Von Chancen und Risiken der türkischen Militärpräsenz in Katar – Neu alte Schutzmacht mit Verantwortung

  14 Januar 2016    Gelesen: 1028
Von Chancen und Risiken der türkischen Militärpräsenz in Katar – Neu alte Schutzmacht mit Verantwortung
Der französische Diplomat Olivier Decottignies und der Leiter des Türkei-Forschungsprogramms des Think Tanks, Soner Çağaptay, haben für das Washington Institut die Implikationen der künftigen türkischen Militärbasis in Katar analysiert.
Die Präsenz in der Golfmonarchie, die ein Vorbild in der französischen Militärbasis in den Vereinigten Arabischen Emiraten sowie in der britischen Militärpräsenz in Bahrain hat, macht die Türkei zum Teil einer elitären Gruppe mächtiger Länder, die in der Lage sind, einen bedeutsamen Einfluss auf die regionalen Verhältnisse auszuüben. Gleichzeitig aber birgt die exponierte Position aber auch das Risiko in sich, in weitere regionale Konflikte involviert zu werden, beispielsweise in jenen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien.

Dass sich die Verbündeten der USA in der Region zunehmend selbsttätig um bi- und multilaterale Beistandsabkommen bemühen, ist ein Signal gegenüber der Nato, dass man zunehmend bereit ist, sich eigenständig um die Wahrung der Sicherheitsinteressen vor Ort zu kümmern, zudem ist recht eindeutig zu erkennen, dass die Furcht vor einem in der Region zunehmend machtvoller agierenden Iran hinter diesen zunehmenden Vernetzungsbemühungen steht.

Katar hat historisch gesehen der Beibehaltung der Präsenz einer osmanischen Militärpräsenz auch nach der Erringung der Autonomie vom Osmanischen Reich 1893 zu verdanken, dass eine Vereinnahmung des Scheichtums durch Großbritannien oder dem ebenfalls wahhabitisch geprägten Saudi-Arabien in weiterer Folge der Kriegswirren und Umstrukturierungen der Region unterblieb.

Die Türkei und Katar verbanden bereits seit dem Regierungswechsel in Ankara 2002 gemeinsame Ziele in der Nahostpolitik. Auch auf die Gefahr hin, die Regierungen der betroffenen Länder oder den für beide Länder bedeutsamen Schlüsselpartner Saudi Arabien vor den Kopf zu stoßen, unterstützte man den Muslimbrüdern nahe stehende Bewegungen in Ägypten, Syrien und auch in Palästina, wo es der Hamas gelang, die Autorität der Palästinensischen Autonomiebehörde zu unterminieren. In Syrien konnte erst das russische Eingreifen den Vormarsch der Rebellen nachhaltig stoppen.

Derweil haben auch nichtwestliche Staaten ihre Interessenssphären in der Region abgesteckt und entsprechende strategische Bündnisse geschlossen. Die Russische Föderation hat Basen in Latakia und Tartus errichtet, China wickelt eine Reihe von kommerziellen Transaktionen über den unweit des Persischen Golfs gelegenen pakistanischen Hafen Gwadar ab.

Die USA verlagern hingegen ihren Interessensschwerpunkt zunehmend weg vom Nahen Osten und hinein in den Pazifischen Raum. Der Iran ist seit dem Atomabkommen kein Grund mehr für ein Engagement, die Versuche, durch Militärinterventionen Länder wie den Irak zu stabilen Demokratien zu machen, sind gescheitert. Während Teheran für die USA selbst keine akute Bedrohung mehr darstellt, blicken die Golfmonarchien umso argwöhnischer auf die Islamische Republik.

Dies schafft auch für die Türkei eine Reihe von Risiken, die nicht bestanden hatten, als Ankara und Teheran nur Nachbarn waren, die seit dem frühen 17. Jahrhundert keinen direkten Krieg mehr miteinander ausgefochten hatten. Sollten die Spannungen zwischen Saudi Arabien und dem Iran eskalieren, lägen die türkischen Truppen in Katar jedoch in der Reichweite iranischer Raketen und es gibt ja noch diesen militärischen Beistandspakt mit Katar im Falle eine Angriffs auf das Golfemirat.

Teheran, das die türkischen Ambitionen in Syrien bis dato eher sportlich betrachtet hatte, dürfte in der Errichtung der türkischen Basis bei Doha einen feindseligen Akt sehen, und auch die sich abzeichnende Normalisierung des türkischen Verhältnisses zu Israel wird dem Klima zwischen der Türkei und dem Iran nicht guttun.

Die Beistandspflicht gegenüber Katar, die Militärbasis und die Präsenz von 3000 Soldaten im Scheichtum könnte, wie es in einer 2013 erschienenen britischen Studie heißt, „groß genug, um uns in Schwierigkeiten zu bringen“, sein, aber „zu klein, um uns aus sich abzeichnenden Schwierigkeiten herauszuhalten“. Die USA, die ihr eigenes Militärkommando in Katar unterhalten, sitzen mit der Türkei in diesem Zusammenhang jedoch in einem Boot – auch wenn das Nato-Statut sich nicht territorial auf die Golfmonarchien erstreckt. Dies könnte der Türkei in Fällen drohender Eskalationen eine gewisse Garantie geben, nicht alleine deren möglichen Folgen ausgesetzt zu sein.

Militärisch überwiegen für die Türkei dennoch die Chancen, die aus dem Abkommen mit Katar entstehen. Es gibt zwar noch keinen exakten Plan, welche türkischen Einrichtungen wann in die Golfmonarchie verlegt werden, die bisherigen französischen Erfahrungen in Abu Dhabi lassen jedoch jetzt schon Rückschlüsse dahingehend zu, wie die Basis insbesondere für den Einsatz gegen die Terrormiliz Daesh (IS) zu einem wichtigen Ausgangspunkt für Militärschläge werden kann. Frankreich hat auch sein Kommando für die Seestreitkräfte im Indischen Ozean (ALINDIEN) und einen wesentlichen logistischen Unterstützungspunkt für Marineoperationen im Persischen Golf und im Indischen Ozean dort errichtet, die auch im Kampf gegen die Piraterie am Horn von Afrika genutzt werden – einem Einsatz, an dem auch die Türkei beteiligt ist.

Frankreich hatte aber auch durch das Abkommen mit den VAE die Möglichkeit bekommen, eine logistische Plattform für den Rückzug aus Afghanistan zu nutzen und gleichzeitig die Kriegsführung in der Wüste und im urbanen Bereich zu üben. Darüber hinaus testet die französische Armee auf der Basis auch Militärhardware und technologische Entwicklungen.

Auch die türkische Basis in Katar wird Komponenten für Armee, Marine, Luftwaffe und Spezialkräfte ebenso umfassen wie Ausbilder für die katarische Armee. Ankara wird seine selbst entwickelte Militärhardware austesten und auch den Verkauf von Altay-Panzern, selbstgelenkte Firtina-Haubitzen und weitere Erzeugnisse der türkischen Rüstungsindustrie pushen. Auch verfügt die Türkei damit erstmals über ein Trainingsgelände in der Wüste und einen möglichen Ausgangs- oder Dreh- und Angelpunkt für die Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika oder Operationen im Persischen Golf, Indischen Ozean oder Arabischen Meer. Auch mit Blick auf mögliche Übersee-Einsätze, die eines Tages auch für die türkischen Streitkräfte ein Thema werden könnten, erscheint die Basis als hilfreich. Darüber hinaus kehrt die türkische Marine auf diese Weise erstmals seit den 1550er Jahren wieder an den Indischen Ozean zurück, wo man damals noch erfolglos gegen die portugiesische Dominanz auf den Weltmeeren ankämpfte.

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