Worum es geht und wer gewonnen hat

  03 Juli 2018    Gelesen: 687
Worum es geht und wer gewonnen hat

Drei Punkte enthält die Einigung von CDU und CSU, die einem Friedensvertrag zwischen Kanzlerin Merkel und Innenminister Seehofer gleichkommt. Was sagt Österreich und wie reagiert die SPD? Ein Überblick.

 

Gestritten haben CDU und CSU über einen Punkt im "Masterplan Migration" von Bundesinnenminister und CSU-Chef Horst Seehofer. Die am späten Montagabend getroffene Einigung besteht aus drei Absätzen.

"Wir vereinbaren an der deutsch-österreichischen Grenze ein neues Grenzregime, das sicherstellt, dass wir Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise hindern", lautet der erste Satz des Kompromisses. Für CSU-Generalsekretär Markus Blume ist dies der "Schlussstein zur Neuordnung der Migrationspolitik in diesem Land". Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht mit dem Ergebnis den "Geist der Partnerschaft in der Europäischen Union gewahrt" und einen entscheidenden Schritt getan, "um Sekundärmigration zu ordnen und zu steuern".

Was besagt der Kompromiss?

Anders als von Seehofer ursprünglich gefordert sollen nicht alle Asylbewerber, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden, zurückgewiesen werden, sondern nur jene, für die ein anderes Land "zuständig" ist. Da die Prüfung der Zuständigkeit rein praktisch ein paar Tage dauern kann, sollen an der Grenze Transitzentren eingerichtet werden, von denen aus die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden. "Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen", heißt es in der Einigung - ein Satz, der Merkels Ziel einer europäischen oder zumindest bilateralen Lösung aufgreift. Wenn Länder sich einem bilateralen Abkommen verweigern, soll "die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich" stattfinden.

Um wie viele Fälle geht es überhaupt?

Im laufenden Jahr wurden laut Medienberichten bis Mitte Juni 18.349 Asylsuchende in Deutschland aufgenommen, die bereits in der europäischen Fingerabdruckdatei Eurodac erfasst waren - also woanders schon registriert wurden. Es geht also nicht um besonders viele Fälle.

 

Wer hat gewonnen?

Seehofer wollte eine Zurückweisung von Schutzsuchenden, "wenn diese in einem anderen EU-Mitgliedsland bereits einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind". Damit konnte er sich gewissermaßen zur Hälfte durchsetzen. Merkel wollte keine Lösung, die unilateral ist, unabgestimmt und zu Lasten Dritter geht. Auch sie konnte an diesem Prinzip nur teilweise festhalten, denn die Zurückweisungen "auf der Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich" dürften durchaus zu Lasten Dritter gehen - nämlich Italiens. Für einen Punktsieg Seehofers spricht, dass es ohne den Druck aus Bayern wohl kaum zu der beim EU-Gipfel vereinbarten weiteren Verschärfung der europäischen Asylpolitik gekommen wäre.

Was hat es mit der "Fiktion der Nichteinreise" auf sich?

Die Transitzentren basieren, wie es in einer Klammer in der Einigung heißt, auf der "Grundlage einer Fiktion der Nichteinreise". Das ist ein juristisches Konstrukt aus einer Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz: "Der Ausländer hat eine Grenzübergangsstelle erst dann passiert, wenn er die Kontrollstationen der Grenzpolizei und des Zolls, soweit an den EU-Außengrenzen vorhanden, hinter sich gelassen hat und sich frei in Richtung Inland bewegen kann." Kommt er in ein Transitzentrum, ist die Person im juristischen Sinne nicht eingereist, auch wenn sie körperlich die Kontrollstationen passiert hat.

Werden die potenziell unberechtigten Asylbewerber also eingesperrt?

Punkt zwei der Einigung erinnert an das Prozedere an Flughäfen. Es greift für Asylbewerber, die aus einem als sicher eingestuften Land mit dem Flugzeug nach Deutschland kommen. Im Flughafenverfahren ist "das Asylverfahren vor der Entscheidung über die Einreise durchzuführen", wie es im Asylgesetz heißt. Der Anspruch auf ein reguläres Asylverfahren entsteht erst mit dem Aufenthalt in einem Land. Auf diese Weise ermöglicht das Flughafenverfahren beschleunigte Entscheidungen und Rückweisungen. So ähnlich soll es wohl in den Transitzentren laufen. Das legt in der Tat nahe, dass Migranten diese nicht verlassen können, sondern dort interniert werden sollen.

Kommen damit keine unberechtigten Asylbewerber mehr nach Deutschland?

Nein. Erstens geht es nur um die deutsch-österreichische Grenze und dort wird aktuell nur an drei Stellen kontrolliert sowie bei der Schleierfahndung im Hinterland. Es ist schwer vorstellbar, dass Menschen, die schon Kilometer von der Grenze entfernt auf deutscher Seite aufgegriffen werden, in Transitzentren kommen können - sie haben ja längst deutschen Boden betreten. Viele Migranten, die nach Deutschland kommen, sind zudem zuvor gar nicht in anderen EU-Ländern registriert worden. Zudem ist laut dem CDU-Vizevorsitzenden Armin Laschet keine Ausweitung der Kontrollen geplant. Auch an Grenzen Deutschlands zu anderen Nachbarländern solle sich nichts ändern.

Welche Rolle spielt Österreich?

Der Kompromiss hängt vom Wohlwollen Österreichs ab, wie die "Kleine Zeitung" zutreffend schreibt. Als erste Reaktion auf die Einigung zwischen CDU und CSU bereitet die österreichische Regierung eigene nationale Maßnahmen zum Schutz der südlichen Grenzen vor. Das teilten der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz und Innenminister Herbert Kickl in einer gemeinsamen Erklärung mit. Begeistert klingt diese Erklärung nicht: "Wir erwarten uns jetzt eine rasche Klärung der deutschen Position in der Bundesregierung. Die deutschen Überlegungen beweisen einmal mehr, wie wichtig ein gemeinsamer europäischer Außengrenzenschutz ist und es bewahrheitet sich die österreichische Position, dass ein Europa ohne Grenzen nach innen nur mit funktionierenden Außengrenzen möglich ist." Von der "Achse" zwischen Berlin, Wien und Rom, von der Kurz noch vor wenigen Wochen bei einem Besuch bei Seehofer gesprochen hatte, ist offenbar nicht viel übrig geblieben.

Und was sagt die SPD?

Das ist die große Frage. 2015 lehnte die Partei in der damaligen Großen Koalition Transitzentren eindeutig ab, der SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sprach von "Haftzonen". Nun geht es aber nicht pauschal um die meisten ankommenden Flüchtlinge, sondern um relativ wenige Fälle ohne Bleibeperspektive. Die Parteilinke dürfte den Vorschlag dennoch als inhuman ablehnen. Geschlossene Lager sind für viele Genossen ein Tabu. SPD-Chefin Andrea Nahles sagte, zwar seien die Sozialdemokraten offen für den Einigungsvorschlag der Union, es gebe aber noch "erheblichen Beratungsbedarf". Sie sagte aber auch, die von der Union geforderten Transitzentren seien "nicht derselbe Sachverhalt, nicht dieselbe Gruppe" wie auf der Höhe des Flüchtlingszuzugs 2015/2016.

Hat sich der ganze Ärger für die CSU gelohnt?

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, eine treibende Kraft in diesem Konflikt, beantwortet diese Frage mit einem klaren Ja. "Wir fühlen uns gestärkt", sagte er. "Wir zeigen, dass wir Recht und Ordnung an unseren Grenzen durchsetzen, das erwarten die Bürger." Ob die CSU wirklich gestärkt aus diesem Konflikt hervorgeht, wird jedoch wohl erst die bayerische Landtagswahl am 14. Oktober zeigen.

Quelle: n-tv.de 


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