Wer die Vereinigten Staaten militärisch schlagen will, braucht eine starke Flotte – eine noch stärkere als die US Navy. Was so eine Seestreitkraft kosten würde, kann man sich kaum vorstellen. Man weiß aber: Nur eine mit den USA vergleichbare Wirtschaftsmacht könnte sich eine solche Marine leisten.
Eine solche Wirtschaftskraft hat heute nur China, was die Volksrepublik zum einzigen wirklichen Gegner der Vereinigten Staaten macht, auch in militärischer Hinsicht. Beim Bruttoinlandsprodukt hat China die USA schon 2014 überholt. In derselben Zeit hat die Volksrepublik eine riesige Modernisierungsreform ihrer Streitkräfte begonnen, insbesondere der Flotte.
Was China braucht, um weiter wirtschaftlich zu wachsen, ist vor allem eine Handels- und Finanzexpansion. Russlands Fernostregion und Sibirien liegen ja quasi um die Ecke – doch Chinas Expansionspläne richten sich vor allem auf Afrika.
Und natürlich braucht die Volksrepublik Energieressourcen. Zwei Drittel seines Öls importiert China aus dem Ausland, 83 Prozent werden auf dem Seeweg transportiert. Und das erinnert stark an die Situation kurz vor Kriegsbeginn zwischen Japan und den Vereinigten Staaten.
Das Land der aufgehenden Sonne war sehr stark von Ölimporten abhängig, die ebenfalls über das Meer angeliefert wurden. Die Versuche der US-Führung, die Öllieferungen nach Japan zu blockieren, provozierten die Japaner zum Angriff, ja zwang sie geradezu.
Japan hat den Krieg bekanntlich verloren – und zwar vor allem auf See. Dass China den Fehler seines Nachbarn nicht nachmachen will, liegt auf der Hand. Deshalb baut Peking eben eine gigantische Seestreitmacht.
Die größte Schlagkraft einer modernen Marine ist der Flugzeugträger: Kampfflugzeuge liefern auch in einem Seegefecht den entscheidenden Vorteil. Ein großes Manko haben die Flugzeugträger aber, sind sie doch ziemlich schwerfällig und für sich allein genommen sehr verwundbar.
Darum besteht ein Flugzeugträgerverband immer aus einem Dutzend Zerstörern und Fregatten und mehreren U-Booten. Die Kampfjetgeschwader des Flugzeugträgers decken den Verband vom Himmel aus, AWACS-Flugzeuge klären die Lage im Umkreis von mindestens 500 Kilometern lückenlos auf.
Bis 2020 wird China – das prognostiziert der wissenschaftliche Dienst des US-Kongresses – eine Seestreitkraft aus zwei Flugzeugträgern, 34 Zerstörern, 58 Fregatten, 30 Korvetten, 64 diesel-elektrisch und acht atomar betriebenen U-Booten, fünf strategischen U-Booten mit ballistischen Kernwaffen an Bord und über 150 Patrouillenschiffen für den Grenzschutz aufgebaut haben.
Was besitzen die USA? Die US Navy hat heute schon elf Flugzeugträger im Einsatz. Dazu kommen 22 Kreuzer, 65 Zerstörer, 12 Korvetten, 52 Atom-U-Boote, 18 Atom-U-Boote mit ballistischen Raketen, rund 100 Patrouillenschiffe und Versorger. Die Übermacht der US-Amerikaner über die Chinesen sticht ins Auge.
Was man aber noch berücksichtigen muss, ist das Tempo, in dem die chinesische Flotte wächst. Das Reich der Mitte lässt eine neue Korvette pro Monat (!)vom Stapel. Nur mal zum Vergleich: Russland hat in den letzten 17 Jahren nur fünf solcher Schiffe gebaut.
Was noch wichtig ist, ist das Alter der Schiffe. Die meisten Wasserfahrzeuge der chinesischen Marine sind keine zehn Jahre alt – die Amerikaner fahren hingegen hauptsächlich mit Schiffen auf See, die vor mindestens zwei Jahrzehnten gebaut wurden.
Bei der US Navy wird langsam eine Modernisierungskrise erkennbar. Nicht nur die zahlenstärkste, sondern auch die modernste Flotte der Welt – das war das Alleinstellungsmerkmal der amerikanischen Marine in den letzten 100 Jahren. Alle 20 Jahre lieferten Schiffsbauer in den USA einen neuen Schiffstyp an die Navy aus.
Und heute? Die Ticonderoga-Kreuzer wurden in den 1980er Jahren gebaut. Das letzte Schiff dieser Klasse wurde 1994 auf Kiel gelegt. Auch mit der Arleigh-Burke-Klasse sieht es nicht besser aus.
Diese Zerstörer sollten durch die Zumwalt-Klasse ersetzt werden. 30 Schiffe waren im Beschaffungsprogramm vorgesehen. Nachdem drei Zerstörer auf Kiel gelegt worden waren, stoppten die Verantwortlichen das Programm: zu teuer, zu unzuverlässig, zu ineffektiv. Ein Nachfolger ist nicht in Sicht…
Für den asiatischen Rivalen ist das aber noch kein Grund zur Entspannung. Die Zahl von Kampfschiffen aufzustocken, ist vor allem eine Frage der Zeit – eine Flugzeugträgerflotte aufzubauen, ist eine ganz andere Sache.
Mit dem Bau von Flugzeugträgern allein ist es noch nicht getan, es müssen ja noch die Besatzung dafür und vor allem die Marinepiloten ausgebildet werden. Drei Generationen werden die Chinesen nach Einschätzung eines US-Admirals brauchen, um fachmännisches Personal für die Flugzeugträgerflotte heranzubilden.
Was die Flugzeugträger selbst angeht, so haben die Chinesen gegenwärtig zwei davon. Einen – die ehemals sowjetische „Warjag“ – haben sie halbfertig den Ukrainern abgekauft und zu Ende gebaut. Der zweite – ein baugleiches Schiff – haben sie von null auf in China produziert. Im Vergleich zur sowjetischen „Warjag“ ist der neue Flugzeugträger technisch deutlich weiter.
Mit dem Bau des dritten chinesischen Flugzeugträgers wollen die Chinesen 2020 beginnen. Geplant ist, das Schiff mit einer Wasserverdrängung von über 85.000 Tonnen 2023 in Dienst zu stellen.
Der vierte chinesische Flugzeugträger – Typ 004 – soll bei einer Wasserverdrängung von 120.000 Tonnen der größte und wohl auch kampfstärkste der Welt werden. Anzunehmen ist, dass dieser Schiffstyp in Großserie gebaut werden soll. Innerhalb von 50 Jahren könnte mindestens ein Dutzend davon entstehen.
Mit anderen Worten: Die heutigen Prognosen von Politikern, Generälen und Experten, dass ein Krieg zwischen USA und China unmittelbar bevorstehe, sehen einfach unrealistisch aus. Doch schon in 20, spätestens 30 Jahren – wenn Chinas Flugzeugträgerflotte stärker geworden ist – ist ein solches Szenario gar nicht mehr so unwahrscheinlich.
China muss einfach warten und Flugzeugträger bauen. Für die Amerikaner aber kommt das Warten dem Verlust ihrer Vormacht gleich. Die einzige Chance, die die USA haben: Eine Anwendung jenes Szenarios auf China, das schon bei Japan funktioniert hat. Die heutige Ausgangslage ist jedenfalls jener von damals sehr ähnlich.
China weitet seinen Einfluss aus, wie es Japan in den 1930er Jahren tat. China ist, wie Japan auch, von Ölimporten abhängig, die hauptsächlich auf dem Seeweg geleifert werden. Solange die USA ihre Übermacht auf dem Meer nicht verloren haben, sehen sie es als ihre Aufgabe, China in eine ausweglose Lage hineinzumanövrieren.
Oder besser gesagt, in eine Lage, aus der es nur einen Ausweg geben wird: ein Krieg gegen die USA – ein Krieg, in dem die Volksrepublik als Aggressor dastehen wird. Und ein Krieg, in dem China, wie seinerzeit Japan, praktisch keine Siegeschancen hat.
sputniknews
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