Schon die Überschrift macht klar, was die Willkommenskultur der Kanzlerin ausgelöst habe: „Germany on the Brink“ (Deutschland am Rande des Abgrunds) konstatiert Kolumnist Douthat. Wer denke, dass eine alternde, säkularisierte, und dadurch sehr homogene Gesellschaft einfach friedlich eine Migration von derartiger Größe und kulturellem Unterschied absorbieren könne, dem prophezeit Douthat beste Karriereaussichten als zukünftigem Sprecher der deutschen Regierung. Gleichzeitig sei man dann aber ein Narr.
Denn eine solche Transformation verspreche eine zunehmende Polarisierung zwischen Neuankömmlingen und Einheimischen. Um diese Konflikte zu verhindern, müsse Deutschland seine Grenzen für Flüchtlinge jetzt schließen und mit der geordneten Abschiebung von körperlich gesunden jungen Männern zu beginnen. Zudem sei es an der Zeit, so Douthat, die Illusion aufzugeben, dass Deutschland die Sünden der Vergangenheit mit einem unverantwortlichen Humanismus zu sühnen.
Welche Konsequenzen die Zwischenfälle von Köln haben sollten, macht Douthat am Ende seiner Kolumne klar: „Es bedeutet, dass Angela Merkel gehen muss – damit ihr Land und der Kontinent, den es umfasst, es vermeiden kann, einen zu hohen Preis für ihre gutgemeinte Torheit zu bezahlen.“
Mit seiner Forderung nach einem Rücktritt hat der Gastautor in der „New York Times“ eine Diskussion angefacht, die im Ausland längst die Medien beschäftigt.
So betrachten die Amerikaner mit wachsender Sorge die Stimmung jenseits des Atlantiks. „Das Pendel schlägt um“, schreibt zum Beispiel die „Los Angeles Times“ über die Lage in Deutschland. Von einem „Test“ für die Kanzlerin schreibt das angesehene Magazin „New Yorker“.
Das Thema der deutschen Flüchtlingspolitik gewinnt so plötzlich auch in der Vorwahlkampfdebatte der USA, die seit Jahren über den richtigen Umgang mit Einwanderung streiten, eine ungeahnte Brisanz. So nannte der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump die Bundesrepublik in den vergangenen Wochen mehrfach als ein abschreckendes Beispiel dafür, was passiert, wenn man zu viele fremde Menschen ins eigene Land lässt. „Schaut euch an, was in Köln geschah“, rief er am Wochenende bei einem Wahlkampfauftritt in Iowa: „Die erschütternden Verbrechen, die Silvesternacht, die Vergewaltigungen und das gesamte Gemetzel.“ Es sind schrille Sätze, die selbst in den USA nicht unwidersprochen bleiben.
So veröffentlichte die „Washington Post“ am Wochenende einen Meinungsbeitrag, der sehr anerkennende Worte für Merkel fand und sie sie als „wichtigste Anführerin in Europa“ bezeichnete. Auch die „New York Times“ stellte dem Stück von Ross Douthat eine eigene Sichtweise gegenüber, die die Neujahrsansprache der Kanzlerin als eine Rede pries, „die alle in Europa beachten sollten“. Doch das Bild der unanfechtbaren und über alle Kritik erhabenen Kanzlerin, die vom US-Magazin Forbes erst im November abermals zur mächtigsten Frau der Welt gewählt worden war, hat im Ausland inzwischen deutliche Risse bekommen.
So ist Douthat mit seiner Rückzugs-Vorhersage nicht allein. Die britische „Financial Times“ gab Ende Dezember in einem pointierten – und nicht immer völlig ernstgemeinten – Jahresausblick auf das Jahr 2016 ebenfalls eine bemerkenswerte Prognose auf die selbstgestellte Frage, ob Merkel Ende des laufenden Jahres noch Kanzlerin in Deutschland sein werde. Die Antwort des renommierten Blattes lautete: Nein. Die Briten halten es für wahrscheinlich, dass es im Laufe des Jahres angesichts von anhaltend hohen Flüchtlingszahlen zur Rebellion gegen die CDU-Politikerin kommen wird.
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