das Verwaltungsgericht Berlin mit dem Fall befassen. Die Anwälte der mutmaßlichen Plattformbetreiber haben nach SPIEGEL-Informationen Klage wegen eines Verstoßes gegen das Trennungsgebot zwischen Polizei und Geheimdiensten eingereicht.
Festplatten an den Verfassungsschutz
Von Anfang an hatten in dem Verbotsverfahren Informationen des Verfassungsschutzes eine zentrale Rolle gespielt. Nach Angaben der beteiligten Anwälte soll die Verbotsverfügung, die mehreren Personen zugestellt worden war, maßgeblich auf sogenannten Behördenzeugnissen von Nachrichtendiensten beruhen - diese verschleiern die Quellen der zugrunde liegenden Informationen.
Das Bundesinnenministerium schickte die im August von der Polizei beschlagnahmten Festplatten und andere Unterlagen an den Inlandsgeheimdienst. Die Frage ist nun, ob der Verfassungsschutz derartiges Material unter diesen Bedingungen überhaupt auswerten darf. Nach Auffassung der Rechtsanwälte der angeblichen Vereinsmitglieder, lautet die Antwort: Nein.
Sie fordern eine "Unterlassung der Auswertung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Rückführung der beschlagnahmten Gegenstände an das Bundesinnenministerium". Laut Vereinsgesetz dürfe nur die Verbotsbehörde oder die Polizei diese Daten auswerten, jedoch kein Geheimdienst, sagt Rechtsanwalt Sven Adam, der im Auftrag eines der Betroffenen am Freitag die Klage erhoben hat.
Im kommenden Jahr, vom 15. bis 17. Januar, soll nach SPIEGEL-Informationen vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zudem über die Rechtmäßigkeit des Verbots von linksunten.indymedia.org verhandelt werden. "Ich gehe davon aus, dass das Bundesverwaltungsgericht viel Zeit für die Beweisaufnahme und Erörterung der Rechtslage eingeplant hat", sagt Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk. Bis heute seien ihr keinerlei Beweise für die Mitgliedschaft ihres Mandanten im angeblichen Verein hinter der Internetplattform vorgelegt worden.
Bereits kurz nach dem Verbot hatten die Betroffenen Klage eingereicht. Sie wollen feststellen lassen, dass ein Medienportal als Presse anzusehen ist und damit nicht nach vereinsrechtlichen Maßstäben zu behandeln ist. Aus diesem Grunde seien mögliche Mitwirkende an einem solchen Medienportal auch nicht als Mitglieder eines Vereins anzusehen.
spiegel
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