Der gebürtige Essener hat sich einem staunenden Journalisten einmal so vorgestellt: "Ich, Otto Rehhagel, ein Produkt made in Germany". Und auf Nachfrage ergänzt: "Ein Spruch gehört zum Fußball, aber ich bin kein Sprücheklopfer. Ich verkaufe Fußball made in Germany. Das heißt, bei mir wird anständig trainiert, gearbeitet und erzogen." Das war im Jahr 1984.
Zwanzig Jahre später feierte ihn das Magazin "Goal" nach dem Gewinn der Europameisterschaft mit Griechenland so: "Der neue Zeus heißt Otto." Dabei wollte Rehhagel immer nur eins: Raus aus der Arbeitersiedlung mit Etagenklos. Für den ersten Feuerwehrmann der Bundesliga ("Red Adair des Fußballs", "Kicker" im Jahr 1978) stand fest: "Ich wollte nie wieder zum Scheißen aus der Wohnung raus." Dafür tat Rehhagel fast alles. Der "Stern" betitelte einmal eine Story über ihn mit den Worten: "Keule kloppt sich hoch". Schon als Spieler kannte der Essener Junge keine Freunde auf dem Platz.
Herthas Zoltan Varga beschwerte sich nach einem Spiel seiner Berliner auf dem Betzenberg über Kaiserslauterns Verteidiger Rehhagel: "So etwas habe ich noch nie erlebt. Härte soll sein, damit muss jeder Stürmer rechnen. Aber Rehhagel hatte es nur darauf abgesehen, mich zu foulen. Sollte ich mich revanchieren? Das liegt mir nicht. Ich habe den Schiedsrichter fast angefleht, etwas zu unternehmen und nicht nur Freistöße zu verhängen. Er hat mich ermahnt, den Mund zu halten. Rehhagel nannte mich 'ungarisches Schwein" und sagte, ich sei nur nach Deutschland gekommen, um Geld zu kassieren. Ich kann gar nicht alles wiedergeben, was er mir an den Kopf warf. Fünfmal hat er mich angespuckt. Der Schiedsrichter stand daneben, aber er unternahm nichts."
"Tritt dem Hölzenbein in die Knochen" - Das lag vermutlich an dem guten Verhältnis, das Rehhagel zu dieser Zeit mit den Männern in Schwarz pflegte. Otto Rehhagel kann sich gut an eine Geschichte von damals erinnern: "In einem Heimspiel am Betzenberg hatte ich mir schon einige Fouls erlaubt. Als ich meinen Gegenspieler erneut von den Beinen holte, dachte ich: Jetzt fliegst du vom Platz. Doch zum allgemeinen Erstaunen gab Klaus Ohmsen nur Freistoß gegen uns. Wenige Minuten später kam er zu mir und flüsterte mir leise ins Ohr: Otto, das kostet aber drei Bier und drei Korn. Die habe ich ihm nach dem Spiel gerne ausgegeben."
Die Anfänge als Trainer waren anschließend nicht ganz so glücklich, obwohl sein Spieler Erwin Kostedde schon damals voll Pathos verkündete: "Unter Otto ist mir auf dem Spielfeld kein Weg zu weit!" Doch mit den Schiedsrichtern lief es nicht mehr rund. In der Saison 1975/1976 verlor Rehhagel einmal richtig die Nerven. Der junge Trainer der Offenbacher Kickers litt unter den Misserfolgen seines Vereins.
Nach drei Niederlagen in Folge - 2:6 in Duisburg, 0:4 gegen RW Essen und 1:5 beim VfL Bochum - traf man auf den Lokalrivalen aus Frankfurt. Zwar bezwang Offenbach am Ende die Eintracht mit 2:1, doch nach einem Platzverweis für Manfred Ritschel in der sechsten Spielminute war Rehhagel während der gesamten Begegnung nicht mehr zu beruhigen. In der Halbzeitpause rannte er zu Schiedsrichter Walter Eschweiler und fragte ihn wütend, ob er bestochen sei. Eschweiler meldete den Vorfall dem DFB, und der lud Rehhagel wenige Wochen nach seiner ersten Sperre (ein Monat Pause, weil er seinem Abwehrspieler Armand Theis, ebenfalls in einem Spiel gegen die Eintracht, zugerufen hatte: "Tritt dem Hölzenbein doch in die Knochen") erneut vor.
Eigentlich verlief der Prozess günstig für den Offenbacher Trainer, bis sein eigener Vizepräsident vor dem DFB aussagte. Waldemar Klein erklärte, dass ihm der Linienrichter Josef Porta nach dem Spiel erzählt habe: "Wenn ich alles zur Anzeige bringen würde, was der Rehhagel gesagt hat, dann würde das eine Sperre auf Lebenszeit bedeuten." Nun musste auch Porta aussagen und schnell stand das Urteil fest: Rehhagel wurde zu einer zweimonatigen Sperre verurteilt und musste 5.000 Mark Strafe zahlen. Das war zu viel für die Kickers, und sie feuerten ihren überengagierten Trainer fristlos.
n-tv
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