Yanis Varoufakis könnte durchaus als Vorbild für die italienische Regierung durchgehen. Forderte einst der Grieche im Streit um Schulden die EU-Kommission als Finanzminister heraus, geht derzeit Rom auf Konfrontationskurs mit Brüssel. Beide Seiten lassen keine Kompromissbereitschaft erkennen - mit ungewissen Folgen.
Im Kern geht es im Haushaltsstreit zwischen der EU-Kommission und Italien darum, wie die Verschuldung des Landes abgebaut werden kann. Sie liegt bei rund 2,3 Billionen Euro. Das sind 132 Prozent der Wirtschaftsleistung, erlaubt sind laut Maastricht-Vertrag nur 60 Prozent. Die EU verlangt, dass die italienische Regierung weniger Geld ausgibt als geplant, um die Schulden zu reduzieren.
Rom lehnt das ab. Die Regierung will mit zusätzlichen Ausgaben für Wachstum sorgen. Das ist durchaus nachvollziehbar, denn seit 2008 durchlebte Italien zweimal eine Rezession. Für das vergangene Quartal meldeten die Statistiker Nullwachstum. Die Arbeitslosigkeit beträgt mehr als 10 Prozent, bei den 15- bis 34-Jährigen fast 20 Prozent. Laut Internationalem Währungsfonds liegen die Realeinkommen auf dem Niveau von vor zwei Jahrzehnten. Der Lebensstandard der mittleren und jungen Generation sei "erodiert" und die Auswanderung sei nahe an einem 50-Jahreshoch.
Ein wesentlicher Grund dafür ist, dass Italiens Regierungen in den vergangenen Jahren äußerst sparsam waren. Der Schuldenberg ist ein Erbe der Zeit, bevor Italien der Eurozone beitrat. Seitdem hat das Land - im Gegensatz zu nahezu allen anderen Mitgliedern der Eurozone - fast jedes Jahr einen so genannten Primärüberschuss erzielt, also einen Haushaltsüberschuss ohne die Kosten für den Schuldendienst. Mit anderen Worten: Italien hat Schulden nur deshalb aufgenommen, um alte Schulden zu begleichen. Es gehört außerdem weltweit zu den Ländern mit den größten Leistungsbilanzüberschüssen, exportiert also viel mehr als es importiert.
Italien kann auch deshalb den erforderlichen Schuldendienst leisten. Ob das so bleibt, hängt davon ab, wie viel das Land für Zinszahlungen und die Erneuerung von auslaufenden Krediten aufwenden muss - und ob dafür die Einnahmen ausreichen.
Deutsche-Bank-Chefvolkswirt hat eine Idee
Die entscheidende Frage ist: Wie kann Italien die Schulden reduzieren und gleichzeitig nachhaltig wachsen? Die Regierung will das erreichen, indem sie vor allem durch Steuersenkungen und höhere Sozialausgaben die Wirtschaft ankurbelt und das Land dadurch quasi aus den Schulden herauswächst.
Ein Problem dabei ist, dass diese Maßnahmen sehr viel Geld kosten. Ein weiteres ist: Es ist durchaus zweifelhaft, dass die gewünschten Effekte überhaupt erreicht werden. Die Regierung setzt sich dem Vorwurf aus, die richtigen Ziele mit den falschen Schritten erreichen zu wollen.
Der IWF hält deshalb einen anderen Weg für sinnvoll. "Struktur-Reformen, um die Produktivität zu steigern und Italiens Potenzial zu heben, haben die wichtigste Priorität", heißt es im jüngsten Bericht des Weltwährungsfonds. Ohne solche Reformen - beispielsweise am Arbeitsmarkt oder eine stärkere Besteuerung von Vermögen - könnten weder höhere Einkommen noch Stabilität dauerhaft erreicht werden.
Die Staatsausgaben etwa für Renten - die zweithöchsten in der Eurozone - würden schon jetzt wichtige Ressourcen aufzehren - etwa für öffentliche Ausgaben oder ein soziales Sicherheitsnetz für die Armen. "Diese Politik bevorzugt ältere Generationen auf Kosten der jüngeren", so der IWF.
Und wie bekommt man eine populistische Regierung dazu, Strukturreformen durchzuführen? Der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, David Folkerts-Landau sagt, es gebe nur eine Möglichkeit den Konflikt zwischen Rom und Brüssel zu lösen. Italiens Schuldendienst müsse reduziert werden, schreibt er in der "Financial Times". Damit erhalte die Regierung finanziellen Spielraum, um die Wirtschaft zu modernisieren.
Dafür sei der europäische Rettungsschirm ESM geeignet, so der Volkswirt. Der Mechanismus könne Italien helfen, einen Teil seiner Schulden loszuwerden. Zinsen auf ESM-Hilfen müsse das Land erst dann zahlen, wenn höhere Produktivität und stärkeres Wachstum erreicht worden seien. Gleichzeitig müsse aber sichergestellt werden, dass die Regierung in Rom tatsächlich Reformen umsetzt, so Folkerts-Landau. Das sorge für das nötige Wachstum, damit Italien auch in Zukunft seine Schulden bedienen könne.
Derzeit sieht es allerdings so aus, dass wie in der Griechenland-Krise beide Seiten das auch als "Feiglingsspiel" bekannte "Game of Chicken" spielen. Das ist eine gängige Verhandlungstaktik: Man muss dabei dem Gegner glaubwürdig vermitteln, es bis zum Äußersten kommen zu lassen. Das Ziel ist, dass er aus Furcht einknickt. Die Gefahr dabei: Keiner weicht zurück und alle verlieren.
Quelle: n-tv.de
Tags: