Floppt die Wirtschaft, floppt Europa

  25 Mai 2019    Gelesen: 480
Floppt die Wirtschaft, floppt Europa

Wird Europa durch Strache, Brexit & Co. wieder beliebter? Eher fraglich: Wie beliebt die EU ist, scheint mehr von der Wirtschaftslage im jeweiligen Land abzuhängen. Das ist ein Alarmbefund.

Die Prognose liegt nahe. Wenn diejenigen, die seit Jahren auf die blöde und korrupte und unfähige EU schimpfen, durch Blödheit, Inkompetenz und korrupte Auftritte auffallen, müsste das die EU eigentlich wieder beliebter machen. Relativ zumindest. Logisch, oder?

Immerhin sind die Beliebtheitswerte der Europäischen Union in den vergangenen drei Jahren wieder recht deutlich gestiegen. Und just dies in der Zeit, in der die Briten so unfreiwillig tragikomisch aufführen, wie cool das ist, wenn man mal schnell aus der EU austreten und damit viel Kohle machen will. (Achtung, AfD-Freunde, das war jetzt Ironie!) Liebe durch Abschreckung.

Gut möglich, wähnt so mancher, dass dann auch der jüngste Viralhit unserer national geneigten Trinkfreunde aus Österreich bei der aktuellen Europawahl zu (noch) mehr Zuneigung führt.

Der Haken: Es ist gar nicht so sicher, ob der EU-Popularitätszuwachs aus jüngster Zeit so viel mit dem abschreckenden Brexit-Effekt zu tun hat. Es könnte sein, dass stattdessen die Konjunktur in fast allen Ländern in dieser Zeit einfach besser lief. Was nur bedingt mit der EU zu tun hat, die EU-Beliebtheit aber zu beeinflussen scheint. Dann könnte es bald wieder vorbei sein mit der neuen Liebe. Alarm.

Zwei Mal im Jahr fragen Experten für die EU-Kommission im Volk herum. Zu allem Möglichen. Zur Wirtschaftslage im jeweils eigenen Land. Und dazu, "welches Bild" die Union beim Befragten hervorruft; und wie sehr Brüssel zu vertrauen ist. Stellt man die Ergebnisse nebeneinander, fällt auf, dass da etwas zusammenzuhängen scheint.

Einen Rekordbeliebtheitswert bekam die EU Anfang 2007 - als die Konjunktur überall brummte, selbst in Deutschland wieder. Damals bewerteten 52 Prozent der Befragten die Wirtschaftslage bei sich als positiv. Ebenso 52 Prozent gaben damals an, dass sie von der EU ein positives Bild haben.

Danach stürzten in der Krise die Konjunkturwerte - und ebenso die EU-Zuneigung. Zwischen 2009 und 2013 lag der Anteil derer, die es wirtschaftlich irgendwie gut fanden, bei nur noch 20 bis 30 Prozent. Und siehe da: 2013 war auch die Liebe zur EU weg - Tiefpunkt bei nur noch 30 Prozent Positivurteilen.

Ähnliches gilt in umgekehrter Richtung. Von da an wurde es wieder besser: für die Wirtschaft wie für die Popularitätswerte der EU. Wobei die Zufriedenheit mit dem Brüsseler Wirken in der Flüchtlingskrise 2015/16 noch einmal für eine kurze Zeit nachließ. Von 2017 an überwog dann der positive konjunkturelle Effekt wieder. Vergangenes Jahr gab es erstmals seit dem Boom 2007 wieder mehr Optimisten als Pessimisten, die angeben, dass sie die Wirtschaftslage im eigenen Land für "gut" halten. Und? Die Beliebtheit der EU erreichte den höchsten Wert seit 2009.

Was für den Zeitvergleich gilt, kommt auch im Vergleich zwischen den Ländern heraus. In sechs Staaten lag vergangenes Jahr die Quote der wirtschaftlich Zufriedenen bei 88 oder mehr Prozent. Und: Alle sechs gehören auch zu den Ländern, in denen die Mehrheit noch angibt, dass sie der EU vertraut - in Luxemburg, den Niederlanden, Dänemark, Schweden und Malta, ebenso wie in Deutschland.

Umgekehrt ist die Zuneigung zur EU just in Ländern wie Griechenland, Spanien, Italien und Frankreich enorm gefallen, in denen nur 6 bis 25 Prozent der Leute die Wirtschaftslage trotz aller Besserung für positiv halten. Auch das ist sicher kein Zufall. In Griechenland sagen nur noch 26 Prozent, dass sie der EU vertrauen - und 94 Prozent, dass es wirtschaftlich "schlecht" geht.

Jetzt könnte man als Lehre aus alledem entweder zu Fatalismus oder Allmachtsfantasien neigen. Option eins: Kann man nix machen. Option zwei: Muss die EU halt dafür sorgen, dass die Wirtschaft überall gut läuft. Die Wahrheit könnte etwas näher an Option zwei liegen.

Immerhin fällt im Zeitvergleich auf: Eingebrochen sind die Vertrauenswerte für die EU nicht in der Finanzkrise und großen Rezession 2009, sondern erst zwischen 2010 und 2013, als die Krise im Euroraum eskalierte - und Brüsseler Beamte mit deutscher Beteiligung überall vorzuschreiben begannen, wer was zu kürzen hat. Was nicht nur demokratisch suboptimal war, sondern nach gängigem Urteil auch ökonomisch eine Katastrophe - nämlich schlechtes Krisenmanagement.

Das könnte den einen oder anderen Abfall an Zuneigung für die EU erklären. Von Bürgern, die plötzlich für schlechte Banker blechen oder ihre Jobs ersatzlos abgeben mussten.

Das hat nirgends so unnötig viel Leid geschaffen wie in Griechenland, wo seither die Begeisterung für Europa (und deutsche Belehrungen) kollabiert ist. Verständlich.

Es könnte erklären, warum die Freude auch in Italien, Spanien und Frankreich so drastisch nachgelassen hat, wo ebenfalls viele Ausgaben gekürzt und Steuern angehoben wurden, ohne dass das fiskalisch viel gebracht hat, weil es die Konjunktur nur weiter bremste.

Wenn die EU wieder etwas beliebter geworden ist, liegt das umgekehrt womöglich daran, dass seither die Austeritätsexperimente in Ländern wie Spanien zum Glück weitgehend gestoppt wurden. Was besonders für Portugal gilt, wo ein deutlich höherer Anteil der Leute daher die Wirtschaftslage wieder für gut befindet als in Spanien. Kein Wunder womöglich, dass in Portugal auch mehr als die Hälfte der Leute noch der EU vertrauen.

spiegel


Tags:


Newsticker