Was ist nur mit dieser Regierung los?

  25 September 2018    Gelesen: 939
Was ist nur mit dieser Regierung los?

Zwei Wochen lang streitet die Große Koalition um die Personalie eines Behördenleiters und zerbricht fast daran. Die wirklich wichtigen Themen bleiben derweil scheinbar liegen, das Bild der Regierung nach außen: eine Bankrotterklärung.

Genau ein Jahr nach der Bundestagswahl entschuldigt sich die Bundeskanzlerin beim deutschen Volk: Sie habe zu wenig auf die Akzeptanz in der Bevölkerung geachtet, gesteht Angela Merkel. Die Kanzlerin bezieht sich in ihrem Statement zwar auf die Wegbeförderung des bisherigen Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen im Zuge der Chemnitz-Affäre, könnte aber genauso gut auch die Neuauflage der Großen Koalition meinen, die sich ein halbes Jahr nach ihrer mühsamen Wiederbelebung von einer internen Krise zur nächsten schleppt. "Verstehen die Bürger diese Regierung noch?", will Frank Plasberg in "Hart aber fair" deshalb am Montagabend wissen.

Zur Bestandsaufnahme hat der Moderator den Regierende Bürgermeister Berlins Michael Müller von der SPD, den Staatssekretär im Innenministerium Stephan Mayer von der CSU, den AfD-Bundessprecher Jörg Meuthen, die Linken-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht sowie den Politikwissenschaftsprofessor Karl-Rudolf Korte ins Studio gebeten.

"Maaßen hätte entlassen werden müssen"


Bereits der Einspielfilm, in dem Dortmunder Passanten dieselbe Frage wie den Studiogästen gestellt wird, legt nahe, dass ein Großteil der Bevölkerung schon lange nicht mehr nachvollziehen kann, was da in Berlin eigentlich gespielt wird. Besonders deutlich wird das bei der Causa Maaßen: "Keiner kann nachvollziehen, was da in den letzten Wochen passiert ist", zeigt sich SPD-Mann Müller reumütig. "Uns selbst fällt es schwer, das zu verstehen. Und ganz klar: Herr Maaßen hätte entlassen werden müssen - ohne Wenn und Aber und ohne Anschlussverwendung."

Wie gespalten die GroKo tatsächlich ist, zeigt sich im Angesicht der Personaldebatte über den umstrittenen Verfassungsschützer: "Wir haben nicht sehr viele Experten von einem Kaliber wie Hans-Georg Maaßen", widerspricht CSU-Politiker Mayer seinem SPD-Kollegen. "Insofern bin ich froh über die Entscheidung, die letztendlich getroffen wurde. Herr Maaßen wird weiterhin an maßgeblicher Position für die Sicherheit des Landes arbeiten." Ob das tatsächlich so ist oder Maaßen als Sonderberater im Innenministerium aus dem Weg gelobt wurde, wie AfD-Sprecher Meuthen vermutet, ist für das Wohl des Landes am Ende eigentlich von untergeordneter Bedeutung.

Und doch scheint sich die Regierung seit fast zwei Wochen mit kaum etwas anderem zu beschäftigen. Oder in Sahra Wagenknechts Worten: "Ich würde ja sagen, es ist gut, dass Herr Maaßen geparkt wurde, wenn jetzt mit den Themen weitergemacht würde, die die Menschen am stärksten beeinflussen - so wie eine funktionierende Mietpreisbremse oder die Bekämpfung der Altersarmut. Aber man wird sich weiter durchwurschteln, weil überhaupt kein Konzept vorhanden ist."

"Wir wählen keine Change-Manager"


Stimmt doch gar nicht, setzen die beiden unter Beschuss stehenden Politiker der beiden anwesenden Regierungsparteien in plötzlicher Eintracht entgegen, und zählen die Bemühungen und Erfolge der Großen Koalition auf: Mayer propagiert die kommenden Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt und die Erweiterung der Mütterrente, während Müller die Ausführungen des CSU-Politikers aufgreift und einen ganzheitlichen Ansatz verspricht. "Es geht ja um etwas Größeres, nämlich die soziale Gerechtigkeit. Wir müssen in allen Bereichen, nicht nur bei der Rente sondern auch bei Wohnen und Mieten und der Bildung, Baustein für Baustein anpacken."

Tatsächlich zeigt eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung, dass die soziale Gerechtigkeit in Deutschland in den vergangenen neun Jahren zwar eher zu- als abgenommen hat - aber Zahlen und Gefühl, das passt eben nur selten zusammen: "Wer die Qualität der Demokratie aufrechterhalten will, muss die gefühlte Ungleichheit bekämpfen", ist Professor Korte deshalb überzeugt. Im Pool der Politiker überzeugt der einzige Wissenschaftler in der Runde mit seinen kühlen Analysen und versteht es, knallharte Wahrheiten messerscharf zu servieren: "Wir wählen keine Change-Manager wie in anderen Ländern, sondern Amtsadel mit dem Charme von Büroleitern." Und wundern uns dann darüber, warum alles beim Alten bleibt.

"Wenn eine Regierung ein so jämmerliches Bild abgibt, ist das natürlich gut für die Opposition", gibt AfD-Politiker Meuthen denn auch unumwunden zu. Dass die Arbeit der Regierung lange nicht so schlecht wie das ihr anhaftende Image sei, helfe allerdings absolut nicht weiter, zeigt sich Korte überzeugt. Um die Menschen wieder hinter sich zu versammeln, bräuchte es "eine große Idee, die begeisterungsfähig ist und über die man länger als zwei Stunden diskutieren kann. So lange das nicht geschieht, zieht die AfD nach wie vor Protestwähler an. Sie füllt außerdem Angebotslücken, die die anderen Parteien nicht bedienen und profitiert als Partei einer zukunftsängstlichen Mittelschicht. Wir sind ohnehin die Angstweltmeister, von Krimis am Abend bis hin zu apokalyptischen Talkshows", erklärt Korte. "Wie dieser hier?", will Moderator Plasberg wissen. Und erntet ein schiefes Grinsen.

Quelle: n-tv.de


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