Defensive kann er nicht

  07 Februar 2019    Gelesen: 811
Defensive kann er nicht

Die Rede des US-Präsidenten offenbarte einen Widerspruch: Er braucht die Demokraten, kann aber von seiner spalterischen Demagogie nicht lassen. Ein Kommentar.

In den USA gelten neue Machtverhältnisse, das konnten die Fernsehzuschauer bei Donald Trumps Rede zur Lage der Nation in der Nacht zu Mittwoch schwerlich übersehen. Direkt hinter dem Präsidenten am Rednerpult war die Demokratin Nancy Pelosi im Bild zu sehen. Als "Speaker" des Parlaments leitete sie die Sitzung der beiden Kongresskammern, vor denen der Präsident in den ersten Wochen des Jahres spricht.

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An ihren Reaktionen - wann sie klatschte, wann sie den Applaus verweigerte oder gar missbilligend die Augen verdrehte - war sofort abzulesen, bei welchen Vorschlägen Trump auf Wohlwollen der Demokraten hoffen darf und wo er mit Ablehnung rechnen muss. Und so wie Pelosi reagierte auch die demokratische Mehrheit der Versammlung. Optisch war das leicht zu verfolgen, da die weiblichen Abgeordneten in ihren Reihen sich wie Pelosi fast alle weiß gekleidet hatten, um hundert Jahre Frauenwahlrecht zu ehren.

Das ist anders als in Trumps ersten beiden Amtsjahren: Die Opposition hat jetzt Machtpositionen und nutzt sie. Wie es mit den USA weitergeht, ob Trump 2020 eine zweite Amtszeit gewinnt oder nicht, das hängt jetzt in hohem Maße von den Demokraten ab. Also davon, ob sie ihren Einfluss weise nutzen. Oder es übertreiben mit ihren Möglichkeiten, Trump zu blockieren und mit Untersuchungsausschüssen in die Enge zu treiben.

Mit der Schließung der Regierung wollte er den Kongress zwingen, ihm Milliarden für die Grenzmauer zu Mexiko zu bewilligen. Die öffentliche Meinung wendete sich gegen ihn. Und dann stimmte eine parteiübergreifende Mehrheit aus Republikanern und Demokraten im Senat gegen seinen Plan, rasch US-Truppen aus Syrien und Afghanistan abzuziehen.

In der Rede beharrte er darauf, dass er die Mauer bauen werde, mit oder ohne Zustimmung des Parlaments. Rund ein Fünftel der Zeit verwandte er darauf, seine Gräuelgeschichten über die Lage an der Grenze und die daraus folgenden Schäden illegaler Einwanderung für die USA in Form von Drogen und Verbrechen zu wiederholen. Die Medien bewerteten viele dieser Behauptung im "Fact Checking" erneut als Lügen. Doch die Drohung, den Notstand auszurufen, wiederholte Trump nun nicht mehr.

So offenbarte die Rede einen zentralen Widerspruch in Trumps Umgang mit der neuen Lage. Er weiß, dass er um Kooperation werben muss, da er seine Vorhaben nur mit und nicht gegen die Demokraten durch den Kongress bringt. Aber er möchte von seiner spalterischen Demagogie nicht lassen. Die hat ihn wider alle Erwartungen ins Weiße Haus gebracht.

tagesspiegel


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