Die Kampfansage der Grünen

  09 Auqust 2018    Gelesen: 737
Die Kampfansage der Grünen

Vor 20 Jahren gelang SPD und Grünen der Machtwechsel. Heute fordert die Ökopartei die Sozialdemokraten heraus, die reagieren gereizt. Ist die rot-grüne Liebe endgültig Geschichte?

 

In Bayern könnte Robert Habecks Traum schon bald Realität werden. Der Grünen-Chef will die SPD ablösen. Das Ziel: stärkste Kraft hinter der Union. Und bei der Landtagswahl Mitte Oktober kann es durchaus so kommen. In allen Umfragen liegen die Grünen aktuell vor den Sozialdemokraten.


Auf Bundesebene ist es noch andersherum. Doch auch hier trennen beide Parteien nur noch wenige Prozentpunkte. Das alte Kräfteverhältnis gilt nicht mehr: Die Grünen sind nicht mehr der natürliche Juniorpartner der SPD. Wenn sie denn überhaupt noch Partner sein wollen. "Gottgegeben" sei die Verbindung keinesfalls, merkte kürzlich selbst der Parteilinke Jürgen Trittin an.

Dass die Grünen plötzlich im roten Bereich liegen, hat natürlich mit der Dauerkrise der Genossen zu tun, die sich nach heftigem internen Streit zu einem weiteren Bündnis mit der Union aufgerafft haben. Zum anderen scheinen die Grünen von der frühsommerlichen Regierungskrise rund um die Flüchtlingspolitik zu profitieren. Beides zusammen führt zu einem neuen Selbstbewusstsein bei den Grünen. Habeck und seine Ko-Vorsitzende Annalena Baerbock wollen die Schwäche der Sozialdemokraten ausnutzen und über ihre traditionellen Klientel hinauswachsen.

In der SPD-Spitze versteht man das als das, was es ist: eine Kampfansage. Parteichefin Andrea Nahles forderte ihre Parteifreude kürzlich ungewohnt deutlich auf, sich klar abzugrenzen: "Die Imitation der Grünen hilft uns nicht weiter", sagte sie. In der Asylpolitik nähmen Habeck und Co. eine einfache Position ein, kritisierte die SPD-Vorsitzende. "Unser Kurs ist differenzierter, aber dafür realistisch."

Hinter vorgehaltener Hand sticheln Genossen zudem, die Grünen könnten organisatorisch kaum mit der SPD mithalten. "Die haben weniger Mitglieder als die Jusos", sagt ein Vertrauter von Nahles. Mit anderen Worten: Die haben gar nicht das Zeug zur Volkspartei.

Grüne sehnen sich nach der Macht, SPD schwächelt in der GroKo - Das klingt, nun ja, ein wenig gereizt. Und nicht alle in der Partei finden den Streit gut. Der Hauptgegner seien doch die Rechten, sagen vor allem jene in der SPD, die mit den Grünen noch auf Landesebene zusammenarbeiten.

Auf Bundesebene hat indes eine Entfremdung stattgefunden. 13 Jahre nach dem Ende von Rot-Grün unter Gerhard Schröder und Joschka Fischer haben die Parteien sich auseinander entwickelt.

Die Grünen sitzen seit 2005 in der Opposition und sehnen sich nach der Macht. Da ein rot-rot-grünes Bündnis erst an der Linkspartei scheiterte und mittlerweile auch keine Mehrheit mehr hat, schielt die Parteiführung Richtung Union. Schwarz-Grün wie in Hessen oder eine Jamaika-Koalition wie in Schleswig-Holstein erscheint der Grünen-Spitze realistischer als ein Bündnis mit der schwächelnden SPD und der zerstrittenen Linkspartei.

SPD-Chefin Nahles wiederum hat es zwar geschafft, ihre zutiefst verunsicherte Partei nach dem ungeliebten Eintritt in die nächste Große Koalition zu stabilisieren. Doch die Genossen leiden unter der Rolle als dauerhafter Juniorpartner von CDU und CSU. Das Dilemma: Um sich von der Union zu emanzipieren, braucht Nahles die Grünen. Mehr als umgekehrt.

spiegel


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