Im englischen Sprachgebrauch gibt es in der Politik den Begriff "Brinkmanship". Abgeleitet ist dieser vom Wort "brink", was "Rand eines Abgrunds" bedeutet. Gemeint ist damit ein gewagtes Spiel von Politikern, wenn sie ihre Ziele durchzusetzen versuchen, indem sie ihren Gegnern drohen, sie mit in den Abgrund zu reißen, sollten sie nicht nachgeben.
Ähnliches hat auch US-Präsident Donald Trump mit dem jüngsten Regierungs-"Shutdown" versucht: Um seine 5,7 Milliarden Dollar für den Bau einer Mauer zu Mexiko zu bekommen, drohte er den Demokraten als seinen Gegenspielern, sie mit in den Abgrund zu ziehen. 800.000 Bundesbedienstete wurden also in den Zwangsurlaubs geschickt oder mussten unbezahlt arbeiten. Monate oder sogar Jahre wollte Trump den Regierungsstillstand zur Not aufrechterhalten, hatte er Anfang Januar noch gedroht.
Dann wurde es langsam unangenehm für den Präsidenten. Seine ohnehin dürftigen Umfragewerte sanken mit dem sich hinziehenden Regierungsstillstand, eine Mehrheit der Bevölkerung gab zudem ihm die Schuld an dem "Shutdown". Der FBI-Direktor beklagte die eingeschränkte Handlungsfähigkeit seiner Behörde, Regierungsmitarbeiter standen bei Essensausgaben Schlange, das Wirtschaftswachstum schien gefährdet.
Der Abgrund öffnet sich
Dann begann sich der Abgrund zu öffnen: Der US-Flugverkehr geriet ins Stocken, an Flughäfen in New York sowie im benachbarten Newark und Philadelphia kam es am Freitag wegen personeller Engpässe zu erheblichen Verspätungen. Wenig später zog Trump die Notbremse. Er unterzeichnete noch am selben Abend ein Budgetgesetz, mit dem die US-Regierung für zunächst drei Wochen wieder vollständig geöffnet wurde.
Was laut Insidern vor allem den Ausschlag für Trumps Einlenken gegeben hat, war der wachsende Kontrollverlust über seine eigene Partei, berichtet die "Washington "Post". Sechs republikanische Senatoren hatten am Donnerstag für einen Gesetzentwurf der Demokraten zur Beendigung des Haushaltsstreits gestimmt. Andere sollen intern ihren Unmut über die Vorgehensweise des republikanischen Mehrheitsführers Mitch McConnell und Vizepräsident Mike Pence geäußert haben.
Trumps Taktik des "Brinkmanship" ist damit fürs Erste gescheitert – bereits nach fünf Wochen. Es ist eine herbe Niederlage gegen die Demokraten, allen voran die Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. Diese bestanden darauf, dass sie erst über die Finanzierung einer Mauer verhandeln würden, wenn der "Shutdown" beendet wird. Nachdem sich Trump wochenlang geweigert hat, macht er nun genau das. Dabei bekommt er im Gegenzug: keinen einzigen Dollar für seinen Mauerbau.
Trump als "Schwächling" bezeichnet
Was noch Schlimmer für Trump sein dürfte: Das Image des "Dealmakers", des geschickten Verhandlers, hat durch seinen Rückzieher einen herben Kratzer erhalten. Und auch bei seiner treuen Gefolgschaft dürfte er sich damit wenig beliebt gemacht haben, schließlich ist der Mauerbau an der Grenze zu Mexiko eines seiner zentralen Wahlversprechen. Konservative schossen sich bereits auf Trump ein. Die rechtskonservative Kommentatorin Ann Coulter etwa bezeichnete Trump angesichts der Vereinbarung auf Twitter als "Schwächling". Ein Image, das Trump nicht gebrauchen kann. Denn es dürfte die Chancen auf eine Wiederwahl 2020 nicht unbedingt steigern.
Trump aber wäre nicht Trump, wenn er nicht versuchen würde, diese augenscheinliche Niederlage als Sieg zu verkaufen. Er sei stolz zu verkünden, dass es eine Vereinbarung gebe, um den "Shutdown" zu beenden, sagte Trump am Freitag im Rosengarten des Weißen Hauses. Zudem bemühte er sich zu demonstrieren, dass er weiterhin das Heft in der Hand halte: "Wie jeder weiß, habe ich eine sehr mächtige Alternative, aber ich werde sie diesmal nicht benutzen", sagte Trump und wurde dann konkreter: Wenn bis zum 15. Februar kein "fairer Deal" mit dem Kongress zustandekomme, werde es erneut einen "Shutdown" geben – oder er wolle seine Befugnis als Präsident nutzen und einen Notstand ausrufen. Auf Twitter legte er nach und betonte, dass es sich bei der Aufhebung des "Shutdowns" "in keiner Weise um ein Zugeständnis" gehandelt habe.
Das letzte Wort in der Auseinandersetzung ist also noch nicht gesprochen. Dennoch muss Trump wohl erkennen, dass sein Haudrauf-Stil einer Überarbeitung bedarf. Besonders deshalb, weil das Repräsentantenhaus nun in demokratischer Hand ist. Und er mit Nancy Pelosi eine Gegnerin hat, die ihm gewachsen ist. Auch Trump scheint das zu merken. Darauf deutet auch hin, dass er – entgegen seiner Gewohnheit – ihr bisher noch keinen herabwürdigenden Spitznamen gegeben hat. Er nennt sie einfach nur "Nancy".
Quelle: n-tv.de
Tags: