Ohne Doping reichlich Testosteron

  11 November 2018    Gelesen: 700
Ohne Doping reichlich Testosteron

Mit dem SUV-Coupé hat BMW seinerzeit die sportliche Seite der beliebten Offroader erfunden. Jetzt ist die zweite Generation des X4 gestartet und n-tv.de hat den Bayern zum Praxistest gerufen. Erschienen ist ein Sportler, der kein Doping braucht.

Es ist ja schon des Öfteren bestätigt worden, dass BMW mit dem X6 und dem nachfolgenden X4 nichts verkehrt gemacht hat. Obgleich die Form des SUV-Coupé am Anfang vielfach belächelt wurde. Betrachtet man die Sache aber genau, dann hat sie sich bis in die höchste Etage der Premium-Liga hochgearbeitet. Stellte doch Mercedes auf der Auto China in diesem Jahr den Maybach Ultimate Luxury vor. Eine Luxus-SUV-Limousine, die nicht frei von Coupé-Anleihen ist, wie man sie unterdessen ja auch aus Stuttgart kennt.

Optisches Testosteron für den X4


Doch wie dem auch sei, an dieser Stelle geht es um den neuen BMW X4, der als 30i zum Test nach Berlin kam. Die Flächen reduziert, um 81 Millimeter auf 4,75 Meter gestreckt, einen Hauch breiter und mit einem um 54 Millimeter verlängerten Radstand, macht der neue X4 eine recht dynamische Figur. Im Sport würde man wohl sagen, er wirkt absolut austrainiert. Dazu trägt natürlich auch die markante Front mit Doppelniere und "Sechs-Augen-Gesicht" bei oder die weit außen platzierten, sehr schmalen LED-Heckleuchten mit darunterliegenden zweibordigen Endrohren. Den letzten Pfiff gibt dem Testwagen der Umstand, dass es sich um die Ausführung M Sport X für zusätzlich 5800 Euro handelt.

Riesige Lufteinlässe im Frontstoßfänger, markante Verplankungen der Radhäuser und ein wuchtiger Seitenschweller sind neben den blauen Bremssätteln der Sport-Stopper das Testosteron des X4. Nun pumpt aber unter der Haube gar nicht die Fraktion der Sechszylinder, sondern ein bescheidener 2,0-Liter-Vierzylinder. Nein, nicht der Einsteiger mit 184 PS, sondern der zweitstärkste Benziner mit 252 PS. Reicht nicht für den 1,8 Tonnen schweren Bayern? Oh doch, das reicht durchaus. Eine Etage darunter kann man das getrost in Zweifel ziehen, beim 30i nicht. Da das maximale Drehmoment von 350 Newtonmetern bereits ab 1450 Kurbelwellenumdrehungen anliegt, schiebt der X4 sauber an. Die Kraft wird wie bei allen anderen Motorisierungen über die 8-Gang-Steptronik ohne spürbares Ziehen oder Ruckeln verteilt und der kleine Bulle rennt in 6,3 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Vorausgesetzt, der Fahrmodischalter steht auf Sport und nicht auf Comfort oder Eco Pro.

Kein Kostverächter, aber auch kein Säufer


Tatsächlich beschleunigt sich der 30i dann auch bis auf 240 km/h, wobei einschränkend angemerkt werden muss, dass es ab Tempo 225 nicht mehr ganz so druckvoll vorangeht. Hier fehlt dann doch etwas die Luft. Und weil wir gerade beim Nörgeln sind, soll nicht unerwähnt bleiben, dass an manchen Stellen im Stadtverkehr das spontane Ansprechverhalten fehlt. Wenn es so betulich dahingeht und der Vierender im Schlummerlauf ist, dann braucht er eine Sekunde länger, bis der spontane Tritt aufs Gaspedal in Vortrieb ungesetzt wird. Zumal die 252 Pferde auch erst von der Koppel gejagt werden, wenn der Drehzahlmesser an der 5200 vorbeizieht. Wer hier furios starten will, der sollte die Schaltwippen am Lenkrad bemühen. In Summe ist der X4 30i aber ein wunderbarer Marschierer, der mit einem gemessenen Durchschnittsverbrauch von 10,3 Litern kein Kostverächter, aber auch kein Säufer ist. Denn schnelle Autobahnpassagen um die 180 bis 200 km/h gehörten ebenso zum Testprogramm wie die täglichen Fahrten zum Arbeitsplatz durch die Stadt.

Genau bei diesen Fahrten war auch festzustellen, dass seine nahezu perfekte Gewichtsverteilung von 50:50 auf beide Achsen den X4 im Verbund mit dem Allradantrieb, dem serienmäßigen M Sportfahrwerk und der BMW-typischen engen Sportlenkung zu einem erstaunlich agilen Kurvenläufer mit wunderbarer Spurtreue macht. Selbst Dauerregen und eine Fahrbahn, die eher zum Bootfahren denn zum schnellen Asphaltlauf einlädt, konnte den Bayern nicht aus der Bahn werfen. Aber auch hier gibt es eine Einschränkung: BMW hat dem X4 natürlich alles an Assistenten an die Hand gegeben, was möglich ist. Dazu gehört auch ein adaptiver Lenkassistent und ein ebensolcher Spurhalter. Das Problem ist, dass man diese wirklich gut funktionierenden Helferlein im Sturmlauf komplett deaktivieren sollte. Spätestens ab Tempo 200 bekommt der Pilot in der Nähe von Fahrbahnmarkierungen nämlich ein komisches Gefühl, weil die Lenkung anfängt mit minimalen Bewegungen zu zucken, um den Wagen immer wieder in die berechnete Idealspur zu bringen. Das ist sicher gut gemeint, verbreitet aber im Zusammenspiel mit der schon erwähnten engen Lenkung kein gutes Gefühl.

Platzangebot mit Qualität

Ein gutes Gefühl hingegen haben die Insassen in den straffen Lederpolstern, die sich nicht nur in horizontaler und vertikaler Richtung elektrisch verstellen lassen - auch bei der Anpassung der Seitenwangen an den schmalen oder breiten Rücken kann per Knopfdruck nachgeholfen werden. Nicht mehr nachhelfen muss man bei der Alltagstauglichkeit. BMW hat für große Fächer in den Türinnenverkleidungen gesorgt, die jetzt sogar 1,5-Liter-PET-Flaschen aufnehmen. Eine induktive Ladefläche bietet Platz für das Smartphone und versorgt auch den Fahrzeugschlüssel mit Sendefunktion und das Display mit Strom. Über Platzmangel müssen auch Fahrgäste auf der Rückbank nicht klagen, selbst die Kopffreiheit sollte für groß gewachsene Menschen dort in Ordnung sein.

Der Kofferraum fasst 525 Liter, muss allerdings baubedingt über eine höhere Ladekante bestückt werden. Die Rückenlehne der zweiten Reihe lässt sich selbstredend vom Gepäckabteil entriegeln, allerdings lässt der Zug den hochwertigen Eindruck vermissen, der sonst beim X4 aus allen Poren strahlt. Gerade im Innenraum und mit Blick auf das Dashboard (die Druckpunkte und Rasterungen der Drück- und Drehregler machen einen hervorragenden Eindruck) scheinen die Züge zum Umlegen der Rücklehne irgendwie falsch zu sein. Hinzu kommt das neue Interieur-Design, das auch die Luftausströmer verändert hat, die man gerne anfasst und verstellt, weil auch hier die Festigkeit der beweglichen Elemente sehr gut gelungen ist.

Sehr gut gelungen sind auch die einzelnen Funktionen der schon erwähnten Assistenten. Abstandswarner, Verkehrszeichenerkennung mit vorausschauender Einblendung im brillanten Head-up-Display oder eben auch der Spurhalte- und Lenkassistent (mit oben genannter Einschränkung) verrichten ihre Arbeit absolut präzise. Lediglich der Parkassistent ist gewöhnungsbedürftig. Während andere Hersteller den Parkvorgang ohne großes Zutun des Fahrers ermöglichen, möchte BMW, dass der Finger über die gesamte Zeit den Parkknopf in der Mittelkonsole gedrückt hält. Das ist jetzt nicht schlimm, denn am Ende steht der X4 akkurat in der Lücke, aber ohne diesen Fingerdruck wäre das Parkvergnügen noch reizvoller.

Viel Geld, für viel Auto

Reizvoll ist in jedem Fall das, was BMW mit Blick auf die Konnektivität anbietet. Zugegeben: So virtuos wie im neuen X5 geht es noch nicht zu. Aber die Idee, mehrere Themengebiete wie Navi, Telefon und Unterhaltungsmedium als ansteuerbare Kachel auf dem sogenannten iDrive Display anzuzeigen und per Touch oder über den Drückdrehsteller ansteuern zu können, hat Charme und ergibt Sinn. Bis auf das Navi kann die Steuerung aber auch über die Lenkradtasten und das Head-up-Display erfolgen. Und wer die Finger gar nicht einsetzen möchte, der nutzt die Sprachsteuerung.

Und weil wir gerade die Features betrachtet haben, sollten wir jetzt auch über den Preis sprechen. Ohne Sonderausstattungen geht der X4 xDrive 30i für schlanke 55.300 Euro über den Tisch. Doch wird wie beim Testwagen reichlich aus der üppigen Optionsliste geschöpft, summieren sich die gewählten Sonderausstattungen auf 16.930 Euro, was mit der Mehrwertsteuer von 19 Prozent eine Endsumme von 72.230 Euro auf die Rechnung zaubert. Viel Geld für viel Auto und eine gehörige Menge Fahrspaß und Fahrsicherheit.

DATENBLATT
BMW X4 xDrive 30i
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)
4,75 / 1,91 / 1,62 m
Radstand
2,86 m
Leergewicht (DIN)
1795 kg
Sitzplätze
5
Ladevolumen
525 / 1430 Liter
Motor
Vierzylinder mit 1998 ccm Hubraum
Getriebe
8-Gang-Steptronic
Systemleistung Verbrennungs- und E-Motor
252 PS (185 kW) ab 5200 U/min
Kraftstoffart
Benzin
Antrieb
Allradantrieb
Höchstgeschwindigkeit
240 km/h
Tankvolumen
65 Liter
max. Drehmoment (Systemleistung)
350 Nm / ab 1450 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h
6,3 Sekunden
Normverbrauch (kombiniert)
7,3 Liter (WLTP)
Testverbrauch (kombiniert)
10,3 Liter
CO2-Emission kombiniert
168 g/km (Euro 6d-Temp)
Grundpreis
55.300 Euro
Preis des Testwagens
72.230 Euro
Quelle: n-tv.de


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