Wie der Brexit den Swexit verhindert hat

  06 April 2019    Gelesen: 872
Wie der Brexit den Swexit verhindert hat

Die Briten streiten seit Monaten über den Brexit-Deal. Auch in Schweden drängten Populisten jahrelang auf einen EU-Austritt. Doch nun ist der Swexit aus ihren Programmen verschwunden.

Es war ziemlich knapp: 52,3 Prozent der schwedischen Wähler hatten sich in einem Referendum im November 1994 für den Beitritt zur Europäischen Union ausgesprochen. Nur wenige Wochen später, am 1. Januar 1995, wurde Schweden dann Mitglied.

Schon damals sperrte sich die Linkspartei dagegen - und forderte noch im Wahlkampf 2018, dass Schweden die EU wieder verlässt. Eine ähnliche Position vertraten auch die rechten Schwedendemokraten (SD). Sie forderten ein weiteres Referendum - dieses Mal über den EU-Austritt des Landes. Das Brexit-Chaos scheint nun bei beiden Parteien aber zu einem Umdenken geführt zu haben.

Während die Briten sich noch immer uneinig darüber sind, wie sie die EU verlassen wollen, ist Schwedens Linkspartei von ihrer Austrittsforderung abgerückt. Die Delegiertenversammlung stimmte vor Kurzem mit knapper Mehrheit dafür, dass der entsprechende Punkt aus dem Parteimanifest gestrichen wird. Stattdessen heißt es darin nun: "Es ist gegenwärtig nicht Teil unserer Politik, uns für den Austritt aus der EU einzusetzen."

Im Zuge des bevorstehenden Brexits seien immer wieder Wähler und Journalisten an die Partei herangetreten und hätten sich nach ihrer Position zu einem möglichen Swexit erkundigt, sagte Parteichef Jonas Sjöstedt der schwedischen Nachrichtenagentur TT News nach der Delegiertenversammlung. "Jetzt haben wir eine klare Antwort: Wir setzen uns nicht dafür ein, dass Schweden die EU verlässt", so der Politiker weiter. Er sei erfreut über das Ergebnis der Abstimmung. "Diese Entscheidung ist wichtig", so Sjöstedt weiter.

Die rechten SD haben in den vergangenen Monaten ebenfalls eine Kehrtwende gemacht. Noch vor den Parlamentswahlen im September vergangenen Jahres sprach sich die Partei für den EU-Austritt aus. Mehrfach war auch die Rede von einem "Swexit"-Referendum. So sagte der Parteivorsitzende Jimmie Åkesson einem schwedischen Radiosender im Sommer 2018, die EU sei nicht der richtige Weg, um in Europa zu kooperieren. Man müsse "die Bedingungen einer EU-Mitgliedschaft neu verhandeln, und dann sollten die Menschen darüber abstimmen."

Mittlerweile ist ein EU-Austritt Schwedens auch bei den Rechten kein Thema mehr. Anfang des Jahres veröffentlichte SD-Chef Åkesson in der schwedischen Zeitung "Aftonbladet" einen Gastbeitrag mit dem Titel "Darum ändern wir unsere EU-Politik". In dem Artikel schreibt der Politiker, dass er sowohl die Vor- als auch die Nachteile der heutigen EU sehe. Zwar sollten die "Bürokraten in Brüssel" nicht über Schweden entscheiden. Jetzt sei jedoch nicht die richtige Zeit, um aus der EU auszutreten. Vielmehr müsse man pragmatisch sein und die Union von innen reformieren.

"Um Ergebnisse zu erzielen, ist Kooperation nötig. Die Möglichkeiten, die EU zu reformieren, haben sich durch neue Zusammenarbeiten verbessert", schreibt Åkesson weiter und fügt hinzu, dass seine Partei Mitglied der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten im Europarlament ist. Der Fraktion gehören unter anderem auch die finnischen Rechtspopulisten "Die Finnen" und die rechte Dänische Volkspartei an.

Zu den nordischen Freunden habe man gute Beziehungen aufgebaut, schreibt Åkesson im "Aftonbladet" weiter. Nun sei es wichtig, "pragmatisch zu sein und die Möglichkeiten der EU zu nutzen." Sollte das nicht gelingen, könnte ein EU-Austritt langfristig wieder in Betracht gezogen werden.

Der Meinungswandel der SD scheint auf den ersten Blick überraschend. Schließlich verfolgte die Partei jahrelang einen europafeindlichen Kurs. Kurz nach dem Brexit-Referendum 2016 drückte sie beispielweise ihre Sympathie für die Entscheidung der Briten aus, indem sie "Rule Britannia" als Warteschleifenmusik laufen ließen. Fast drei Jahre später entwickelt sich der EU-Austritt Großbritanniens zum Desaster. Das dürfte wesentlich dazu beigetragen haben, dass die SD mittlerweile andere Töne angeschlagen hat.

Außerdem versuchen die Rechtspopulisten, sich vom extremen Image zu lösen und gemäßigt-konservativer aufzutreten. Zwar wurde die Partei bei den Wahlen im vergangenen Jahr drittstärkste Kraft, für die etablierten Parteien bleibt die SD dennoch ein Tabu. Auf Koalitionsgespräche wollte sich niemand einlassen.

Bei den Wählern könnte die Partei mit ihrem Kurswechsel punkten. Schließlich gaben 77 Prozent der Schweden beim Eurobarometer im vergangenen Oktober an, dass sie die EU für etwas Gutes halten. Das war der höchste Wert seit 2007. Nachdem nun SD und Linkspartei den Swexit aus ihren Programmen gestrichen haben, gibt es unter den großen schwedischen Parteien ohnehin keinen Befürworter mehr für einen EU-Austritt - zum ersten Mal seit Schwedens Beitritt vor 24 Jahren.

spiegel


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