Schwarz-Grün kann in Hessen weiter regieren

  29 Oktober 2018    Gelesen: 874
Schwarz-Grün kann in Hessen weiter regieren

Die Parteien der Berliner GroKo erleiden in Hessen schwere Verluste. Die CDU bleibt zwar stärkste Kraft, fährt aber ihr schlechtestes Ergebnis seit 1966 ein. Die SPD stürzt auf ein historisches Tief. Die Gewinne der Grünen sichern der bisherigen Koalition ihre Mehrheit.

Die CDU von Ministerpräsident Volker Bouffier bleibt in Hessen zwar stärkste Kraft, fuhr bei der Landtagswahl nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis aber ihr schlechtestes Ergebnis in dem Bundesland seit mehr als 50 Jahren ein. Die SPD von Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel erzielte ihr schlechtestes Landesergebnis jemals.

Große Wahlgewinner sind die Grünen mit ihrem bislang besten Abschneiden bei einer Hessen-Wahl und die AfD. Die Rechtspopulisten zogen erstmals in den Landtag ein und sind nunmehr in allen 16 Landesparlamenten vertreten. Auch FDP und Linke bleiben im Landtag in Wiesbaden - damit bekommt Hessen erstmals ein Sechs-Parteien-Parlament. Wie es für die seit 2013 regierende schwarz-grüne Koalition weitergeht, ist offen.

Dem vorläufigen amtlichen Endergebnis zufolge kommt die seit 1999 regierende CDU auf 27,0 Prozent (2013: 38,3 Prozent) - schlechter abgeschnitten hatte die Partei in Hessen zuletzt 1966 mit 26,4 Prozent. Die SPD rutscht ab auf 19,5 Prozent (2013: 30,7) und liegt damit gleichauf mit den Grünen, die mit Spitzenkandidat Tarek Al-Wazir ebenfalls auf 19,5 Prozent (2013: 11,1) springen. Die AfD verdreifacht ihr Ergebnis von vor fünf Jahren auf 13,1 Prozent (2013: 4,1). Die FDP erreicht 7,5 Prozent (2013: 5,0), die Linke 6,3 Prozent und erzielt ihr bisher bestes Ergebnis in Hessen (2013: 5,2).

Wie aus dem Wahlergebnis hervorgeht, kann die schwarz-grüne Koalition in Hessen ihre Regierungsmehrheit knapp verteidigen. Wie die Landeswahlleitung mitteilte, erreichten die CDU 40 und die Grünen 29 von insgesamt 137 Mandaten. Die SPD kam demnach ebenfalls auf 29 Sitze, während die AfD 19, die FDP elf und die Linke neun Sitze erzielten.

Bouffier wertete das Ergebnis trotz der Verluste für die CDU als Erfolg. "Wir wollten klar stärkste Fraktion werden und erreichen, dass gegen die CDU keine Regierung gebildet werden kann", sagte Bouffier. Beides sei gelungen. Bouffier verwies darauf, dass die hessische CDU deutlich besser dastehe als die Union im Bund: "Wir sind deutlich über der Bundespartei, vier, fünf Punkte." In der ARD fügte er hinzu, die CDU habe den "klaren Auftrag, die Regierung fortzuführen". Seine Partei wolle nun mit allen Parteien außer der Linken und der AfD sprechen.

FDP macht sich Hoffnung auf Regierungsbeteiligung

Nach ihrem starken Zugewinn streben die Grünen wieder in die Regierungsverantwortung. "Wir werten das Ergebnis als klaren Auftrag, an der nächsten Regierung beteiligt zu sein", sagte Fraktionschef Mathias Wagner in Wiesbaden.

Auch FDP-Chef Christian Lindner hält eine Beteiligung seiner Partei an einer Jamaika-Koalition mit CDU und Grünen in Hessen für möglich. Die Liberalen stünden "immer zur Verfügung", wenn es um eine Regierungsbeteiligung gehe, sagte Lindner im ZDF. Die Voraussetzung sei aber ein "partnerschaftliches Miteinander", in dem "Inhalte möglich sein" müssten. Der hessische FDP-Spitzenkandidat René Rock sagte, Jamaika sei "in Hessen einfacher als im Bund". "Wir werden sondieren und würden uns freuen, unsere Politik umsetzen zu können", fügte er hinzu. Es gebe "grundsätzliche Themen in Berlin, die nicht so grundsätzlich für Hessen sind".

Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen zeigte sich rundum zufrieden mit dem Wahlergebnis. "Wir haben unsere Wahlziele allesamt erreicht", sagte er mit Blick auf den Einzug seiner Partei in den nunmehr 16. Landtag. Der Frage nach einer Koalition mit der CDU in Hessen erteilte er eine Absage. "Wir sehen im Moment auch keine Grundlage für eine solche Zusammenarbeit", sagte Meuthen. "Wir machen das, was wir in den anderen Landtagen und im Bundestag auch schon machen: nämlich gute, konstruktive Oppositionsarbeit."

SPD-Landeschef Schäfer-Gümbel ließ offen, ob er persönliche Konsequenzen aus der historischen Wahlniederlage ziehen wird. "Der heutige Abend ist bitter für die hessische SPD und er ist es auch für mich persönlich", sagte Schäfer-Gümbel. Persönliche Konsequenzen habe die Parteiführung bereits erörtert. "Das haben wir heute schon besprochen, wir werden es auch morgen besprechen", sagte er. Aber: "Sie wissen, dass ich niemand bin, der einfach aus der Verantwortung flieht." Er habe die hessische SPD in den vergangenen zehn Jahren aus einer schweren Krise geführt. "Jetzt sind wir an einem Punkt, wo wir darüber erneut reden müssen. Und das werden wir auch."

Merkel und Nahles bestreiten "Schicksalswahl"

Schäfer-Gümbel führte die schweren Verluste der SPD allein auf den Bundestrend zurück. In Hessen habe die Partei in der Opposition die Themen des Wahlkampfes gesetzt und in allen Umfragen hohe Kompetenzzuschreibungen erhalten. "Aber gegen diesen Bundestrend waren wir völlig hilflos und machtlos", sagte er. "Die SPD ist in einer schweren Vertrauens- und Glaubwürdigkeitskrise." Dies sei eine langfristige Entwicklung. "Deshalb muss sich vieles verändern."

Die Talfahrten von CDU und SPD in Hessen könnten auch die Bundesvorsitzenden, Kanzlerin Angela Merkel und Andrea Nahles, sowie die große Koalition in Berlin weiter unter Druck setzen. Der Wahlkampf in Hessen wurde belastet durch GroKo-Streitigkeiten etwa über die Migrationspolitik und die schwelende Diesel-Krise. Bouffier gilt als ein Vertrauter Merkels. Möglich ist, dass angesichts der Verluste in Hessen nun auch die Rufe nach ihrer Ablösung als CDU-Chefin wieder lauter werden. Hinzu kommt, dass in der SPD nach den neuerlichen Einbußen die GroKo-Kritiker an Rückenwind gewinnen könnten - was im Extremfall zu einem Rückzug aus dem Regierungsbündnis führen könnte. Nahles wehrte sich zuletzt dagegen, der Abstimmung in Hessen eine Bedeutung als "Schicksalswahl" beizumessen. Ähnlich hatte sich auch Merkel geäußert.

Der Absturz von CDU und SPD in Hessen hatte sich seit Wochen in Umfragen abgezeichnet - auch angesichts der Unzufriedenheit vieler Bürger mit der Politik der Großen Koalition in Berlin.

Quelle: n-tv.de , bad/mbo/dpa/AFP


Tags:


Newsticker