Innenminister Seehofer stellt Migrationskatalog vor

  10 Juli 2018    Gelesen: 868
Innenminister Seehofer stellt Migrationskatalog vor

Jetzt aber wirklich: Innenminister Seehofer will am Vormittag seinen "Masterplan Migration" vorstellen, wegen dem sich CSU und CDU fast entzweit hätten. Doch schon gibt es neuen Ärger.

 

Kommt noch was dazwischen? Sicher kann sich angesichts mancher Wendung der vergangenen Wochen tatsächlich niemand sein, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer am Dienstagmorgen um zehn Uhr seinen "Masterplan Migration" wie angekündigt vorstellt.


Zur Erinnerung: Geplant war die Präsentation schon für den 12. Juni, also den Dienstag vor genau vier Wochen, wurde aber dann nicht einmal 24 Stunden vorher abgesagt. Das Papier des CSU-Chefs sah damals vor, in anderen EU-Ländern registrierte Asylbewerber an der deutschen Grenze zurückzuweisen. Kanzlerin Angela Merkel widersprach, Seehofer ließ den Termin platzen.

Das Unheil nahm seinen Lauf: Binnen weniger Tage ging es plötzlich um alles oder nichts. Die CSU kokettierte mit der Aufkündigung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU, die ganze Koalition stand plötzlich auf dem Spiel, Neuwahlen drohten.

Und Horst Seehofer? Der sagt nach diesem Desaster, dem wochenlangen Streit, der die Union und damit die Reste des traditionellen deutschen Parteiensystems an den Rand ihrer Existenz geführt hat: Schwamm drüber. Als sei nichts gewesen.

Im Interview mit der "Bild am Sonntag" klingt das so: "Ich sage immer: Die Windschutzscheibe ist größer als der Rückspiegel." Seine doppelte Rücktrittsankündigung vom vorvergangenen Wochenende? "Was Sie da fragen, das ist doch schon Geschichte", sagt der CSU-Chef, "dafür werden sich vielleicht irgendwann Historiker interessieren."

Und die von ihm kolportierten Aussagen, denen zufolge er mit Merkel nicht mehr zusammenarbeiten könne? Oder das vom Innenminister gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" autorisierte Zitat, er lasse sich "nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist"? Dazu sagt Seehofer: "Wir hatten eine inhaltliche Auseinandersetzung. Aber es gab keinerlei persönliche Herabsetzung." Deshalb könne er "selbstverständlich" noch vertrauensvoll mit der Kanzlerin zusammenarbeiten.

Dann ist ja alles gut.

In Wahrheit aber ist nichts gut. Realitätsverweigerung jedenfalls wird nicht dabei helfen, zu heilen, was da wohl endgültig kaputt gegangen ist zwischen Seehofer und Merkel - und zwischen CSU und CDU.

Was helfen könnte, wäre das Erreichen der selbstgesteckten politischen Ziele. Aber bei dem, was sich CDU und CSU nun flüchtlingspolitisch vorgenommen haben, gibt es zahlreiche Fragezeichen - erst recht, nachdem nun auch noch Korrekturen vom Koalitionspartner SPD eingeflossen sind.

23 Seiten umfasst Seehofers Masterplan Migration in seiner derzeit noch im Umlauf befindlichen Version. Die allerdings datiert schon vom 4. Juli. Darin befinden sich 63 Punkte - geordnet nach den vier Handlungsfeldern Herkunftsländer, Transitländer, Europäische Union und Inland/national.

In der finalen Fassung muss all das eingearbeitet sein, worauf sich die Regierungsparteien vergangenen Donnerstabend bei ihrem Koalitionsausschuss zur Migrationspolitik geeinigt haben. Darüber hinaus definiert der Plan viele weitere "Maßnahmen zur Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung", wie es bislang auf dem Deckblatt heißt. Die SPD hat übrigens bereits Vorbehalte geltend gemacht.

Aber es ist halt vor allem so lange nur ein Papier, bis die für viele geplanten Maßnahmen erforderlichen bilateralen Abmachungen mit anderen EU-Ländern nicht fixiert sind. Im Kern geht es dabei vor allem um Italien, wohin man dort als Asylbewerber registrierte Flüchtlinge zurückweisen will. Und um Österreich: Das Nachbarland im Süden soll nach den Vorstellungen der Bundesregierung alle Flüchtlinge zurücknehmen, die nach dem Übertritt der gemeinsamen Grenze nicht rasch dorthin zurückgebracht werden können, wo sie registriert wurden.

Italien und Österreich allerdings sagen bisher beide klar und deutlich: nein. Beim Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Innsbruck dürfte Seehofer, der bis auf weiteres die Verhandlungen für die Bundesregierung führen soll, den nächsten Versuch unternehmen, seine Kollegen aus Rom und Wien umzustimmen.

Viel Arbeit also für Seehofer. Aber er hat schon wieder neuen Ärger: Eigenmächtig hatte der Innenminister der EU-Kommission einen Brief geschrieben, in dem er auch nach dem avisierten Brexit eine "uneingeschränkte Sicherheitszusammenarbeit" mit Großbritannien anmahnte. Damit widersprach er zum einen der offiziellen deutschen Haltung - und übernahm gleichzeitig die Position der britischen Regierungschefin Theresa May.

Die Kanzlerin und ihr Innenminister hätten dazu bereits telefoniert, teilte eine Regierungssprecherin am Montag eilig mit - man sei sich "einig, dass sich die Sicherheitslage für die Bürger nach dem Brexit nicht verschlechtern darf".

Es gebe keinen Dissens zwischen der Kanzlerin und dem Innenminister, sagte sie.

Ein Glück.

spiegel


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