Die USA scheinen mit der unveränderten deutschen Position zu Nord Stream 2 trotz der EU-Resolution unzufrieden zu sein. Unlängst rief das US-Außenministerium Deutschland erneut dazu auf, auf die Sorgen der Nachbarn zuzugehen und das „politische“ Projekt zu annullieren. Kurz zuvor verabschiedete der Kongress „eine richtige“, extra dem Projekt gewidmete Resolution. In dieser ermahnen die USA die EU-Länder und drohen deren Unternehmen im Falle der Zuwiderhandlung mit potenziellen Strafen. Auf diese Einmischung in die souveränen Angelegenheiten reagierte Deutschland bisher mit Schweigen.
„Eindämmung der Gegner Amerikas“
Es geht dabei um das Gesetz „Countering America's Adversaries Through Sanctions Act“ (CAATSA) – zur Eindämmung der Gegner Amerikas durch Sanktionen. Damit bestrafen die USA seit August 2017 die Länder, die vor den US-Interessen nicht einknicken. Dazu gehören die Akte „Über die iranischen Destabilisierungsaktivitäten“, Über „den russischen Einfluss in Europa und Eurasien” und „Über die Modernisierung der Nordkorea-Sanktionen“. Die Unternehmen, die trotz des US-Verbots ihre Zusammenarbeit mit den betroffenen Ländern in bestimmten Sektoren fortführen, werden von den USA wirtschaftlich bestraft.
Erstes Opfer war der Iran. Nach der einseitigen Auflösung der Wiener Nuklearvereinbarung über das iranische Atomprogramm durch die USA im Mai 2018 verkündete US-Präsident Donald Trump Anfang November „die härtesten Sanktionen seit jeher“, die die Ölexporte des Iran rigoros beschränken sollen. Laut US-Außenminister Mike Pompeo verließen bereits mehr als 100 große internationale Unternehmen inklusive aller europäischen Konzerne wie die französische Total oder die deutsche Wintershall den iranischen Markt aufgrund der US-Sanktionen.
Das Forschungsunternehmen IHS Markit bewertete die Verluste des Iran auf ein Drittel im Vergleich zu den Ölexporten des Vorjahres. Die EU weigerte sich, eigene Sanktionen gegen den Iran zu verhängen, aber warnte ihren transatlantischen Partner nicht vor den gefährlichen Folgen der geopolitischen Isolierung und wirtschaftlichen Schwächung des Iran.
Anfang September traten die CAATSA-Sanktionen gegenüber Russland in Kraft. Wegen der Androhung der US-Sanktionen weigerten sich laut Reuters-Informationen die philippinischen Behörden, russische Hubschrauber zu kaufen, obwohl diese zum niedrigsten Preis angeboten wurden. US-Banken hätten dafür kein Geld geliehen. So sollte sich das Land stattdessen um 16 UH-60 Black Hawk-Mehrzweckhubschrauber der amerikanischen Sikorsky Aircraft Corp bewerben.
Zuvor fiel auch China unter die Sanktionen – der erste Staat, der russische Su-35-Kämpfer beschaffte. Aufgrund der Sanktionen verschob Indonesien den Ankauf von russischen Flugzeugen mit einem Auftragswert von rund 1,15 Milliarden US-Dollar. Nun überlegt sich die indonesische Luftwaffe, ob sie US-Luftausrüstung kaufen muss. Dass die USA von den Sanktionen nicht nur politisch profitieren wollen, beweist die Tatsache, dass sogar der russische Hersteller ziviler Flugzeuge Sukhoi Superjet 100 auf die Sanktionsliste kam.
„Entscheidung über Nord Stream 2 ist Frage der Souveränität”
Dass die US-Einmischung in die EU-Angelegenheiten Deutschland erst jetzt spaltet, bestätigen polarisierte Stellungnahmen deutscher Politiker, obwohl alle Genehmigungen zum Projekt Nord Stream 2 schon längst erteilt wurden. „Warum sollten wir Putin mehr Macht über Europa geben?“, erklärt Richard Grenell, US-Botschafter in Berlin. Und vergisst zu erwähnen, wie viele Arbeitsplätze das Projekt bringen würde – obendrein zu niedrigeren Gaspreisen.
Selbst wenn die Bundesregierung jahrelang behauptet hatte, das Projekt sei ein unternehmerisches Vorhaben, geraten nun einzelne Politiker erneut ins Schwanken. Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, mahnt nun gegenüber dem „Handelsblatt“, die Nord-Stream-2-Investoren müssten sich angesichts der politischen Lage fragen, ob sie nicht besser aussteigen sollten. „Sorgen unserer Nachbarn ernst zu nehmen, sollte immer ein Wesensmerkmal deutscher Außenpolitik sein”, betont Hardt. Dass Amerika durch Druck sein eigenes Gas nach Europa verschiffen und Russland Marktanteile abnehmen will, scheint kein Thema für ihn zu sein.
Im Gegensatz dazu scheint die Äußerung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gegenüber Reuters ein Schritt zur klaren außenpolitischen Souveränität Deutschlands zu sein. Er wolle den Forderungen der USA, der Ukraine und aus seiner Partei, Nord Stream 2 zu stoppen, nicht einfach folgen. Auch der Staatssekretär im Außenamt, Andreas Michaelis, tut das nicht. Er möchte nicht, dass europäische Energiepolitik in Washington definiert werde, denn bei den Energieversorgern seien „Kerninteressen“ berührt. Die Entscheidung über Nord Stream 2 sei „eine Frage der Souveränität”, so Michaelis.
US-Politik zur Spaltung von Europas Position zu Nord Stream 2 wird schärfer
Am 11. Dezember hatte das US-Repräsentantenhaus einstimmig beschlossen, dass Präsident Donald Trump im Rahmen des CAATSA-Gesetzes Geldbußen in Milliarden-Höhe gegen jedes an Nord Stream 2 beteiligte Unternehmen verhängen darf. Das Dokument könnte im kommenden Jahr in Kraft treten. Sollten einzelne Konzerne aus Angst vor Strafen in den USA aussteigen, würde Russland vermutlich versuchen, die Finanzierung alleine zu übernehmen. Getragen wird Nord Stream 2 von den europäischen Energieunternehmen Uniper, Wintershall, OMV und Shell und hat unter anderem Finanzierungsvereinbarungen mit der französischen Engie SA und der holländischen Royal Dutch Shell Plc.
Es wäre an der Zeit, die Diskussionen um Nord Stream 2 zu beenden und weiteren Sabotageaufrufen der USA angesichts der kommenden Strafen für europäische Konzerne vorzubeugen. Aber es ist wie es ist. Laut dem Leiter des Zentrums für Geopolitik am Institut für innovative Entwicklung, Dmitri Rodionow, werden die USA ihre Politik der Spaltung von Europas Position zu dem Projekt fortsetzen. Diese werde sich verschärfen, hätte Außenminister Mike Pompeo versprochen, wobei die USA mit Hilfe der Ukraine agieren würden. Er sei sich sicher, dass der Vorfall in der Straße von Kertsch nur der Anfang sei. Eine weitere Verschärfung des Ukraine-Konfliktes käme für Washington ebenfalls in Frage, so Rodionow.
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