Der Streit, der sich anbahnt, ähnelt dem, der auch in Deutschland schwelt. Was hierzulande das Kindergeld, ist in Österreich die Familienbeihilfe. Die kommt etwa 1,75 Millionen Kindern zugute. Die Regierung in Wien aus Österreichischer Volkspartei (ÖVP) und Freiheitlicher Partei Österreichs (FPÖ) stört sich daran, dass mehr als 330.000 dieser Kinder gar nicht in Österreich leben, sondern in osteuropäischen Staaten. Gerade die FPÖ hatte im Wahlkampf eine Änderung bei der Familienbeihilfe zu einer ihrer Hauptforderungen erklärt.
Nun hat die Wiener Regierungskoalition beschlossen, dass ab 1. Januar 2019 diese Beihilfe an das Lebenshaltungsniveau der Länder angepasst wird, aus dem die Empfänger stammen. Derzeit zahlt Österreich pro Kind zwischen 112 Euro bei der Geburt und bis zu 162 Euro ab dem 19. Lebensjahr. Hinzu kommen Pro-Kopf-Zuschläge für Geschwister.
„Wir exportieren derzeit 250 Millionen Euro an Familienbeihilfe im Jahr, obwohl in Ländern wie Rumänien oder der Slowakei weit geringere Lebenshaltungskosten als in Österreich anfallen“, argumentiert die ÖVP-Familienministerin Juliane Bogner-Strauß.
Sie weiß sich mit einem nicht unerheblichen Teil der österreichischen Bevölkerung einig. Allerdings weiß Bogner-Strauß auch, dass Juristen in der EU das gänzlich anders bewerten.
EU-Kommission will Österreichs Entscheidung prüfen
Die EU-Kommission hat auch umgehend angekündigt, dass sie die Entscheidung überprüfen werde. Pikant ist, dass ausgerechnet Österreich derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehat. Auch aus den eigenen Reihen kommt Kritik. Der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas erklärte:
„Jede Maßnahme ist möglich, die nicht diskriminierend ist und nicht zwischen EU-Bürgern unterscheidet.“
Doch sein Parteichef und Bundeskanzler Sebastian Kurz hatte das Vorhaben bereits mit dem kernigen Satz verteidigt: „Österreich soll Exportweltmeister sein, aber nicht bei den Sozialleistungen.“
Viele Österreicher unterstützen Kürzung
Wien kann sich der Unterstützung vieler Österreicher sicher sein. Daran ändert auch die allgemein anerkannte Tatsache nichts, dass die strittigen Empfänger aus osteuropäischen Staaten vor allem im Pflegesystem Österreichs unverzichtbar geworden sind. Nach Angaben der österreichischen Behörden wird die 24-Stunden-Pflege zu 95 Prozent durch Beschäftigte gewährleistet, die aus Staaten wie Ungarn oder der Slowakei kommen. Ihre Familien aber leben in den Herkunftsländern. Und dort sind 100 Euro natürlich sehr viel mehr wert als in Österreich. Deshalb argumentiert die ÖVP, vor allem aber die FPÖ, damit würden österreichische Arbeitnehmer benachteiligt.
Ob Brüssel den Fehdehandschuh aufnehmen muss, den Wien ihm ins Gesicht geschleudert hat, oder ob die EU-Gerichte die österreichische Gesetzesänderung kassieren werden, beobachten auch andere Regierungen in der EU mit Interesse. Denn auch Dänemark und Deutschland empfinden Handlungsbedarf bei Kindergeldleistungen, die aus den jeweiligen Ländern vor allem in Richtung Osteuropa abfließen. Allgemein wird angenommen, dass der Streit wegen der anstehenden Wahlen zum Europa-Parlament 2019 möglichst schnell einer Lösung zugeführt wird.
sputniknews
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