Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den umstrittenen UN-Migrationspakt im Bundestag mit klaren Worten auch gegen Kritik in ihrer eigenen Partei verteidigt. "Dieser Pakt für Migration, genauso wie der Pakt für Flüchtlinge, ist der richtige Antwortversuch, globale Probleme auch international und miteinander zu lösen", sagte die scheidende CDU-Vorsitzende in der Generaldebatte zum Bundeshaushalt. Es war ihre erste Rede seit der Erklärung, beim CDU-Bundesparteitag im Dezember in Hamburg nach 18 Jahren nicht erneut für den Vorsitz zu kandidieren.
Merkel sagte, dass der Pakt in "nationalem Interesse" sei, weil er die Bedingungen auf der Welt für Flucht und Arbeitsmigration verbessern könne. "Wir wollen, wenn in Katar Stadien gebaut werden, (...) dass die dort arbeitenden Bauarbeiter vernünftig behandelt werden, dass sie nicht ausgebeutet werden, dass es nicht Kinderarbeit gibt." Sie betonte aber auch, dass der Pakt nicht rechtlich bindend sei und nationale Gesetzgebung nicht berühre. "Es wird übrigens nichts unterzeichnet, nichts unterschrieben, es ist nicht rechtlich bindend." Die Flüchtlingskrise habe aber gezeigt "wie wichtig es ist, Flucht aber auch Migration im Zusammenhang des internationalen Kontextes zu lösen und nicht zu glauben, irgendein Land könnte das alleine.
Generell äußerte sie sich in einer engagierten Rede besorgt über den Zustand der Welt, in der es wegen vieler Einzelinteressen und einer Rückkehr des Nationalismus zunehmend schwierig wird, globale Abkommen zu schließen. Es komme auf jedes Land an, ein starkes Europa sei für Deutschland entscheidend. "Deutsches Interesse heißt, immer auch die anderen mitzudenken." Beim Brexit-Vertrag mit Großbritannien setzt Merkel trotz schwieriger Kompromisse auf eine Zustimmung der 27 EU-Staaten. "Wir stimmen diesem Austrittvertrag zu", sagte Merkel. Es gebe zwar noch einen Vorbehalt Spaniens im Hinblick auf die Gibraltar-Frage. Die Kanzlerin hofft jedoch, dass es bis zum Brexit-Sondergipfel am kommenden Sonntag eine Lösung gebe.
"An Unfähigkeit der Regierung gewöhnt"
SPD-Chefin Andrea Nahles sprach in der Generalaussprache mit Blick auf den Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union von einer Zäsur. Die Zusammenarbeit in der EU dürfe dadurch aber nicht ins Stocken geraten. Dafür müsse Deutschland zusammen mit Frankreich und anderen Partnern sorgen. "Wir müssen mehr Zusammenarbeit wagen." Nahles erneuerte dabei ihren Vorschlag für eine europäische Arbeitslosenversicherung. Pläne dazu stoßen allerdings beim Koalitionspartner CDU/CSU auf Widerstand. Außerdem gehe es um eine internationale Besteuerung großer Digitalkonzerne. Doch hier bremst schon ihr eigener Vizekanzler Olaf Scholz - die Regierung fürchtet Gegenmaßnahmen der US-Regierung von Präsident Donald Trump.
Eine "Politik der Spaltung und Unvernunft" und einen "Ausgabenwahn" mit falschen Prioritäten warf AfD-Fraktionschefin Alice Weidel der Regierung vor. "Ihre Politik ignoriert konsequent die ökonomische Vernunft", sagte sie mit Blick auf die eingetrübte Konjunktur. Das halte auch die stärkste Volkswirtschaft auf Dauer nicht aus.
Nach Ansicht der Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht vernachlässigt die Bundesregierung dagegen bei ihren Investitionen die Interessen der Menschen. "Meinen Sie wirklich, dass zufriedene Rüstungslobbyisten wichtiger sind als zufriedene Wähler?", fragte sie. Den Etat für Waffen und Kriegsgerät stocke die Koalition um Milliarden auf, sei aber nicht in der Lage, alte Menschen vor Armut zu schützen, allen Kindern eine gute Bildung zu ermöglichen und ländliche Regionen mit schnellem Internet zu versorgen. "Das ist doch eine irre Politik", sagte Wagenknecht. "Ich finde, wir haben uns viel zu sehr an die Unfähigkeit von Regierungen gewöhnt."
Etat wird "stranguliert"
Die Große Koalition drehe sich trotz gewaltiger Aufgaben vor allem um sich selbst, warf der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter der Regierung vor. "Wir erleben eine Koalition, die als große Selbsthilfegruppe vor allem mit sich selbst beschäftigt ist und schon lange nicht mehr mit den Fragen und den Nöten der Menschen." Großdemonstrationen wie in München, Chemnitz und Berlin seien ein "Stoppschild" der Mehrheitsgesellschaft gegen rechte Hetze, aber auch gegenüber einer Regierungspolitik, "die die großen Probleme nicht und die kleinen viel zu häufig falsch anpackt", sagte Hofreiter.
FDP-Chef Christian Lindner warf der Bundesregierung unsolide Haushaltspolitik vor. "Baukindergeld, Mütterrente, Brückenteilzeit und, und, und - alles überwiegend konsumtive Ausgaben", sagte Lindner in der Haushaltsdebatte im Bundestag in Berlin. "Sie setzen keine Impulse dafür, den Etat zukünftig zu finanzieren, Sie schaffen Ansprüche, die den Etat zukünftig strangulieren werden." Zudem forderte er Merkel und Innenminister Horst Seehofer indirekt zum Rücktritt auf. "Frau Bundeskanzlerin und Herr Seehofer, Sie beide haben erkannt, dass Ihre Parteien Erneuerung brauchen. Was für Parteien richtig ist, das kann für das Land, das kann für die Bundesrepublik Deutschland nicht falsch sein. Und deshalb hoffen wir auf das neue Jahr."
Bei Gesamtausgaben von 356,4 Milliarden Euro sind für den Etat des Kanzleramts 3,24 Milliarden Euro für 2019 eingeplant. Am Freitag soll der Bundeshaushalt, der zum sechsten Mal in Folge ohne neue Schulden auskommen soll, von den Abgeordneten endgültig beschlossen werden.
Seit 2014 gelingt es stets, dass die Ausgaben die Einnahmen nicht übersteigen - das hängt auch mit sprudelnden Steuereinnahmen zusammen. Wegen der guten Einnahmesituation gibt es massive Kritik, dass Union und SPD die Bürger nicht stärker durch Steuersenkungen oder die Abschaffung des Solidaritätsbeitrags entlasten. Trotz laufender Tilgung liegt die Schuldenlast immer noch bei rund zwei Billionen Euro - pro Kopf sind das rund 26.520 Euro. Neben Entlastungen bei Krankenkassenbeiträgen und Rentenverbesserungen, stehen vor allem Familien 2019 im Fokus: Es wird ein Entlastungspaket von 9,8 Milliarden Euro im Jahr geschnürt. Bei den Sicherheitsbehörden und beim Zoll sind Tausende neue Stellen geplant.
Quelle: n-tv.de
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