Mit der Ernennung von Brigitte Bierlein zur österreichischen Bundeskanzlerin scheint Bundespräsident Alexander Van der Bellen ein kluger Schachzug gelungen zu sein. Die erfahrene Juristin, die bisher Präsidentin des Verfassungsgerichtshofes war, scheint genau das mitzubringen, was das durch den Ibiza-Skandal und die Regierungskrise gebeutelte Österreich jetzt braucht. Bis zu den Neuwahlen, die voraussichtlich im September stattfinden sollen, wird Bierlein die Übergangsregierung anführen, oder wie Van der Bellen sie bezeichnet: die „Vertrauensregierung“.
„Brigitte Bierlein ist eine außerordentlich kompetente, erfahrene und integre Persönlichkeit. Bierlein wird die nächsten Monate für eine stabile Verwaltung in Österreich sorgen. Wir werden sie dabei natürlich bestmöglich unterstützen“, lobte der per Misstrauensvotum Anfang der Woche abgesetzte Bundeskanzler Sebastian Kurz seine Nachfolgerin.
Auch vonseiten der FPÖ, die bis zum Ibiza-Skandal gemeinsam mit der ÖVP die Regierung gestellt hatte, gab es Beifall für die Ernennung Bierleins. So bezeichnete der designierte Bundesparteiobmann Norbert Hofer Brigitte Bierlein als „hoch angesehene, bestens qualifizierte und integre Persönlichkeit, die gemeinsam mit den noch zu ernennenden Ministerinnen und Ministern Garant dafür sein wird, dass die Regierungsgeschäfte frei von parteipolitischen Einflüssen und Auswirkungen des beginnenden Wahlkampf mit Sachkompetenz, Umsicht und Rücksicht auf die Erfordernisse der budgetären Herausforderungen bewältigt werden können.“
Als „entscheidenden Schritt für die Bildung einer stabilen und handlungsfähigen Übergangsregierung“ bezeichnete auch Harald Mahrer, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, die Ernennung Bierleins. „Die Entscheidung des Bundespräsidenten ist ein deutliches Signal, dass auch in den kommenden Monaten Stabilität und Berechenbarkeit für unsere über 500.000 Betriebe und ihre 3,8 Millionen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewährleistet werden.“
Stabilität und Ruhe fernab des parteipolitischen Geschachers – danach scheint sich dieser Tage ganz Österreich zu sehnen, und genau das scheint die Personalie Bierlein für die nächsten Monate zu versprechen. Zeit, um sich neu zu sortieren und Kräfte für den kommenden Wahlkampf zu sammeln.
Und noch ein anderes Signal wurde mit der Ernennung der 69-Jährigen gesetzt: Zum ersten Mal in seiner Geschichte bekommt Österreich eine Frau im Bundeskanzleramt. Als „Freudensmeldung“ bezeichnete die Entscheidung Maria Stern, Parteiobfrau und Frauensprecherin der JETZT-Liste Pilz.
„Gerade ungewöhnliche Zeiten ermöglichen längst Überfälliges, hier wurde souverän eine Chance genutzt. Ich lege jetzt eine Schweigeminute für die unsagbar schlechte, nicht vorhandene Frauenpolitik der türkisblauen Bundesregierung ein und werde danach mit unseren Parteimitgliedern und AktivistInnen, die heute zu einer Klausur zusammenkamen, auf die erste österreichische Kanzlerin anstoßen”, so Stern.
Als „frauenpolitisch wichtiges Signal“ bezeichnete Bierleins Ernennung auch SPÖ-Bundesfrauenvorsitzende und SPÖ-Frauensprecherin Gabriele Heinisch-Hosek. „Wir brauchen mehr Frauen in der Politik, in den höchsten Ämtern der Republik, in der Wirtschaft und in allen Entscheidungsfunktionen“, so Heinisch-Hosek.
Beate Meinl-Reisinger, Vorsitzende der NEOS, freute sich ebenfalls darüber, dass Österreich nun von einer Frau angeführt wird. „Ich freue mich sehr, dass wir erstmals eine Frau als Kanzlerin bekommen. Ich vertraue darauf, dass Brigitte Bierlein ihr Amt besonnen anlegen wird, stabilisierend nach innen und außen wirken wird und so für eine gute Verwaltung der Staatsgeschicke sorgen wird. Wir NEOS werden jedenfalls konstruktiv mit der neu zu bildenden Regierung zusammenarbeiten“, so Meinl-Reisinger.
Und was sagt Brigitte Bierlein selbst? In einer ersten Stellungnahme betonte die designierte Bundeskanzlerin, dass „Beruhigung und Vertrauensaufbau“ das wichtigste Ziel der neuen Regierung sei. Sie werde dafür Gespräche nicht nur mit den Parteien, sondern auch den Sozialpartnern, der Zivilgesellschaft und den Kirchen und Religionsgemeinschaften führen.
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