Spalter mit Hilfe von Brüssel: Extremos aus Litauen fahren „Kaliningrad-Kampagne“

  19 November 2018    Gelesen: 1051
Spalter mit Hilfe von Brüssel: Extremos aus Litauen fahren „Kaliningrad-Kampagne“

Litauische Nationalisten kämpfen dafür, die Exklave Kaliningrad von Russland abzuspalten. Die Russische Föderation habe längst keinen Anspruch mehr auf das Gebiet, sagen sie. Die Forderung wird inzwischen auch von EU-Politikern gestellt – und findet leider sogar innerhalb Russlands Anhänger, schreibt das Portal „Wsgljad“.

Königsberg sei nach dem Zweiten Weltkrieg lediglich für 50 Jahre an Russland übergeben worden. 1995 sei diese Frist abgelaufen. Es sei nun höchste Zeit, den Gebietsstatus von Kaliningrad neu zu bewerten, schreibt der litauische Politologe Benas Volodzka in der Zeitung „Respublika“ laut dem Portal. Die Überschrift seines Beitrags: „Litauisches Land in fremden Händen“.

Das „militarisierte Kaliningrad“ sei eine deutliche Gefahr für „das Überleben Litauens“ wie für „die Sicherheit ganz Europas“, schreibt der Politologe. Besonders bedauerlich findet Volodzka laut dem Portal, dass das historische und kulturelle Erbe von „Preußisch Litauen“ in Kaliningrad zerstört werde.

Woher kommt nur die Idee mit den 50 Jahren und dem angeblich befristeten Status von Kaliningrad? Unterlagen, die das belegen würden, gibt es nicht. Die Zahl scheint einfach aus der Luft gegriffen zu sein – ein Mythos, der schleichend in das öffentliche Bewusstsein eingeimpft wird.

Und das Einimpfen hat Methode, sagt der in Kaliningrad tätige Politologe Alexander Nossowitsch: „Der Mythos, dass Russland die Region Kaliningrad angeblich unrechtmäßig besitze, wird systematisch, Schritt für Schritt in das litauische Bewusstsein eingeführt. Der nächste Schritt dieser Kampagne besteht darin, diese Idee in den USA und in Europa (besonders in Deutschland) zu verankern“, schreibt der Politologe bei „Facebook“ laut dem Portal. Damit würde sich der Westen ein neues Argument bei Gesprächen mit dem Kreml verschaffen.

Auch der litauische Abgeordnete Linas Balsys, ehemaliger Sprecher der litauischen Präsidentin, hatte schonmal Zweifel am Gebietsstatus der russischen Exklave angemeldet. „Wie kann das instabile und militarisierte Kaliningrad in das stabile Europa zurückgeführt werden?“ fragte er vor rund zwei Jahren, wie das Portal schreibt.

Seiner Ansicht nach müssen Litauen und die EU gemeinsam über die Zukunft der russischen Exklave entscheiden. Die litauische Führung und die Institutionen in Brüssel müssen sich mit der Abspaltung Kaliningrads von Russland befassen, forderte er.

Nach derlei Erklärungen haben russische Behörden dem litauischen Abgeordneten die Einreise nach Russland für fünf Jahre verboten. Litauens Außenministerium beteuerte daraufhin, Vilnius erhebe keinerlei Ansprüche auf Kaliningrad. Doch schon wenige Monate später erklärte der litauische EU-Politiker Antanas Guoga laut dem Portal, dass Kaliningrad „niemals“ zu Russland gehört habe.

Was wissen wir aus der Geschichte?

Der Politologe Volodzka behauptet in seinem Artikel, der befristete Status von Königsberg sei auf der Potsdamer Konferenz beschlossen worden. Dazu sagt der Historiker Wladimir Abramow, der unter anderem in Kaliningrad forscht: „Die Unterlagen der Potsdamer Konferenz sind längst veröffentlicht. Das Schicksal von Ostpreußen, Pommern und Schlesien ist darin klar benannt, ohne Verweis auf irgendwelche Fristen.“

Etwas fällt dem Wissenschaftler besonders auf: Mit ihrer Kaliningrad-Kampagne sorgen sich die Politiker aus Litauen um ein Gebiet so groß wie ein Drittel von Ostpreußen. „Die anderen zwei Drittel dieser Provinz, die an Polen übergeben wurden, erwähnen sie mit keiner Silbe.“

Und: „Nie gehörte preußisches Gebiet zu Litauen. Auf diesem Boden herrschten die Preußen, der Deutsche Orden, der Herzog von Brandenburg als ein polnischer Vasal, das Königreich Preußen, das Deutsche Reich, dann ging das Gebiet in den Besitz der Sowjetunion und später Russlands über.

Wenn schon Ansprüche stellen, dann könnte man über ganz andere Gebiete reden: „Was würden die litauischen Politiker zum Status von Klaipeda – dem ehemaligen Memel – sagen? Die Stadt war erst durch einen Beschluss der Entente 1923 von Deutschland an Litauen übergeben worden, was dann von Stalin 1945 bestätigt wurde“, so der Historiker Abramow laut dem Portal.

Überhaupt: Was ist mit den „vielen Geschenken“ der Sowjetführung an die litauische Republik? fragt der Publizist Michail Krischtal. „1939 erhielt Litauen die Vilnius-Region, 1940 weißrussische Gebiete, 1945 das Memelland. Das alles waren einseitige Geschenke an Litauen“, erinnert der Experte.

Doch wie eingangs angedeutet, sind es nicht nur litauische Politiker, die die Kaliningrad-Kampagne fahren. Auch innerhalb der Exklave gibt es Kräfte, die den Lauf der Geschichte nachträglich korrigieren wollen.

Die „Baltische Avantgarde des russischen Widerstands“ etwa – eine Untergrundorganisation, die es sich zum Ziel gesetzt hat, das heutige Kaliningrad zurück in Königsberg zu verwandeln. Angeführt wird die Vereinigung vom ehemaligen Studenten der Immanuel-Kant-Universität in Kaliningrad, Alexander Orschulewitsch.

„Im Juli 2016 besuchte Orschulewitsch eine Konferenz in Kiew, wo über die Gründung einer überregionalen Union vom Baltikum bis ans Schwarzmeer gesprochen wurde. Der Separatist wurde von der Jugendorganisation ukrainischer Nazis – des Regiments Asow – eingeladen“, sagt der Journalist Andrej Wypolsow.

Später nach der Konferenz wird eine Onlinepetition bei Facebook gestartet, mit der Forderung, der Stadt Kaliningrad den alten Namen Königsberg wiederzugeben. „Schon kommen Kollegen vom belgischen ‚De Standard‘ und von der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘ nach Kaliningrad, um den Anführer der „Baltischen Avantgarde‘ zu interviewen“, sagt der Journalist Wypolsow laut dem Portal.

Im Mai letzten Jahres sind Orschulewitsch und drei seiner Komplizen verhaftet worden. Der Vorwurf: Gründung einer extremistischen Vereinigung mit dem Ziel, das Gebiet Kaliningrad gewaltsam von Russland abzuspalten. Die Beschuldigten sitzen noch in Untersuchungshaft. Und wie zu erwarten war, erklären bestimmte Kreise die Extremisten bereits zu „Freiheitskämpfern“.


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