Von Muttertag bis Meisterzwang: So lebt das Erbe der Nazis fort

  10 Mai 2019    Gelesen: 1310
Von Muttertag bis Meisterzwang:  So lebt das Erbe der Nazis fort

Wie jedes Jahr am zweiten Sonntag im Mai beschenken Töchter und Söhne ihre Mütter, meistens gibt’s auch ein Präsent vom (Ehe-)Mann. Der Muttertag - eine nicht ganz unumstrittene Tradition. Denn wie einige andere Festtage, aber auch Steuerbestimmungen oder berufsständische Regelungen ist der Brauch vom Naziregime mitgeprägt.

"Erfunden" wurde der Muttertag in den USA schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts - 1914 beging man ihn dort zum ersten Mal als "nationalen Feiertag". In Deutschland war er zunächst lediglich eine erfolgreiche Geschäftsidee der Blumenhändler - doch 1933 wurde der Muttertag von den Nazis vereinnahmt und zum offiziellen Feiertag erklärt.

Anfangs war sein Zweck gewesen, den Frauen zu danken, deren Wirken in der damaligen Gesellschaft größtenteils auf den Haushalt und die Kinder beschränkt war. Doch unter der braunen Terrorherrschaft wurde die Mutterschaft für Frauen zur "heiligen Pflicht" – nun galt es als ihre Aufgabe, den "arischen" Nachwuchs in möglichst großer Zahl zu gebären und zu gläubigen Nationalsozialisten zu erziehen, während Berufsarbeit als unweiblich galt.

Nach dem Zusammenbruch des Naziregimes ging die Entwicklung in den beiden deutschen Teilstaaten auseinander: Im Osten, wo Frauen als Arbeitskräfte dringend gebraucht wurden, wurde das Mutterideal schnell aufgegeben - die DDR feierte stattdessen am 8. März den Internationalen Frauentag. Der Westen hingegen hielt noch lange an der "Mutterideologie" fest. Nicht nur Frauenrechtlerinnen ist der Tag deshalb nach wie vor suspekt.

Der "Tag der Arbeit" mündete in die Entrechtung der Arbeiter

Auch ein anderer Feiertag zeigt, wie wichtig es den Nationalsozialisten war, bestehende Feste mit neuen Inhalten zu füllen: Der Tag der Arbeit am 1. Mai wird gefeiert, seit es im Jahr 1886 in den USAwährend eines Streiks für den Acht-Stunden-Tag zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kam.

Als Feiertag konnte sich der Tag der Arbeit in Deutschland nicht durchsetzen - bis ihn die Nationalsozialisten sofort nach der Machtübernahme für ihre Zwecke vereinnahmten: Als propagandistisches Großereignis wurde der "Tag der nationalen Arbeit" am 1. Mai 1933 in Berlin begangen.

Schon am Tag darauf, dem 2. Mai 1933, besetzten Truppen der SA Gewerkschaftshäuser, Zeitungsredaktionen und Arbeitereinrichtungen. Sie beschlagnahmten deren Eigentum, nahmen Gewerkschafter in "Schutzhaft" und misshandelten viele von ihnen. Die Arbeiter hatten zwar "ihren" Feiertag bekommen, wurden aber im selben Moment entrechtet und ihrer Organisationen beraubt.

"Heimtücke": Freislers Rechtsdefinition, noch immer nicht reformiert

Eine wichtige und bis heute bestehende nationalsozialistische "Erfindung" ist die Einführung des Tatbestands der "Heimtücke" ins Strafgesetzbuch. Der Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, konzipierte mithilfe dieses Begriffes das Strafrecht bei Mord neu. Grundsätzlich galt nun, dass bei Mord die Todesstrafe gefällt werden musste. Der Richter hatte nicht mehr die Tat zu beurteilen, sondern den "Tätertyp".

Die heutige Auslegung des Aspektes der "Heimtücke" in § 211 des Strafgesetzbuches (StGB) ist stark umstritten, das Bundesverfassungsgericht hat 1977 erhebliche Kritik geübt. Zuletzt ist 2016 Heiko Maas als Justizminister mit einem Reformversuch gescheitert - der von den Nazis geprägte "Heimtücke"-Begriff ist nach wie vor ein "braunes Relikt im deutschen Strafrecht" (Süddeutsche Zeitung).

Ehegattensplitting – mal so, mal so

Auch das sogenannte Ehegattensplitting geht auf Regelungen zurück, die teilweise in der Zeit des "Dritten Reiches" getroffen wurden. In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts war erstmals ein Ehegattensplitting eingeführt worden. Es sollte verhindern, dass Ehepaare, in denen beide Partner Geld verdienten, ungebührlich hoch besteuert wurden. So wollte man eine Schlechterstellung Verheirateter vermeiden.

Die Nazis nahmen dieses Splitting jedoch zunächst wieder zurück, weil sie die Frauen zurück an Heim und Herd zwingen wollten (siehe Muttertag). Doch als einige Jahre später mehr Frauen in der Rüstungsindustrie gebraucht wurden, führten sie das Splitting schnell wieder ein.

Was einst als Vorteil des Ehegattensplittings gesehen wurde - die steuerliche Besserstellung von Ehe und Familie - stößt heute auf Kritik: Die Steuerregelung benachteiligt sowohl nicht verheiratete Paare als auch eingetragene Partnerschaften.

Sie bevorteilt außerdem Ehepaare mit hohen Gehaltsunterschieden - wenn beispielsweise der Mann gut verdient und die Frau nur einem 400-Euro-Job nachgeht, ist die Steuerersparnis besonders hoch. Das Ehegattensplitting, sagen Kritiker, fördere deshalb heute das Ehemodell der "Frau am Herd".

Kirchensteuer: Hitlers Reichskonkordat gilt bis heute

Auch die seit den 30er-Jahren geltende Regelung der Kirchensteuer wird immer wieder kritisiert. 1934 führten die Nationalsozialisten den Einzug der Kirchensteuer durch die Arbeitgeber ein. Seit damals wird die Steuer direkt vom Arbeitsentgelt abgezogen.

Das 1933 geschlossene "Reichskonkordat" zwischen Hitler-Deutschland und den Kirchen ist in großen Teilen bis heute gültig. Dass ein säkularer Staat in solch einer zentralen Angelegenheit direkt die Anliegen religiöser Gruppen mitübernimmt, ist nicht nur in den Augen von Kirchenkritikern verfassungsrechtlich problematisch.

Meisterzwang: Gesellen bleiben abhängig

Auch für das Handwerk in der Bundesrepublik spielt eine Regelung aus der NS-Zeit noch immer eine wichtige Rolle: Der sogenannte Meisterzwang. Selbständig arbeiten durfte im Nationalsozialismus nur, wer einen Meisterbrief vorzuweisen hatte. Ideologisches Ziel der Nazis: Die Arbeitswelt sollte "ständisch" organisiert sein.

Zwar schafften die Amerikaner diese Regelung nach dem zweiten Weltkrieg ab, die Bundesregierung setzte sie aber 1953 im "Gesetz zur Ordnung des Handwerks" wieder in Kraft. Die Regelung, auch wenn sie längst nicht mehr für alle Handwerksberufe gilt, wird als ungerechte "Marktzugangshürde" kritisiert, weil sie es beispielsweise gut ausgebildeten Gesellen unmöglich macht, sich selbständig Arbeit zu suchen.

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