Europäischer Unternehmerverband AEB: Handel Russland – EU weiter stark gewachsen

  30 November 2018    Gelesen: 564
Europäischer Unternehmerverband AEB: Handel Russland – EU weiter stark gewachsen

Europäische Firmen betreiben auch jenseits der Diskussion um Sanktionen weiterhin Geschäfte mit Russland. Viele tausend Firmen lassen diese starke Brücke weiter bestehen. So Dr. Frank Schauff, Generaldirektor der Assoziation des Europäischen Business (AEB), in einem Sputnik – Exklusivinterview, in dem er Bilanz für 2018 zieht.

Das Jahr 2018 nähert sich seinem Ende. Wie war es Ihrer Meinung nach für das europäische Geschäft in Russland? Könnten Sie bitte eine vorläufige Bilanz ziehen?

Das Jahr 2018 ist nicht ganz am Ende, aber es stellt sich in der Gesamtschau gemischt dar. Wenn wir uns auf die allgemeine Statistik zuerst beziehen, muss man natürlich sagen, dass der Handel zwischen Russland und der Europäischen Union weiterhin stark gewachsen ist. Die Schwäche des Handels, die wir in den Jahren 2014-2016 hatten, ist weitgehend überwunden.

Wir sehen auch, dass in bestimmten Bereichen der Markt, zum Beispiel bei Investitionsgütern, sehr stark gewachsen ist. Wir machen eine Statistik für den russischen Baumaschinenmarkt, wo wir einen Zuwachs von 24 Prozent in den ersten drei Quartalen dieses Jahres im Vergleich zum Vorjahr sehen konnten. Und in anderen Bereichen, zum Beispiel auf dem Automobilmarkt, gibt es durchaus Wachstum. Ich höre allerdings von verschiedenen Seiten, dass im Bereich der Bauwirtschaft, aber auch des Einzelhandels und der Konsumgüter, sich die Lage nicht so positiv darstellt, was zum großen Teil mit der Entwicklung der Reallöhne in Russland zu tun hat und mit der Vorsicht der russischen Konsumenten.

Wie fühlen sich heute die europäischen Automobilhersteller in Russland? Jörg Schreiber, Leiter des AEB-Autoherstellerkomitees, zeigte sich am Jahresanfang 2018 mit den Ergebnissen 2017 zufrieden. Zugleich konnte er keine Prognose für das Jahr 2018 abgeben — und das erstmals seit Bestehen — wegen der Recycling-Gebühr. Wurde dieses Problem gelöst?

Na ja, in der Tat, bei unserer traditionellen Jahrespressekonferenz der Automobilhersteller wurde keine Prognose für das laufende Jahr abgegeben. Das hat damit zu tun, dass die Hersteller die Rahmenbedingungen für den russischen Automobilmarkt unklar fanden, weil die Recycling-Gebühr für 2018 noch nicht festgelegt worden war. Das Problem ist dann im Laufe des Jahres behoben worden, und die Prognose geht nun von einem Zuwachs des Marktes um zehn Prozent aus. Wenn wir die Statistik anschauen, so ist im Oktober der Markt um 8,2 Prozent gestiegen. Das heißt, bis zum Jahresende können wir auf zehn Prozent Wachstum kommen. Dabei muss man allerdings feststellen, dass verschiedene Segmente sich unterschiedlich entwickeln.

In welchen Branchen, außer Automobilherstellung, sind heute die europäischen Unternehmen besonders aktiv, wie sind die Pläne der europäischen Wirtschaft auf dem russischen Markt?

Europäische Unternehmer sind in vielen Branchen unterwegs: beispielsweise der Energiebereich, der Konsumgütermarkt, im Finanzbereich, Versicherungen, Pharmaindustrie. Wir sind, wenn man sich unsere Mitgliedschaft ansieht, breit aufgestellt, über verschiedene Branchen hinweg. In erfolgreichen Bereichen ist die Stimmung gut. Im Einzelhandel ist die Stimmung nicht so gut. Wenn wir über die Pläne reden, haben die US-amerikanischen Sanktionen hier Schwierigkeiten hervorgerufen, weil damit die Unsicherheit in Bezug auf die Investitionen auf dem russischen Markt gestiegen ist. 

Das führt zur Frage, wie sich die Sanktionen auf konkrete Investitionsentscheidungen auswirken?

Seit August 2017 sehen wir eine politische Entwicklung, die dazu geführt hat, dass die USA zunehmend Sanktionsentscheidungen getroffen haben, die nicht mit den Europäern abgestimmt, sondern auch zum Teil gegen den Willen der Europäer getroffen worden sind. Die damit verbundenen rechtlichen Unsicherheiten führen dazu, dass die europäischen Firmen, was die Investitionsentscheidungen angeht, im Moment zurückhaltend sind.

Vor kurzem hat die AEB eine Erklärung zur Legalisierung von Parallelimporten abgegeben. Das könne zur Verringerung der Auslandsinvestitionen führen, hieß es. Worin besteht das Problem?

Es handelt sich um die viel diskutierte Legalisierung von Parallelimporten nach Russland beziehungsweise in die Eurasische Wirtschaftsunion. Wenn nichtautorisierte Importeure Waren ohne Genehmigung von Herstellern einführen, können sie nicht zertifiziert werden. Dann entstehen technische Schwierigkeiten, weil die Garantie nicht übernommen wird. Wenn man über pharmazeutische Erzeugnisse redet, kann man nicht sicher sein, dass die Medikamente richtig gelagert worden sind. Auf den Markt können kontrafaktische, gefälschte Waren kommen. In der Europäischen Union hat vor zwanzig Jahren eine ähnliche Diskussion stattgefunden. Die EU hat ganz bewusst die Entscheidung gegen die Legalisierung von Parallelimporten getroffen, um die eigene industrielle Basis zu stärken und die Hightech-Industrie weiter zu entwickeln. Europa hat auch deshalb eine der konkurrenzfähigsten Industrien weltweit.

Wie reagiert die russische Regierung auf Bedenken der europäischen Wirtschaft?

Wir besprechen die Frage von Parallelimporten schon seit ungefähr zehn Jahren. Diese Diskussion taucht immer wieder auf, auch beim jüngsten Rat der Eurasischen Wirtschaftsunion. In der russischen Regierung gibt es unterschiedliche Meinungen dazu. Wir haben unsere Position dazu kundgetan.

Rund 20 Top-Manager von Unternehmen wie Siemens, Volkswagen und Knauf kamen am 1. November im Kreml zusammen. Bei ihrem Treffen mit Präsident Putin wurde betont, dass trotz aller Krisen und Konflikte das Geschäftswesen das stärkste Bindeglied zwischen Russland und Deutschland beziehungsweise der Europäischen Union sei. Welche Perspektive sehen Sie als AEB-Chef in diesem Zusammenhang für das Jahr 2019?

Es ist ganz klar, dass die europäischen Firmen auch jenseits der Diskussion um die Sanktionen weiterhin Geschäfte mit Russland machen. Es sind viele tausend Firmen, über die wir hier reden. Es gibt viele kleine mittelständische, aber auch große Unternehmen, die weiterhin mit Russland arbeiten. Es ist nicht so, wie es manchmal aus der Presseberichterstattung hervorgeht, dass diese Tätigkeit einer dramatischen Entwicklung unterliege. In der Tat ist es so, dass die Firmen weiterhin mit Russland arbeiten wollen, und daher gehe ich davon aus, dass diese starke Brücke zwischen Europa und Russland, dieses starke Bindeglied weiterhin bestehen bleibt.

sputniknews


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