Die nach den USA zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt legte im ersten Quartal binnen Jahresfrist um 6,4 Prozent zu, wie das nationale Statistikamt am Mittwoch mitteilte. Damit zog die Konjunktur genau so stark an wie Ende 2018 und einen Tick kräftiger als von Ökonomen erwartet. Auch wegen des schwelenden Handelsstreit mit den USA halten es Fachleute aber noch für zu früh, um eine Trendwende zum Besseren auszurufen. “Wir brauchen noch mehr Belege, bevor wir von einer vollständigen Erholung reden können”, sagte Jianwei Xu, Analyst bei der Bank Natixis in Hongkong. “Wir blicken immer noch vorsichtig auf die Wirtschaft.”
Die Regierung in Peking strebt für 2019 ein Wachstum von 6,0 bis 6,5 Prozent an. Was für die meisten Industriestaaten ein traumhafter Wert wäre, markiert für China das langsamste Wachstum seit rund drei Jahrzehnten. Der Zollkonflikt mit den USA schlug bereits zuletzt auf die Konjunktur durch. US-Präsident Donald Trump ist vor allem das große Handelsdefizit im Geschäft mit der Volksrepublik ein Dorn im Auge. Die Regierung in Peking versucht hier gegenzusteuern und den Unternehmen unter die Arme zu greifen. “Die Steuersenkungen scheinen ihre positive Wirkung zu entfalten”, sagte Chefökonom Thomas Gitzel von der VP Bank aus Liechtenstein mit Blick auf positive Zahlen von der Industrie und vom Einzelhandel. Das sei gerade für das schwächelnde Europa eine gute Nachricht. “Vermutlich dürften die Konjunkturimpulse aus Fernost hierzulande im zweiten Halbjahr ebenfalls zu einer Belebung der Industrieproduktion führen.”
Die Industrie-Produktion kletterte im März mit 8,5 Prozent zum Vorjahresmonat überraschend stark und damit so kräftig wie seit über viereinhalb Jahren nicht mehr. “Wir glauben nicht, dass die Stärke der Industrieproduktion nachhaltig ist”, sagte allerdings Nie Wen, Ökonom bei Hwabao Trust. Auch das Umsatzplus der Einzelhändler fiel mit 8,7 Prozent im vergangenen Monat besser aus als erwartet.
SCHWÄCHSTES WACHSTUM SEIT DER FINANZMARKTKRISE 2009
Konjunkturdaten aus China stoßen bei manchen Experten immer wieder auf Skepsis. “Die nach offizieller Lesart ausgewiesene Wachstumsrate dürfte die tatsächliche wirtschaftliche Entwicklung überschätzen”, sagte Gitzel. “Vermutlich strauchelte die Volkswirtschaft deutlich stärker.” Anders lasse sich die schwache globale Konjunktur nicht erklären. Die Botschaft des Wachstums von 6,4 Prozent im ersten Quartal sei aber deutlich: “Das Reich der Mitte wächst derzeit so schwach wie zuletzt im Nachgang der Finanzmarktkrise 2009.”
Die Industriestaaten-Gruppe OECD warnt derweil vor langfristigen Risiken für Chinas Wirtschaft durch milliardenschwere staatliche Anschubhilfen für die Konjunktur. In ihrem am Dienstag vorgelegten Bericht zu China wies die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) daraufhin, dass damit Bemühungen konterkariert würden, die Verschuldung in dem Riesenreich einzudämmen. Der Ökonom Bastian Hepperle vom Bankhaus Lampe hat ähnliche Befürchtungen: “Der Preis für die Stabilisierung des Wachstums ist der ausgesetzte Entschuldungsprozess. Damit bestehen für China unverändert hohe, langfristige Kreditrisiken, die in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten jederzeit für Turbulenzen sorgen können.”
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