Belgrad versetzte im Gegenzug seine Streitkräfte in erhöhte Einsatzbereitschaft. Der serbische Präsident rechnet in der entstandenen Situation mit Moskaus Unterstützung.
Wasserkraftwerk unter Kontrolle der Serben
Das in den 1970er Jahren errichtete Wasserkraftwerk Gazivoda gilt als größtes nicht nur auf dem Balkan, sondern in ganz Europa. Der Stausee ist mehr als 20 Kilometer lang und mit dem Fluss Ibar im Norden des Kosovo verbunden. Historisch wurden mit der vom Kraftwerk Gazivoda produzierten Energie die nördlichen und südwestlichen Gebiete Serbiens versorgt. Nach dem Ausruf der Unabhängigkeit des Kosovo 2008 liegt das Kraftwerk auf dem Territorium der neuen „Republik“. Weil es aber schon immer dem serbischen Energiesystem angehörte, blieb es unter Kontrolle Belgrads. Die nördlichen Gebiete des Kosovo, wo überwiegend Serben leben, hängen von der Energieversorgung durch das Kraftwerk ab.
Die Kontrolle über das Wasserkraftwerk war in diesen zehn Jahren immer ein sehr sensibles Thema für Serbien. In den Brüsseler Abkommen, mit denen vor sieben Jahren der Dialog zwischen Belgrad und Pristina begann, ist diesen Energieobjekten ein ganzes Kapitel gewidmet. Unter anderem ist dort festgeschrieben, dass das Kraftwerk zwar im Kosovo liegt, aber von der serbischen Seite kontrolliert wird. De facto bedeutet das, dass für die Verteilung der Energie nach wie vor Belgrad zuständig ist. Das lässt man sich in Pristina jedoch nicht gefallen. Die Kosovaren wollen das Kraftwerk unter ihre Kontrolle nehmen.
Ansprüche aus dem Kosovo
Vor etwa einem Monat hatten Belgrad und Pristina an einem Deal zu einer „Korrektur der Grenzlinie“ gearbeitet: Der Norden des Kosovo, wo überwiegend Serben leben, sollte an Serbien gehen, während die serbischen Territorien Presevo und Bujanovac, wo Albaner die Mehrheit ausmachen, zum Kosovo geschlagen würde. Die Einwohner der beiden Republiken kritisierten diesen Deal. Die Serben verwiesen darauf, dass Belgrad in diesem Fall die Autobahn „Korridor 10“ nicht mehr kontrollieren könnte – die einzige Autobahn zwischen Serbien, Mazedonien und Griechenland. Die Kosovaren wollen Serbien nicht Gazivoda überlassen, denn sie nehmen dadurch schätzungsweise fünf bis sieben Millionen Euro pro Jahr ein. Zudem will Pristina die Stromlieferungen nicht nur im Norden, sondern auch in anderen Provinzen des Kosovo aufstocken.
Gegen den Deal zwischen Belgrad und Pristina traten auch Deutschland, Großbritannien und Finnland auf, die davor warnten, dass die Grenzverlegung zu einem negativen Präzedenzfall für die anderen Balkanländer werden könnte, die Gebietsstreitigkeiten miteinander haben.
Am Ende sind die Verhandlungen Vucics mit dem Kosovo-Präsidenten Hashim Thaçi gescheitert. Der formelle Grund war Pristinas Verbot für den serbischen Staatschef, das Kraftwerk Gazivoda zu besuchen. Diese Reise hatte Vucic unmittelbar nach den Verhandlungen geplant.
Brüssel und Washington, die den Deal befürworteten, halfen Vucic allerdings, den Norden des Kosovo zu besuchen. Bei seinen Treffen mit den dortigen Einwohnern versprach er, die Grenzverhandlungen fortzusetzen.
Wochenende angenehm verbringen
Ende der vorigen Woche spitzte sich die Situation um Gazivoda zu. Medien berichteten über den Versuch von 60 Kämpfern der Kosovo-Spezialkräfte, sich dem Damm anzunähern. Laut einigen Berichten hätten die Kosovaren auch ein Umwelt- und Entwicklungszentrum im Dorf Subin-Potok überfallen.
Belgrads Reaktion ließ nicht lang auf sich warten: Präsident Vucic ließ die Streitkräfte in volle Kampfbereitschaft versetzen. „Die Albaner haben den Norden Kosovos überfallen und unschuldige Serben festgenommen“, erläuterte der serbische Innenminister Neboisa Stafanovic die Mobilmachung. Außerdem äußerte Belgrad seinen Protest gegenüber Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg.
Nach der resoluten Antwort Belgrads wollte Pristina teilweise „zurückrudern“. Thaçi erklärte sein Erscheinen in Gazivoda mit der Absicht, einfach das Wochenende in der schönen Natur des Kosovo zu verbringen. „Das war eine ganz normale Visite. Ich habe mit den dortigen Serben Kaffee getrunken und freundlich Meinungen ausgetauscht“, kommentierte er den Zwischenfall.
Die EU kritisierte das Vorgehen des Kosovo. „Brüssel nimmt solche Berichte sehr ernst und hofft, dass die Seiten gelassen und zurückhaltend reagieren werden“, sagte dazu ein Insider.
sputniknews
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