Die Schule am Schillerpark im Berliner Wedding feierte vor drei Jahren ihr hundertjähriges Bestehen. Das Alter sieht man dem Gebäude durchaus an. Das Eingangsportal erinnert eher an eine ehemalige Residenz der verblichenen Hohenzollerndynastie als an eine Schule. Die integrierte Sekundarschule mit Ganztagsbetrieb, wie sich die Bildungseinrichtung selbst betitelt, platzt – wie viele Berliner Schulen – aus allen Nähten und wird unter permanenter Volllast genutzt, auf Kosten der ohnehin sanierungsbedürftigen Bausubstanz. Erst vor wenigen Tagen hatte Bildungsstadtrat Carsten Spallek (CDU) die Komplettsanierung der Toilettenanlagen im Wert von über 900.000 Euro gefeiert.
Am ebenfalls dringend sanierungsbedürftigen Dach der Schule wird gerade gebaut. Rund 1,3 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung. Doch in diesem Fall ist Spallek nicht erfreut, sondern stinksauer und teilt das auf seiner Internetseite auch mit. Eigentlich wollte er den Dachboden der Schule am Schillerpark zu neuen Klassenräumen umbauen lassen. Doch das Denkmalamt seines Bezirkes ist dagegen. Die nötigen Fenster würden nach Ansicht der Denkmalschützer den Gesamteindruck des Daches „beeinträchtigen“.
Vernünftige Balance zwischen Denkmalschutz und heutigen Nutzungsanforderungen nötig
Das ist einerseits aus grundsätzlichen Erwägungen nachvollziehbar, selbst Spallek weiß das als ehemaliger Baustadtrat von Mitte. Andererseits ist eine lebendige Stadt nun einmal keine Ansammlung von Gebäuden, die man nur noch als Museum nutzen kann. Und wer sich Fotos von der Schule am Schillerpark ansieht, wird den Eindruck gewinnen, dass das besondere Erscheinungsbild des bis zu vier Meter hohen Daches auch mit zusätzlichen Fenstern kaum beeinträchtigt sein würde. Zumal diese besondere Dachform nur zu sehen ist, wenn man auf den Sportplatz ausweicht, der auf dem Grundstück gegenüber vom Schulgebäude liegt, und eigentlich nicht öffentlich ist.
Ob zusätzliche Fenster ein Baudenkmal tatsächlich in untragbarer Weise beschädigen, das ist eine Streitfrage, die Architektur- und Denkmalschutz-Laien immer mit einer gewissen Vorsicht führen sollten. Fest steht aber, dass die Gelegenheit günstig wie selten ist, um diese Erweiterungschance für die Schule am Schillerpark jetzt zu ergreifen. Zum einen ist das Haus wegen der Dachsanierung bereits eingerüstet. Geld ist auch vorhanden. Immerhin 5,5 Milliarden Euro lässt sich der Berliner Senat seine sogenannte Berliner Schulbauoffensive (BSO) kosten, um die vor sich hin rottenden Berliner Schulgebäude wieder auf Vordermann zu bringen. Und für die Schule am Schillerpark sind sowieso zehn Millionen Euro für eine Grundsanierung vorgesehen, die aber derzeit nicht vor 2026 beginnen soll.
Vorgesetzter des Denkmalamtes Mitte eigentlich für lebensnahe Entscheidungen bekannt
Dass in der Öffentlichkeit nun einmal mehr der Eindruck entsteht, in der Berliner Verwaltung arbeiten Ämter gegen- als miteinander, ist ärgerlich. Aber noch ärgerlicher ist, dass es sich bei der Schule am Schillerpark um eine Schule handelt, die jede Unterstützung zur Verbesserung der Lern- und Arbeitssituation für Schülerinnen und Schüler und Lehrerinnen und Lehrer ihres Einzugsgebietes gebrauchen kann.
Die entstandene Situation ist auch vor einem anderen Hintergrund etwas rätselhaft und enttäuschend. Der für das Denkmalamt in Mitte zuständige Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung, Ephraim Gothe (SPD), war bis 2014 Staatssekretär für Bauen und Wohnen unter Berlins Regierendem, Michael Müller (SPD). In dieser Funktion erwarb Gothe sich einiges Ansehen, weil er sich nicht ausschließlich zum Sklaven der Betongoldmafia machen ließ, sondern wagte, auf Mieterinitiativen und alternative Wohnprojekte zuzugehen, nicht jedes Grundstück, nicht jede Immobilie der Öffentlichen Hand an Bauspekulanten zu verscherbeln, die bis heute als „Investoren“ oder „Projektentwickler“ verharmlosend dargestellt werden. Gothe konnte lebensnahe Entscheidungen verantworten, die auf Ausgleich angelegt waren. Ob Michael Müller ihn genau deshalb 2014 feuerte, wissen wir nicht.
Geht es um Luxuswohnungen, ist Denkmalschutz in Berlin nicht mehr so wichtig
In Gothes Zeit als Staatssekretär und davor als Bezirksstadtrat für Stadtentwicklung in Berlin-Mitte fällt allerdings zufälligerweise auch eine von ihm mit zu verantwortende Bausünde sondergleichen, die par excellence demonstriert, dass Denkmalschutz in Berlin nichts mehr gilt, wenn Spekulanten Kasse machen wollen, aber natürlich nicht mit etwas so Profanem wie einer Schule.
Zwischen der Baustelle des wiederentstehenden Berliner Stadtschlosses und des Bundesaußenministeriums ragt der rote Backsteinbau der Friedrichswerderschen Kirche empor. Selbst die DDR, die bekanntlich keine Skrupel beim Sprengen von historischer Bausubstanz kannte, investierte Millionen, darunter auch wertvolle Devisen, um diese kriegszerstörte Kirche wieder aufzubauen, denn sie ist das am besten erhaltene Bauwerk des großen Karl Friedrich Schinkel. Experten schwärmten davon, dass die durch rechtzeitige Auslagerung in den Berliner Dom im Krieg geretteten und wieder eingebauten Chorfenster wegen der Baufreiheit rund um die Kirche voll zur Geltung kamen.
2001 wurde die Kirche nach erneuter millionenschwerer Sanierung als Filiale der Skulpturensammlung der Staatlichen Museen wiedereröffnet. Zu diesem Zeitpunkt liefen bereits Planungen, dieses Architekturkleinod mit Luxuswohnungen regelrecht einzumauern. Mitverantwortlich: Ephraim Gothe, Persönlicher Referent des damaligen Stadtentwicklungssenators Hans Stimmann, auf dessen „Planwerk Innenstadt“ die Wiederbebauung des Quartiers basiert.
2011 verteidigte Ephraim Gothe, inzwischen Baustadtrat von Berlin-Mitte, die konkreten Baugenehmigungen als „eine Rekonstruktion des historischen Stadtgefüges nach den Überlegungen von Schinkel“. Als ein Jahr später die Bagger der Bauwert Aktiengesellschaft die Baugruben auszuheben begannen, geschah, wovor Kritiker und auch die Staatlichen Museen von Anfang an gewarnt hatten, die Statik der Kirche geriet ins Wanken, Risse zeigten sich am Mauerwerk und im Boden, Stuckteile stürzten herab. Schließlich musste die Kirche geschlossen, die Skulpturen ausgelagert werden.
Die immens wichtigen Luxuswohnungen der Bauwert AGwurden natürlich weitergebaut. Und nach wie vor sollen auf der anderen Seite der Kirche weitere dringend benötigte Luxuswohnungen entstehen. Bauwert-Chef Jürgen Leibfried beklagte sich im Februar in einem Interview bitterlich und komplett ahnungslos, dass rücksichtslose Bauspekulanten wie er in Berlin mittlerweile von der Bevölkerung als „klares Feindbild“ betrachtet werden.
Die Berliner lernen mal wieder eine Lektion. Denkmalschutz? So etwas zählt in Berlin offensichtlich nur, wenn lächerliche Fenster in ein Dach einer Schule eingebaut werden sollen, um tatsächlich dringend benötigte Klassenzimmer zu schaffen. Verantwortlich für diesen Mummenschanz: Ephraim Gothe als zuständiger Bezirksstadtrat in Berlin-Mitte.
Die Schüler und Lehrer der Schule am Schillerpark hätten vielleicht aus Protest vor die Friedrichswerdersche Kirche ziehen sollen, um Gothe darauf aufmerksam zu machen, was Denkmalschutz wirklich bedeutet und wo es tatsächlich wichtig wäre, ihn kompromisslos zu verteidigen.
sputniknews
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