"Heils Grundrente ist eine Respektlosigkeit"

  09 Februar 2019    Gelesen: 903
"Heils Grundrente ist eine Respektlosigkeit"

Die Junge Union (JU) wählt in wenigen Wochen einen neuen Vorsitzenden. Um den Posten bewirbt sich der thüringische Landtagsabgeordnete Stefan Gruhner. Mit n-tv.de spricht er über das Auftreten der CDU, einen Fehler von AKK, die Pläne der SPD und weshalb im Herbst eine Zukunftsfrage zur Entscheidung ansteht.

n-tv.de: Nach der Beförderung von Paul Ziemiak zum CDU-Generalsekretär ist der Vorsitz der Jungen Union vakant. Sie sind bundespolitisch bislang kaum in Erscheinung getreten und bewerben sich jetzt. Sie sind seit vielen Jahren JU-Chef in Thüringen, waren Referent der Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht und sitzen im Erfurter Landtag. Wird Ihnen Thüringen zu klein?

Stefan Gruhner: Die Stärke unserer Republik liegt in der Vielfalt unserer Regionen und nicht in der Berliner Käseglocke. Deshalb glaube ich, dass es ein Vorteil ist, wenn aus den Ländern junge, selbstbewusste Politiker auf der Bundesebene mitmischen. Gerade in diesem Jahr mit drei ostdeutschen Landtagswahlen will ich meine Erfahrung in der Auseinandersetzung mit der AfD und einem linken Ministerpräsidenten in Thüringen einbringen. Wir haben doch mittlerweile die Situation, dass die Demokratie von rechten und linken Populisten zerrieben wird. Die JU muss hier mit Kraft und Besonnenheit auftreten.

Gegenwärtig sieht es so aus, als würde es auf dem Sonder-Deutschlandtag der Jungen Union im März einen Gegenkandidaten für Sie geben. Sie selbst werden im Oktober - mit Verlaub - bereits 35 und könnten keine zweite Amtszeit antreten. Damit ist klar: Sie wären nur eine Übergangslösung. Weshalb sollten die Delegierten Sie dennoch wählen?

Wenn man klare Ziele hat, kann man in zwei Jahren viele Akzente setzen. Ich verstehe dies als Sprint-Vorsitz, der auf hohe Dynamik ausgerichtet ist, und es geht darum, für die Mitglieder zu liefern. Die Frage, ob wir es schaffen, linke und rechte Populisten zu besiegen, wird in diesem Jahr entschieden. Das ist eine zentrale Zukunftsfrage auch für meine Generation. Ich stehe in Thüringen an der Frontlinie in der Auseinandersetzung mit Linke und AfD. Das kann für die JU ein Gewinn sein, wenn man diese Erfahrung einbringt.

Sie sind Mitglied einer schlagenden Verbindung. Muss eine CDU - auch getrieben von einer JU unter Ihrem Vorsitz –-wieder konservativer werden?

Bei Fragen der Inneren Sicherheit und des Patriotismus habe ich eine klar konservative Haltung. In Fragen der Gesellschaftspolitik würde ich mich eher als liberal bezeichnen. Ich stehe dazu, dass ich Mitglied einer Verbindung bin. Das ist für mich ein Ort, wo aufgeklärter Patriotismus gelebt wird. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat Recht, wenn er anlässlich des Gedenkens an 100 Jahre Weimarer Verfassung sagt, wir dürfen Schwarz-Rot-Gold nicht rechten Populisten überlassen, sondern müssen selbstbewusst sagen: "Das sind die Farben unserer Demokratie."

Vor einigen Tagen haben Sie mit einem Interview den Wahlkampf um den JU-Vorsitz eröffnet. Sie forderten eine Überprüfung der Arbeit der Großen Koalition und schlossen auch ein Ende der Koalition mit der SPD nicht aus. Was läuft falsch in Berlin?

Es ist mein Anspruch, dass die JU stärker Stachel im Fleisch der Großen Koalition sein muss. Wir müssen uns die Frage stellen: Leistet die Koalition genug für die junge Generation? In der Rentenpolitik findet seit einigen Jahren eine Umverteilung zulasten der jungen Generation statt. Kommen wir zur Halbzeit der Koalition zu der Überzeugung, dass sie eine Belastung für die jüngere Generation ist, dann sollten wir die Frage stellen, ob es sinnvoll ist, diese Koalition fortzusetzen.

CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer denkt darüber nach, die Revisionsklausel im Koalitionsvertrag zu nutzen und eigene Ziele zu formulieren. Welche Ziele sollten das sein?

Wir brauchen mehr Union und weniger SPD in dieser Koalition. Wenn unter einer CDU-geführten Bundesregierung die Bundeswehr katastrophal ausgestattet ist und wir nicht in der Lage sind, gegenüber der SPD ein Zwei-Prozent-Ziel zur Finanzierung durchzusetzen, dann treibt dies viele konservative Wähler auch von uns weg. Eine Kurskorrektur erwarte ich auch in der Frage der Dieselfahrverbote. Wir müssen gegenüber der SPD durchsetzen, dass die Grenzwerte überprüft werden, und sehr deutlich machen, dass wir uns nicht von der Deutschen Umwelthilfe diktieren lassen, wie in Deutschland Politik gemacht wird. Ich erwarte, dass sich die GroKo jetzt einigt, dass sie an Zukunftsthemen arbeitet wie Digitalisierung, Bildung und keine Sozialromantik der 80er Jahre betreibt.

Nun hat die SPD zuletzt relativ viele Ideen zum Thema Sozialpolitik präsentiert. Wie geht die Junge Union damit um?

Ich habe das Gefühl, dass die SPD in den neuen Bundesländern die Wähler kaufen will, indem sie populistische Wahlversprechen macht. Ich bin aber der Überzeugung, dass sich die Wähler im Osten nicht kaufen lassen. Die Grundrente, wie sie Arbeitsminister Hubertus Heil vorgeschlagen hat, ist keine Respektrente, sondern eine Respektlosigkeit gegenüber der jungen Generation. Alles, was die SPD jetzt auf den Tisch legt, ist eine riesengroße Hypothek für die Zukunft Deutschlands. In der Rentenkommission der Regierung, die bis Ende 2020 Vorschläge machen soll, sitzt im übrigen kein einziger Vertreter der jungen Generation. Da entscheiden nur Leute über die Zukunft der Rente, die die Lasten selbst gar nicht schultern müssen. Das ist schlechter Stil.

Womit sollte CDU noch in den anstehenden Wahlen punkten?

Ein Thema ist: Wie gehen wir mit dem ländlichen Raum und mit strukturschwachen Regionen um? Der Staat darf sich nicht aus der Fläche zurückziehen. Bayern hat mit der Heimatstrategie eine sehr gute Strategie aufgelegt und etwa Behörden bewusst in den ländlichen Raum verlagert und so Strukturpolitik betrieben. Ferner geht es um den Breitbandausbau. Und schließlich brauchen wir hier im Osten die klare Abgrenzung der Union gegenüber AfD und Linke. Bei Debatten über Koalitionsspielereien mit AfD und Linke muss die JU auf die Barrikaden gehen.

Sie kritisieren die CDU auf Bundesebene heftig. Vor dem Parteitag im vergangenen Dezember sagten Sie zu verschiedenen E-Mails von Parteimitgliedern, die für Friedrich Merz warben, es störe Sie, "dass die bisherige Arbeit der CDU so negativ beschrieben wird". Hatten die Kritiker doch Recht?

Mein Credo ist, harte Kritik in konkreten Sachfragen ja, aber keine Pauschalkritik an der ganzen Partei. Aber richtig ist, dass wir bei einzelnen Fragen wie etwa der Rentenpolitik deutliche Korrekturen brauchen. Wir brauchen als Partei eine breite Aufstellung und dazu gehören Leute wie Friedrich Merz und Jens Spahn. Ich fand es übrigens despektierlich, als die neue Parteivorsitzende sagte, sie habe am Kabinettstisch durchgezählt und festgestellt, es gebe keinen Platz. Volkspartei macht aus, dass wir die Breite der Themen auch mit Personen abdecken. Ich wünschen mir, dass wir diese Breite personell auch unter der neuen Führung deutlicher machen.

Zusammenfassend lässt sich also sagen: Sollte die Bundespartei ihren bisherigen Kurs fortsetzen, werden als JU-Vorsitzender beim Parteitag im Herbst eine Ende der GroKo fordern?

Also wenn sich etwa Herr Heil mit seinen Plänen durchsetzen würde, dann müsste das aus meiner Sicht zur Folge haben, dass die Junge Union der GroKo das Vertrauen entzieht. Das ginge dadurch, dass man etwa auf einem Bundesparteitag als JU den Antrag stellt, diese Koalition zu beenden. Wir müssen auch deutlich machen, dass die Union diese Regierung führt und nicht nur SPD-Politik umgesetzt.

Sie nähmen damit in Kauf, der Junge-Union-Chef zu sein, der die Ära von Angela Merkel beendet. Viel öffentlichen Applaus wird Ihnen das in der Union nicht bringen.

Die Ära Merkel hat Angela Merkel würdevoll und selbstbewusst selbst beendet, in dem Sie gesagt hat, sie gibt den Parteivorsitz zurück und sie tritt nicht mehr als Bundeskanzlerin an. Insofern braucht es niemanden, der diese Ära beendet.

Das klingt nicht so, als würden sie sich nach der Zeit als JU-Chef wieder nur um Ihr Landtagsmandat kümmern. Wohin soll es für Sie gehen?

Zunächst würde ich mich sehr darüber freuen, für die Mitglieder der Jungen Union und unsere Themen als Vorsitzender kämpfen zu dürfen. Das steht jetzt im Mittelpunkt und ansonsten gilt, dass ich mit Leidenschaft Landtagsabgeordneter bin.

Mit Stefan Gruhner sprach Jürgen Wutschke.

Quelle: n-tv.de


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