In so hohen Tönen wurden Nato-Länder schon lange nicht mehr gelobt. Jeder Beitrag zu „Trident Juncture“ zählt, preist die Bündnisführung – und seien es nur ein paar Versorgungssoldaten, die ein Nato-Mitglied zum Großmanöver nach Norwegen entsandt hatte. Die Stärkung des Kameradschaftsgefühls innerhalb der Bündnistruppen stand ganz oben auf dem Übungsplan.
Auf der Nato-Website heißt es, „Trident Juncture“ sei die größte Übung der Allianz seit dem Ende des Kalten Krieges gewesen. 50.000 Soldaten aus 29 Nato-Ländern plus Schweden und Finnland haben unter dem Kommando von Admiral James Foggo ihre Fähigkeit getestet, gemeinsam vorzugehen, um „die Bevölkerung und das Landesgebiet vor einem potentiellen Gegner“ zu verteidigen.
250 Flugzeuge, 65 Schiffe und 10.000 Fahrzeuge waren Bestandteil der Großübung. Trainiert wurde hauptsächlich in Mittel- und Ostnorwegen, beiläufige Manöver fanden aber auch auf Island, im Nordatlantik, in der Ostsee und im Luftraum über Schweden und Finnland statt.
Deutschland stellte bei „Trident Juncture“ die zweitgrößte Truppe nach den USA: bis zu 10.000 Mann und rund 4.000 Fahrzeuge. Die Bundeswehr hat sich angesichts der häufigen Kritik an deren Ausstattung erstaunlich gut geschlagen. Gekonnt legten deutsche Soldaten Minenfelder und bauten Panzersperren auf.
Gemäß dem Übungsplan wurden die Nato-Truppen in zwei Lager aufgeteilt: die Gruppe Nord und die Gruppe Süd. Die Nord-Gruppe, von den US-Truppen simuliert, hatte angegriffen – die Süd-Gruppe, vom spanischen Kontingent gespielt, verteidigte sich und ging zum Gegenangriff über.
Angesichts dieser Aufteilung wussten alle 50.000 Teilnehmer von „Trident Juncture“ sehr genau, gegen wen sich dieses Manöver richtet – auch wenn die Nato-Führung kein konkretes Land als „potentiellen Gegner“ genannt hatte.
Norwegen habe auf dem simulierten Schlachtfeld viele Hindernisse geschaffen, um die Nato-Soldaten unter lebensechten Kampfbedingungen auf ihre Einsatztauglichkeit in der Arktis zu prüfen, schreiben norwegische Zeitungen.
Und gleich beim Auftakt zum Manöver stellte sich heraus: Beim harten Einsatz im hohen Norden können sich die Soldaten auf ihre Stiefel nicht verlassen. Die Kämpfer beschwerten sich über frierende Füße, obwohl der Frost in Norwegen um diese Jahreszeit noch nicht so bitter ist.
Kriegsreporterin Teri Schultz, eigens zum Manöver eingeladen, sagte, die heutige technologische Ausstattung der Bündnisarmeen ersetze warme Stiefel nicht, die die Soldaten bei Missionen in der Arktis doch nach wie vor benötigen.
Auch Ulrike Franke, Sicherheitsexpertin beim Europäischen Rat für Internationale Beziehungen, bemängelte die Truppenausstattung bei „Trident Juncture“: Die meisten Länder der Allianz seien „für den nächsten Krieg“ nicht gut genug gerüstet. Würde die Nato einen Krieg in der Arktis führen, müsse sie auch taktische Kernwaffen einsetzen dürfen.
Für diesen Vorschlag ist Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg offenbar zu haben: Das arktische Nato-Arsenal müsse „alle Möglichkeiten“ umfassen, „von konventionellen bis zu Kernwaffen“, sagte er in Bezug auf das diesjährige „Trident Juncture“.
Indirekt lässt sich diesen Aufforderungen entnehmen, dass die Nato-Führung und ihre Analysten an der Fähigkeit der West-Allianz zweifeln, die russische Armee jenseits des Polarkreises schlagen zu können. Ohne Kernwaffen kommt das Bündnis da nicht aus – so kann man die Ausführungen Stoltenbergs auch auffassen.
Die unmittelbaren Teilnehmer von „Trident Juncture“ sind aber offenbar deutlich optimistischer als ihre Anführer. Er sei überglücklich, die US-Marines in seiner Heimat zu sehen, sagte ein norwegische Oberst. Der Einsatz der US-Eliteeinheit in Norwegen sei eine „Sicherheitsgarantie“, davon habe er sich bei dem Manöver überzeugen können.
Auch die Amerikaner geizen nicht mit Komplimenten für ihre norwegischen Freunde. Die Norweger dienten bei „Trident Juncture“ als Scouts für die US-Truppen, führten sie auf geheimen Pfaden durch die Gegend.
Außerdem wurden die ortskundigen norwegischen Soldaten als Bindeglieder zwischen den 50 Truppenlagern der Nato eingesetzt. Offensichtlich trainierte die Allianz in Norwegen, Krieg auch ohne Funk und GPS zu führen.
„Die Soldaten der norwegischen Armee kennen ihre Gegend wie den eigenen Hinterhof“, heißt es auf der Nato-Website. Dadurch erlange die Allianz einen „unübertroffenen Vorteil“ im Gelände.
Was das konkret heißt? Ein Hinterhalt, ein Angriff aus dem rückwärtigen Gebiet, eine plötzliche Einkesselung mitten in der Nacht – diese Taktiken können im Gefecht viel effektiver genutzt werden, wenn die Soldaten sich vor Ort gut auskennen. So kann dem Gegner mit kleineren Kräften ein schwerer Schlag versetzt werden.
Aber jetzt, nach „Trident Juncture“, können die Norweger sowieso ruhiger schlafen. Russland hat das Manöver ja beobachtet und seine Schlüsse daraus gezogen: Es wird sich jetzt ganz bestimmt nicht mehr in die Arktis wagen, zumal es dort auf die (jetzt frostgestählten) spanischen Nato-Truppen stoßen könnte. Hoffentlich haben die dann ihre warmen Stiefel dabei.
sputniknews
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