Mercedes B 200 - in der B-Note besser

  14 Mai 2019    Gelesen: 1164
  Mercedes B 200 - in der B-Note besser

Es soll nach eigenen Aussagen die sportlichste B-Klasse aller Zeiten sein, die Mercedes mit der Neuauflage auf die Beine gestellt hat. Und tatsächlich ist der Familien-Schwabe schnittig wie nie. Ob allerdings auch der Vortrieb sportlich ist, soll der Praxistest auf n-tv.de zeigen.

Die modulare Plattform MFA hat Mercedes mit dem neuen GLB jetzt restlos ausgereizt, hieß es zu dessen Präsentation. Tatsächlich sind auf dessen Grundlage auch die A-Klasse mit all ihren Derivaten und die B-Klasse aufgesetzt. Letztgenannte hat sich mit der Neuauflage vom schnöden Van zum Sport-Van gewandelt. Auch hier wollten die Stuttgarter weg vom Image der langweiligen Familienkutsche. Optisch wurde dafür einiges getan. Während die Front der der schnittigen A-Klasse gleicht, fällt die Dachlinie weit weniger ab. Dennoch reicht die Neigung aus, um dem Betrachter deutlich mehr Dynamik zu suggerieren.

Auch am Heck haben die Designer darauf geachtet, der Sportlichkeit den Vorzug zu geben, ohne dabei den Nutzwert aus den Augen zu verlieren. So ist der Ausschnitt der Heckklappe mit den zweigeteilten Leuchten gewachsen und selbstredend darf auch der Dachspoiler nicht fehlen. Wer dem Ganzen noch einen draufsetzen will, ordert das AMG-Paket: verschärfter Schweller, Diamant-Grill, sportliche Stoßfänger an Front und Heck, 19-Zoll-Räder, tiefergelegtes Fahrwerk, das auf eine dynamische Fahrweise abgestimmt ist, und eine Direktlenkung, die ihren Namen verdient. Genau so ist der Testwagen als B 200 zum Test bei n-tv.de vorgefahren.

"Holla, die Waldfee"

Da stand der Autor also davor und dachte: "Holla, die Waldfee, die Kiste rockt auch als Pampers-Bomber." Und obgleich die eigenen Kinder aus dem Alter raus sind, wo sie noch mit extra Sitzhilfen auf dem fahrzeugeigenen Gestühl festgemacht werden müssen, wäre hier genug Platz gewesen und die zweifarbige Sitzbespannung macht echt was her. Dazu kommt ein abgeflachtes Lenkrad, Sportpedalerie und selbstredend Fahrprogramme, bei denen Sport in Gedanken schon zur Dauereinstellung geworden ist.

Aber ach, fest in die Sportsitze geschmiegt, Startknopf gedrückt, kurz am Gaspedal gespielt, die Anzeige im 10 Zoll großen Widescreen über den Touch-Button am Lenkrad auf Dynamik gestellt und Gangwahlhebel auf Drive gestellt. Jetzt den Fuß von der Bremse, rauf auf den Pin und ab! Doch was ist das? Natürlich, das ist ein B 200! Unter der Haube sitzt der von Renault übernommene und im thüringischen Kölleda zusammengeschraubte (intern als M 282 bezeichnete) Vierzylinder. Der schöpft seine 163 PS aus 1332 Kubikzentimetern Hubraum und generiert ein maximales Drehmoment von 250 Newtonmetern. Hm, hört sich doch gut an! Rein rechnerisch steigt die Leistung im Vergleich zum bisher im B 200 angebotenen 1,6-Liter-Vierzylinder um bis zu elf Prozent. Ist doch toll.

Leider nicht souverän

Nee, ist es leider nicht. Das "Mini"-Triebwerk ist mit der ihm verordneten Leistungsabgabe im Augenblick des spontanen Abrufs einfach überfordert. Um den 163 Pferden das Gatter zu öffnen und sie zum Sprint auf die Koppel zu lassen, schaltet die 7-Gang-Automatik zum Beispiel auf der Landstraße drei Stufen runter. Die Drehzahlen schießen nach oben - denn 163 PS gibt es erst über 5500 Kurbelwellenumdrehungen. Während also die Drehzahlen nach oben fliegen, atmet der Turbo erst einmal tief durch, um dann die Beatmung zu übernehmen. Untermalt wird die Kulisse von einem künstlich generierten Diffusor-Geräusch. Dann endlich werden die Gänge wieder hochgewuchtet. Souverän wirkt das nicht und der Autor überlegt, ob er beim Kauf eines B 200 nicht lieber zum Handschalter statt zum Automaten greifen würde.

Damit keine Missverständnisse aufkommen: Die B-Klasse beschleunigt als B 200 mit Doppelkupplungsgetriebe in 8,2 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100. Für die Spitze stehen 223 km/h im Datenblatt und die sind auch zu erreichen. Doch schöner wäre es gewesen, wenn man bei Mercedes, was die Kraftentfaltung betrifft, mehr auf die Kür denn auf die Pflicht gesetzt hätte. Dann wäre der B 200 aus den unteren Gängen weniger ruppig und oben etwas gezähmter. Im Stadtverkehr mit ständigem Stop and Go war die Fahrt im Eco-Modus am entspanntesten. Hier wurde dieses Aufwallen, dieses unnötig ungestüme Ausdrehen so zurückgefahren, dass das Zusammenspiel von Drehzahl, Schaltvorgang und Vortrieb wesentlich harmonischer vonstatten ging.

Gute Verbrauchswerte

Angenehm war auch die dem Vierzylinder verordnete Abschaltung von zwei Töpfen im Teillastbereich. Tatsächlich ging der B 200 mit 7,3 Litern Super aus dem Test. Das geht in Ordnung, denn hier ist sogar noch Luft nach unten. Im besten Fall wurden im Schnitt 6,8 Liter ermittelt. Vielleicht wäre das sogar der zu erreichende Endwert gewesen, wenn man auf dieses unnötige pseudosportliche Ausdrehen verzichtet hätte. Für Sportfahrer können mit Blick auf die Motorisierungen eigentlich nur der B 220 d mit 190 PS infrage kommen.

Hier dürfte dann auch das Fahrwerk richtig zum Tragen kommen. Das hat nämlich alles, was es für den flotten Kurvenlauf und den durchschlagsfreien Familientransport braucht: die nötige Härte, wenn es quer geht, und einen entsprechenden Komfort, wenn man Distanzen überwinden möchte. Apropos Distanz. In Serie verbaut Mercedes in der B-Klasse nur einen 43 Liter fassenden Tank. Wer mehr Kilometer mit einer Füllung machen will, muss den 51-Liter-Tank ordern. Über den Platz im Innenraum wurde ja schon gesprochen. Vielleicht sollte noch erwähnt werden, dass der Kofferraum mit 455 Litern ganz ordentlich bemessen ist. Werden die Rückenlehnen steil aufgerichtet, erweitert sich das Volumen um weitere 205 Liter. Wer sie flachmacht, verfügt über einen Stauraum von 1540 Litern.

Auch in den Türinnentaschen ist für bis zu 1,0 Liter fassende Flaschen und anderen Kram reichlich Platz. Hinzu kommt ein großes Ablagefach in der Mittelarmlehne. Das Fach in der Mittelkonsole hat auf Wunsch auch eine induktive Ladefläche. Leider verschwinden Smartphones hier zu zwei Dritteln unter der Abdeckung, was es etwas fummelig macht, es wieder herauszuholen. Technisch ist die B-Klasse auf der Höhe der Zeit, eigentlich in seiner Klasse sogar ein ganzes Stück darüber. Statt USB-Anschlüssen werden nämlich vorausschauend bereits jetzt vier USB-C-Anschlüsse angeboten. Bedeutet im Moment, dass Zusatzkabel gekauft werden müssen, damit die aktuellen technischen Geräte mit Strom versorgt werden können.

Benchmark bei den Assistenten

Technisch Benchmark sind aber auch die Fahrassistenten, die die B-Klasse in diesem Segment anbietet. Dazu gehört ein Kamera- und Radarsystem, das im Zusammenspiel mit dem Navigationsdaten bis zu 500 Meter vorausschauen kann. Beim teilautonomen Fahren reduziert es dann zum Beispiel auch die Geschwindigkeit vor Kreuzungen, Kreisverkehren und Kurven. Das funktioniert ebenso gut wie der Aktive-Spurwechsel- oder der Aktive-Brems-Assistent. Einzig der Spurhalteassistent hatte einen Aussetzer. Die ohnehin recht sensibel auf das Überfahren von durchgezogenen Seitenlinien reagierende Elektronik bremst den Wagen nämlich sehr rigoros einseitig ein, um ihn wieder in die Spur zu bringen. Unangenehm nur, wenn ein diagonaler Reparaturstreifen auf der Autobahn als Seitenlinie detektiert wird und die Technik dann die Bremsen aktiviert.

Das war aber der einzige zu verzeichnende Fehler der Systeme. Ansonsten machten die einen ausgezeichneten Job. Genau wie das brillante Head-up-Display oder Navi und MBUX mit Augmented Reality. Was nichts anderes bedeutet, als dass an Kreuzungen, Kreisverkehren und anderen Wegpunkten die Frontkamera ein Bild vom Fahrweg in den mittleren - ebenfalls 10 Zoll großen - Touchscreen projiziert und mit einem blauen Pfeil anzeigt, wo der Fahrer abbiegen soll. Das ist immer ein wenig so, als würde ein Film laufen. Die Insassen sind jedenfalls begeistert und dem Fahrer hilft es ungemein beim Finden des Weges.

Begeistern können auch die vielen anderen Beigaben, wie zum Beispiel die "Energizing Sitzkinetik", die die elektrische Sitzverstellung nutzt, um die Be- und Entlastung der Muskulatur, Bandscheiben und Gelenke auf langen Fahrten zu garantieren. Das Ganze kann zudem mit entsprechender Musik und Lichtstimmungen untermalt werden. Auch das macht Laune und entspannt. Allerdings muss man schon echt lange unterwegs sein, um das Gefühl zu bekommen, man müsse das Programm jetzt mal laufen lassen.

Es gibt Einsparpotenzial

Am Ende ist natürlich auch jede Servicebeigabe aus der Optionsliste ein Aufpreis auf die 31.475 Euro kostende Basis. Im Falle des Testwagens landet man am Ende bei 53.562 Euro. Ein verdammt stolzer Preis für einen Kompaktwagen, auch dann, wenn es sich um einen extrem gut verarbeiteten Mercedes handelt. Aber worauf könnte man verzichten, um den Preis klein zu halten? Auf das AMG-Paket für 3510 Euro? Schweren Herzens, aber hier geht das meiste Geld drauf. Das Fahrassistenz-Paket für 1797 Euro? Auf keinen Fall. Auch das Park-Paket mit 360-Grad-Kamera für 792 Euro und das Spiegel-Paket für 434 Euro sind unantastbar. Warum für einklappbare Außenspiegel allerdings über 400 Euro aufgerufen werden, bleibt unverständlich.

Verzichtbar sind das AMG-Leder-Paket für 1190 Euro, das Energizing-Paket für 1320 Euro, die AMG-Leichtmetallräder für 1130 Euro und das Technik-Paket für 3522 Euro. Darin verbergen sich allerdings auch die Multi-Beam-LEDs der Frontscheinwerfer. Und wer die Kraft lieber mit der Hand verteilt, spart noch einmal 2094 Euro für das Automatikgetriebe. So käme man am Ende auf einen Preis von 44.306 Euro. Was sich schon viel besser liest.

Fazit: Die neue B-Klasse ist ein durchaus sportlicher Familien-Van oder Tourer. Allerdings sollte man von dem 1,33-Liter-Vierzylinder mit 163 PS nicht zu viel Dynamik erwarten. Tatsächlich empfiehlt sich hier eine Fahrt mit dem B 180, der dasselbe Triebwerk unter der Haube trägt, aber nur 136 PS leistet. Es ist vorstellbar, dass der in Summe souveräner unterwegs ist als der große Bruder. In allen technischen Belangen gibt es bei der B-Klasse kein Vertun. Hier kann man nichts falsch machen, bei weniger Ausstattung lediglich Geld sparen.

DATENBLATT

Mercedes B 200 7G-DCT
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)
4,41 / 1,80 / 1,56 m
Radstand
2,73 m
Leergewicht (DIN)
1410 kg
Sitzplätze
5
Ladevolumen
455 / 1540 Liter
Motor
Vierzylinder Benziner mit 1332 ccm Hubraum
Getriebe
7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe
Systemleistung Verbrennungs- und E-Motor
163 PS ( 120 kW) bei 5500 U/min
Kraftstoffart
Benzin
Antrieb
Frontantrieb
Höchstgeschwindigkeit
223 km/h
Tankvolumen
43 / 51 Liter
max. Drehmoment (Systemleistung)
250 Nm bei 1620 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h
8,2 Sekunden
Normverbrauch (kombiniert)
5,6 - 5,4 Liter (WLTP)
Testverbrauch (kombiniert)
7,3 Liter
CO2-Emission kombiniert
129 - 124  g/km /Euro 6 (WLTP)
Grundpreis
31.475 Euro
Preis des Testwagens
53.562 Euro

Quelle: n-tv.de


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